Predigt bei der Mittelrheinischen Feuerwehrwallfahrt

am 28. Oktober 2012 in Kamp-Bornhofen; Eingeladen von den Franziskanern des Klosters, dem Landesfeuerwehrverband RLP sowie den Feuerwehren aus Bad Honnef, Lahnstein und Kamp-Bornhofen

Datum:
Sonntag, 28. Oktober 2012

am 28. Oktober 2012 in Kamp-Bornhofen; Eingeladen von den Franziskanern des Klosters, dem Landesfeuerwehrverband RLP sowie den Feuerwehren aus Bad Honnef, Lahnstein und Kamp-Bornhofen

Die Elemente der Schöpfung offenbaren immer wieder ihre doppelte Natur, ihre Zweischneidigkeit und Doppeldeutigkeit. Dies gilt für das Wasser und den Wind, die Frische und Leben schenken, aber auch z.B. beim reißenden Strom und bei heftigem Sturmwind zerstörerisch sind. Das Feuer, das wärmt und vor der Kälte schützt, kann im Nu das Dach über unserem Kopf zerstören und schnell lebensgefährlich werden, und zwar für alle lebendigen Wesen, vom Gras über Pflanzen und Tiere bis zum Menschen. In solchen Situationen spüren wir ganz besonders die Notwendigkeit eines Schutzes. In wenigen Fällen können wir uns wirklich allein und selbst helfen, sondern wir brauchen mindestens den Nachbarn, die Hilfe aus dem Dorf und auch von Spezialisten. Schon in früheren Zeiten gab es kein menschliches Wohnen ohne eine besondere Wachsamkeit gegenüber dem Feuer. Es fängt ja klein und kaum sichtbar an, gewinnt aber schnell Macht über alles, was ist. Deshalb gibt es auch in unseren Städten immer wieder Türme, ob in der Höhe von Kirchtürmen oder als eigene Beobachtungstürme, wo besonders auch bei Nacht die Feuerwache aufzieht, um die Menschen möglichst früh zu warnen und sie zusammen zu holen. Auch hier gilt das alte Wort: Einer aber muss wachen.

Die Wachsamkeit ist uns Menschen ganz von Hause aus, von unserer Natur her aufgegeben. Der Mensch ist verletzlich, leicht angreifbar und kommt schnell zu Schaden. Er muss stets auf der Hut sein und seine Feinde schon immer früh erkennen können. So gehört die Wachsamkeit des Menschen zu seinem Wesen. Jeder Mensch muss auf seine Weise immer wieder auf Gefährdungen aufpassen und ihnen rechtzeitig begegnen. Deswegen ist diese Wachsamkeit auch bei uns in vieler Hinsicht ausgeprägt. Heute sind Feuermelder aufgestellt, damit wir möglichst schnell Alarm schlagen können. Es gibt die ehrenamtlichen Feuerwehrleute, die heute freilich eine breite Aus- und Fortbildung erfahren. Daraus sind dann die Berufsfeuerwehren entstanden, die besonders an gefährlichen Punkten unseres Lebens immer in der Nähe sind: in bestimmten Industrien, an Flughäfen, in der Nähe der Autobahnen.

Das Feuer behält auch sonst seine tiefe Mehrdeutigkeit. In der Bibel wird einerseits das Feuer zum Bild für die Herrlichkeit und Heiligkeit Gottes. Gott steigt im Feuer auf den Berg Sinai herunter, wenn er dem Menschen die Lebensordnung in den Zehn Geboten verkündet. Das Feuer symbolisiert die Nähe Gottes. Er kommt im brennenden Dornbusch. Auch im letzten Buch der Bibel (vgl. Offb 1,14; 2,18; 4,5, 10,1, 19,12) wird das Symbol des Feuers zur Darstellung Gottes, Jesu Christi und der Engel aufgegriffen. Gleichzeitig ist das Feuer eine ganz große Gefahr für den Menschen. Gott ist auch das verzehrende Feuer. Das Feuer steht auch für das Gericht Gottes. Ja, man hat das Feuer als Naturkatastrophe oft als Strafe Gottes bzw. als Zeichen des göttlichen Gerichtes verstanden. Alles Gottwidrige wird der Vernichtung durch das Gottesfeuer preisgegeben. Nicht zufällig sprechen wir vom Höllenfeuer. Eine ganz schlimme Strafe sind die in der Bibel seltenen Todesurteile durch Verbrennen, die sich jedoch in anderen Religionen stärker finden.

So üben unsere Feuerwehren, wie immer sie konkret organisiert sind, einen uralten Beruf aus. Er hat sich im Lauf der Jahrhunderte durch zunehmende Gefahren als noch notwendiger erwiesen. Wir brauchen heute die Feuerwehr bei ganz vielen Einsätzen, wo es um Leben und Tod geht. Feuerwehren versuchen Selbstmörder, die sich von Gebäuden herabstürzen, zu retten. Die Feuerwehren suchen die Flüsse und Wälder ab nach vermissten Personen. Die Feuerwehren werden zum Einsatz gerufen bei schweren Unfällen auf unseren Straßen, besonders wenn auch gefährliche Stoffe und Flüssigkeiten auslaufen. Immer wieder verlieren Feuerwehrleute im Dienst für uns alle ihr Leben. Dies zeigt, wie tief die Feuerwehr mitten in unserem Leben steht und wirkt. Die Wehren brauchen gerade auch durch die großen Anstrengungen und Gefährdungen eine gute und verlässliche Zusammenarbeit. Jeder muss sich auf den anderen verlassen können: einer für alle - alle für einen. Ohne Teamgeist ist dies nicht möglich. Jeder hat seine Fähigkeiten und kann sie auch entwickeln.

In diesem Einsatz spüren wir Menschen aber auch, dass wir bei allen unseren Fertigkeiten und Kräften immer wieder an unsere Grenze kommen. Wir können nicht alle retten. Manchmal ist unserem Bemühen kein Erfolg beschieden. Wir können dann nichts anderes als - evtl. in Zusammenarbeit mit der Polizei und der Notfallseelsorge - Angehörige über den Tod ihrer Nächsten informieren und trösten. Dies braucht viel Kraft, um den Misserfolg, die Ohnmacht und die Hilfslosigkeit auszuhalten. Manchmal verschlägt es uns selbst die Stimme, wenn wir eine solche Botschaft überbringen müssen. Ich bin froh und dankbar, dass wir in den letzten Jahrzehnten in unserer schon erwähnten Notfallseelsorge ein sehr hilfreiches Netz des gemeinsamen Vorgehens in solchen Katastrophen schaffen konnten.

Dies steht auch im Hintergrund der Wallfahrt, die wir nun zum zehnten Mal durchführen. Wer eine Wallfahrt unternimmt, der zeigt dadurch auch, dass ihm die Grenzen seines Tuns bewusst sind und dass er immer wieder die Weggemeinschaft eines Größeren braucht, der ihn stützt, ihm Mut gibt und auch die Vergeblichkeiten ertragen hilft. Wachsamkeit und Pilgerschaft sind elementare Kennzeichen des menschlichen Lebens. Darum ist es gut, wenn die Menschen bei vielen Gefährdungen immer wieder auch Wallfahrten gründen und stiften, nicht zuletzt als Dank für das Bestehen von Gefahren und als Bitte zur Bewahrung vor dem Bösen.

So ist es auch bei unserer Feuerwehrwallfahrt am Mittelrhein. Wir können den Ursprung noch ganz lebendig greifen. Am 21. November 1949 raste ein Feuersturm über die gesamte Klosteranlage in Kamp-Bornhofen. Auch der Turm und das Portal der Wallfahrtskirche wurden vom Feuer erfasst. Es wurde an die umliegenden Wehren Feueralarm gegeben, in Koblenz, Nieder- und Oberlahnstein, Boppard, Braubach, Engers, Neuwied, Weißenthurm, Andernach und Bad Ems. 14 Feuerwehren kamen zu Hilfe. So konnten wenigstens die umliegenden Gebäude und das Innere der Wallfahrtskirche vor der Vernichtung gerettet werden. Auch Pioniere der Besatzungsbehörden halfen. Viele beteiligten sich an der Nachbarschaftshilfe. Die dichten Rauchwolken legten sich schwer in die Gassen und Häuser, sodass die Feuerwehrleute nur noch mit Schutzmasken arbeiten konnten. Straßen und Bahnlinien mussten gesperrt werden. Ein heftiger Sturmwind aus dem Süden trieb das Feuer immer wieder an. Innerhalb von einer Viertelstunde stand das ganze Dachgeschoss des ausgedehnten Klostergebäudes in hellen Flammen. Es kam vor allem darauf an, die dicht am brennenden Kloster liegenden Häuser zu schützen.

Leider mussten wir auch bei den Löscharbeiten ein Todesopfer beklagen. Der Brandmeister Hermann Doneth aus Niederlahnstein befand sich bei den Bergungsarbeiten im Klostergebäude, als plötzlich die Decke eines Zimmers einstürzte und die herabstürzenden Trümmer den Brandmeister so schwer verletzten, dass er trotz rascher Hilfe kurz darauf starb. Drei Mönchen konnten sich im letzten Augenblick noch vor den herabstürzenden Trümmern der wertvollen Klosterbibliothek retten. Einige Feuerwehrmänner mussten mit schweren Rauchvergiftungen ins Krankenhaus gebracht werden. Junge und Alte aus dem Dorf haben unermüdlich Hilfe geleistet. Kloster und Bewohner bildeten in großer Treue eine sehr hilfreiche Gemeinschaft. Sie haben sich auch von Bornhofen und aus der Umgebung gelobt, dass sie alles tun werden, um das 900 Jahre alte Kloster wieder in Stand zu setzen. Man konnte ja an der schon so lange bestehenden Wallfahrt anknüpfen.

So entstand im Jahr 2003 als Anregung des Wallfahrts- und Franziskanerklosters die Gründung einer Feuerwehrwallfahrt am Mittelrhein. Der Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz erklärte mit dem Wallfahrtskloster zusammen: „Zusammen mit den Patres des Klosters übernehmen wir die alljährlichen Vorbereitungen zur Organisation dieser Wallfahrt. Den Termin haben wir auf den letzten Sonntag im Oktober gelegt. Wir wünschen uns, dass diese Feuerwehrwallfahrt mit dem Segen Gottes lange Bestand haben wird und jeder Teilnehmer Kraft und Zuversicht für seine alltäglichen Pflichterfüllungen mitnehmen kann."

Heute dürfen wir die zehnte Feuerwehrwallfahrt begehen. Dies scheint angesichts so vieler älterer Wallfahrten wenig zu sein. Aber der Anfang ist nicht nur zeitlicher Beginn, sondern er hat auch aus der Einsicht in die Gefährdungen des Menschen etwas Bleibendes an den Tag gebracht. Wir sprachen ja schon von der bleibenden Zwiespältigkeit z.B. des Feuers und des Wassers. Insofern führt uns diese Wallfahrt mit ihrer eigenen Geschichte ganz nahe zu unserer menschlichen Existenz mit ihren Höhen und Tiefen. Das Leitwort fasst dies alles knapp und eindringlich zusammen: „Gott zur Ehr - dem Nächsten zur Wehr". So wollen wir allen Feuerwehrmännern und ihren Familien, besonders auch den Verantwortlichen, von Herzen danken für ihren Einsatz von damals und von heute. Wir haben viel zu danken, auch den Ehepartnern und allen, die unsere Feuerwehrleute oft vertreten, z.B. am Arbeitsplatz. Wir bitten auch darum, dass junge Menschen, Mädchen und Jungen, sich in der Jugendfeuerwehr betätigen. Es ist heute nicht leicht, junge Menschen für diesen wichtigen Dienst zu gewinnen. Wir wollen uns alle bemühen, dass sie Anerkennung finden. Schließlich wollen wir auch für alle Opfer im Rettungsdienst danken, nicht zuletzt aber auch für die vielen Opfer in den Katastrophen und Kriegen unserer Tage. Endlich wollen wir auch unser Gebet an die Mutter Gottes der Wallfahrtskirche richten, dass sie die Bitten, die wir an Gott richten, dem Vater im Himmel empfiehlt und dass sie sich auch für alle, die Schaden nehmen, als Mutter der Betrübten und allen Trostes erweist. Wir danken allen, die diese Wallfahrt auch in diesem Jahr vorbereitet haben. Es ist für uns auch ganz selbstverständlich, dass wir bei dieser Gelegenheit an alle Feuerwehrleute unseres Landes denken, zumal auch der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Herr Roger Lewentz, zugleich für die Feuerwehr zuständig, unter uns ist. Allen wünsche ich Gottes reichen Segen. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz