Predigt anlässlich des 400. Geburtstages von Pfr. Bartholomäus Holzhauser am 24. August 1613/2013

Pontifikalamt in der Basilika St. Martin in Bingen am 1. Mai 2013

Datum:
Mittwoch, 1. Mai 2013

Pontifikalamt in der Basilika St. Martin in Bingen am 1. Mai 2013

Die Zeit von Bartholomäus Holzhauser (1613-1658) ist weit weg von uns. Das Grabmal in der Martins-Basilika ist jedoch mitten unter uns und erinnert uns immer wieder an seine vielfache Bedeutung. Dankbar konnten wir vor fünf Jahren seinen 350. Todestag, heute dürfen wir seinen 400. Geburtstag begehen (auch wenn dieser erst am 24.8. sein wird).

In seinem relativ kurzen Leben - er starb mit 45 Jahren - hat er eine große Lebensreise hinter sich gebracht: Geburt in Laugna (Kreis Dillingen/Donau, Bistum Augsburg), Erziehung im Jesuitenkolleg in Neuburg an der Donau, Studium in Ingolstadt, Priester, Kanoniker in Tittmoning bei Traunstein, Pfarrer und Dekan in St. Johann in Tirol, aber dann leider nur drei Jahre hier in Bingen, ab 1655 berufen von Erzbischof J. Ph. von Schönborn.

Bartholomäus Holzhauser ist vor allem bekannt geworden durch die Sorge um die Weltpriester. Die Verwüstungen und die weitverbreitete sittliche Verrohung im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) haben auch die Priester, vor allem auch ihre Situation und Lebensweise beeinträchtigt. In ihrer desolaten Lage und Einsamkeit war es schwer, treu den Anforderungen des Berufes zu entsprechen. Ein wichtiges Ziel sah der noch junge Priester Bartholomäus Holzhauser darum im gemeinsamen Leben der Geistlichen an einer Hauptkirche (Institutum clericorum saecularium in commune viventium). Die Priester wohnten mit einer gemeinsamen Tagesordnung zusammen, ohne Gelübde, aber durch einen Treueid an ihre Gemeinschaft gebunden. Ihre Aufgabe bestand in Gebet, geistlichem Leben, Seelsorge, in der gediegenen Ausbildung künftiger Priester, nicht zuletzt aber auch in der Versorgung alter und kranker Priester. Ihre geistliche Prägung erfuhren die Priester vor allem durch die Spiritualität des heiligen Ignatius von Loyola und nicht zuletzt des großen Reformbischofs, des heiligen Karl Borromäus von Mailand. Man nannte die Gemeinschaften, die rasch entstanden sind, nach dem Gründer auch die Bartholomäer oder Bartholomiten. Diese wurden wegen ihrer vorbildlichen Lebensführung von mehreren Bischöfen und katholischen Landesherren ihrer Zeit nachhaltig gefördert. Deshalb wurden sie auch sehr in der Priesterausbildung eingesetzt und haben z.B. in Salzburg, Würzburg, Regensburg und auch Mainz das Priesterseminar geleitet. Sie besaßen Häuser in den meisten deutschen Bistümern, vereinzelt auch in anderen Ländern Europas und sogar Lateinamerikas. Die Weltpriestergemeinschaft „Unio Apostolica" führt das Gedächtnis an ihn und sein Erbe weiter. Diese wurde zwar erst 1862 in Frankreich von V.-E. Lebeurier gegründet, geht aber ideell auf B. Holzhausers Institut zurück.

Bartholomäus Holzhauser war in seiner Zeit auch bekannt durch einen Kommentar zum letzten Buch der Bibel, der Offenbarung. In so schlimmen Zeiten wie im Dreißigjährigen Krieg wurde die Apokalypse, das letzte Buch des Neuen Testaments, zu einem besonders häufig gelesenen und ausgelegten Buch, weil man darin viele Elemente der eigenen Zeit fand. Dies war in ähnlichen Situationen auch zu anderen Zeiten ähnlich. Zu Lebzeiten Holzhausers wurden auch seine Visionen sehr bekannt, die man als prophetische Ausrufe zur Erneuerung der Kirche in der damaligen Zeit verstehen muss. Es ist ganz verständlich, dass er auch ein reiches Schrifttum für die priesterliche Spiritualität zurückließ. Wir haben hier in Bingen viele Texte mit den Visionen.

Der eifrige Erneurer des geistlichen Standes wollte aber auch durch die Errichtung von Lateinschulen die geistige Zurüstung der künftigen Priester verbessern. Diese bald gut besuchten Schulen entsprachen den damals entstandenen, durch das Konzil vom Trient besonders empfohlenen so genannten kleinen Seminaren, die das Ziel hatten, Knaben für den Priesterberuf zu gewinnen und für den Eintritt in das Priesterseminar vorzubereiten. Diese Häuser existierten auch in unserer Diözese bis in das vergangene Jahrhundert, z.B. in Mainz, Bensheim und Dieburg. Sie hatten einen sehr guten Ruf. Die Lateinschule in Bingen hatte eine besonders hohe Anerkennung.

Der Erzbischof von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, hatte in dem großen Erzbistum Mainz Sorge um das Leben der Priester. Er lernte bei einem Kuraufenthalt in Bad Gastein die Bartholomäer kennen. Es gelang dem Erzbischof, Bartholomäus Holzhauser, damals Pfarrer von St. Johann in Tirol (zum damaligen Bistum Chiemsee gehörend), mit einigen Priestern für sein Erzbistum zu gewinnen. Er hat ihm das ziemlich darniederliegende und später sogar aufgelöste Stift St. Martin hier in Bingen übergeben. Bald wurde Bartholomäus Holzhauser auch Dekan des Landkapitels Gau-Algesheim. Der Erzbischof hat in dieser Zeit viele Pfarreien, die unter seinem Patronat standen, den Bartholomäern anvertraut, z.B. Heppenheim, Bensheim an der Bergstraße, Rauenthal im Rheingau und St. Emmeran in Mainz.

Die Not und die Sorge um die Priester war damals sehr groß. Deshalb verbreitete sich auch das Reformkonzept Holzhausers anfangs sehr intensiv, nicht zuletzt auch in Italien. Die Konstitutionen, also die Grundregeln, wurden 1680/84 durch Papst Innocenz XI. bestätigt.

Aber dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Werk Holzhausers nicht zuletzt auch bei den Priestern und bei nicht wenigen Bischöfen der damaligen Zeit - vielleicht im Unterschied zu später - auf Zurückhaltung stieß. Man wollte bei aller Not nicht gerne eine feste und wie in einem strengen Kloster überwachte Lebensform eingehen. Man zweifelte auch, ob es für den eigenen Auftrag in einem klosterähnlichen Verband günstig sei, als Priester in der Welt zu leben und zugleich in Pfarreien zu wirken. In der Tat erinnerten die Markenzeichen der neuen Gemeinschaft auch stark an einen klösterlichen Verband (vita communis, communitas bonorum, separatio mulierum). Dies ist ein altes Diskussionsthema, auch heute.

Dabei ereigneten sich bald auch einige Unglücksfälle, die der Gründung dieser Einrichtung sehr zusetzten. Als das Werk einen guten Aufschwung nahm, wurde es vor allem durch den Tod des Gründers zurückgeworfen. Auch später hat der Tod überzeugter Männer, besonders auch der Generalvorsteher Dr. Johannes Appel und Nikolaus Zopf, der tieferen Verwurzelung und weiteren Fortentwicklung der Gemeinschaft schwer geschadet. Die Zeit der Aufklärung und der zu ihr gehörende Zeitgeist verstärkten die rückläufige Bewegung. Schließlich wurde die Lebenskraft des Instituts in den Säkularisationen zum Beginn des 19. Jahrhunderts geradezu zerstört.

Natürlich gab es immer wieder verschiedene Versuche einer Wiederbelebung. So hat z.B. Bischof von Ketteler im Jahr 1858 das Institut wieder erneuern wollen. Ähnliche Versuche gab es auch in Frankreich. Aber die vielen Veränderungen im gesellschaftlichen Leben des 19. Jahrhunderts waren der Idee nicht hold. Deshalb hat man auch Bartholomäus Holzhauser in weiten Kreisen geradezu vergessen. Aber seine Idee blieb doch auch lebendig. So wurde z.B. in Frankreich im Jahr 1862 eine Priestergemeinschaft gebildet, der später der Name Unio Apostolica Cleri gegeben wurde. Diese Idee der „Unio Apostolica" breitete sich im 20. Jahrhundert über die ganze Weltkirche aus und wurde auch vom Papst anerkannt. Das Statut aus dem Jahr 1997/98 gibt als Zweck an: „Um in der pastoralen Liebe zu wachsen, stehen die Mitglieder der Unio Apostolica treu zu Christus und seiner Kirche. Sie helfen einander und allen Mitbrüdern, damit das Leben in Gemeinschaft in einer wahren sakramentalen Brüderlichkeit Ausdruck findet." (Statut, Trier 1998). Versuche zu einem Seligsprechungsverfahren im Jahr 1927 schlugen fehl.

Auch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil fand die Idee immer wieder ein positives Echo. Auch in unserem Bistum wurde in dieser Zeit der Versuch unternommen, solche priesterlichen Wohngemeinschaften zu gründen. Leider war auch dies vergeblich. Es kann hier nicht untersucht werden, warum sie scheiterten. Die Idee wurde auch nochmals erneuert bei der Weltbischofssynode des Jahres 1990, die sich mit dem priesterlichen Leben befasste. In dem entsprechenden Apostolischen Schreiben „Pastores dabo vobis" aus dem Jahr 1992 ist eigens von der Bedeutung priesterlicher Gemeinschaften die Rede (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 105). Dort heißt es (Art. 81): „Zahlreich sind die Hilfen und Mittel, derer man sich bedienen kann, damit die Weiterbildung (von der gerade die Rede ist) zu einer immer wertvolleren Lebenserfahrung für die Priester werde. Unter ihnen erinnern wir an die verschiedenen Formen gemeinsamen Lebens unter den Priestern, die es, wenn auch in verschiedener Weise und Intensität, immer in der Geschichte der Kirche gibt." Schon in der Vorbereitung der Bischofssynode heißt es: „Heute ist es unmöglich, sie nicht zu empfehlen. Vor allem denen, die am selben Ort leben oder pastoral tätig sind. Über den Nutzen für das pastorale Leben und deren Aktionen hinaus bietet dieses gemeinsame Leben des Klerus allen, den Mitbrüdern im Priesteramt und den Laien, ein leuchtendes Beispiel der Liebe und der Einheit." (Instrumentum laboris, Nr. 60; vgl. aber auch SC 99, CD 30, PO 8; CIC, can. 550, 2)

Es ist in der Kirche immer wieder zu beobachten, dass gute und vielversprechende Ideen scheitern und doch immer wieder neu aufgegriffen werden. Man kann dies auch in der heutigen Diskussion um die priesterliche Lebensform beobachten. So kommt gewiss auch wieder die Zeit, wo man sich wieder dankbar auf Bartholomäus Holzhauser und seine Absichten zurückbesinnen wird. Vorbildlich aber bleibt, wie sehr er wusste und stets daran erinnerte, dass die Seelsorge am Seelsorger von höchster Bedeutung für das Leben der Kirche ist. Wenn es immer wieder viele Anläufe zur Verwirklichung mancher Empfehlung und Reformversuche bedarf, so spricht dies nicht gegen die Ideen und Visionen.

Er hatte aber nicht nur die Priester im Auge, so wichtig dies auch war. Er war ein Priester der katholischen Reform im Sinne des späteren Konzils von Trient. So hat er z.B. in Bingen die Frühmesse eingeführt; er hat den Lettner abgebaut, um den Menschen einen freien Blick auf das Zentrum, den Hauptaltar, zu ermöglichen. Er hat die vielen Seitenaltäre, die früher in dem Stift mit vielen Priestern nötig waren, reduziert, um dem Geschehen auf dem Hauptaltar mehr Gewicht zu verleihen. Er hat auch muttersprachliche Texte gefördert.

Deshalb ist es auch für uns wichtig zu wissen, wen wir in diesem Grabmal der Martins-Basilika hüten und bergen, schätzen und verehren. Ich bin fest überzeugt, dass seine Stunde wieder kommen wird. So erinnert uns Bartholomäus Holzhauser im Jahre 1655, also im Zusammenhang des Beginns seiner Aktivitäten bei uns, an die grundlegende Aufgabe, der er sein Leben widmete: „Die Ehre Gottes, das Heil der Seelen, die Erbauung der katholischen Kirche und die Ehre und Ehrbarkeit des Priesterstandes, all dies war mein Ziel von Anfang an und ist es und wird es durch die Gnade Gottes immerdar sein, bis die Auflösung meines Leibes erfolgt." Vor fünf Jahren feiern wir hier den 350. Todestag, in diesem Jahr den 400. Geburtstag! Amen.

 

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

 

Literatur:

M. Arneth, Seelsorge am Seelsorger. Bartholomäus Holzhauser 1613-1658. Leben und Werk, Trier 1993 (Lit.);
B. Hubensteiner, Vom Geist des Barock, 2. Auflage, München 1978, 173-187, 269-271;
F. Jürgensmeier (Hg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Band 3/1, Würzburg 2002, 198 ff., 276 ff., 352 ff., 360 ff.;
G. Greshake, Priester sein in dieser Zeit. Theologie - Pastorale Praxis - Spiritualität, Freiburg i. Br. 1981, Neuherausgabe Würzburg 2005, 4. Kapitel: Stil-Elemente geistlichen Lebens, 354-375, bes. 366;
Zum Gedenken an die 350. Wiederkehr des Todesjahres von Bartholomäus Holzhauser, dem Erneuerer des Weltpriestertums, herausgegeben von der Gemeinde Laugna, Wertingen 2007, 42 Seiten (Lit.);
E. Gatz (Hg.), Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Band IV: Der Diözesanklerus, Freiburg i. Br. 1995, 36, 102, 428;
M. Arnath, B. Holzhauser, in: Dictionnaire de Spiritualité, Band VII/1, Paris 1969, 590-597 (Lit.).

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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