Wie geht es mit der Bischofssynode weiter? - Ein Blick auf das neue „Arbeitsdokument"

Kolumne von Kardinal Lehmann in der Kirchenzeitung "Glaube und Leben"

Datum:
Sonntag, 5. Juli 2015

Kolumne von Kardinal Lehmann in der Kirchenzeitung "Glaube und Leben"

In den letzten Wochen und Monaten ist es im Blick auf die Synode über Ehe und Familie, deren zweite Sitzungsperiode (vom 4. bis 25. Oktober) vorbereitet wird, etwas stiller geworden. Freilich gab es weniger beachtete Tagungen in Rom, offizielle des Synodensekretariates und inoffizielle, z.B. von Synodalen. Manche Veröffentlichung, die uns noch vor Synodenbeginn erreichen wird, befindet sich in Druck.

Dazu gehört auch die Vorbereitung durch das offizielle sogenannte „Arbeitsdokument" (Instrumentum Laboris), wie es für jede Synode geschieht. Hier sind die Ergebnisse der Umfragen bei den Bischofskonferenzen und auch die Überlegungen, die in den römischen Behörden zusammengetragen worden sind, den Teilnehmern, Mitgliedern und Beratern der Synode dargeboten. Ohne dass dies alles schon verbindlich wäre, ist dieses „Arbeitsdokument" so etwas wie ein inhaltlich orientierter Leitfaden für die Synode selbst.

Man kann nur dankbar begrüßen, dass Papst Franziskus, der selber bei manchen vorbereitenden Sitzungen des Synodenrates anwesend war, Wert darauf gelegt hat, dass dieses vorbereitende Dokument rechtzeitig vor den großen Ferien erschienen ist. Es wurde am vergangenen Dienstag, 23.06., im Vatikan vorgestellt, liegt vorläufig nur in italienischer Sprache ganz vor und wird bald in den wichtigsten Weltsprachen verfügbar sein, auch in deutscher Fassung.

Die Anfertigung dieses Arbeitsdokumentes war freilich weit schwieriger als bei den gewöhnlichen Synoden. Denn die Ergebnisse der Umfrage 2013/14 und die Erkenntnisse des Schlussberichtes der Außerordentlichen Synode im letzten Herbst einerseits und die Ergebnisse der Umfrageresultate 2014/15 sowie der Beratungen in den Bischofskonferenzen andererseits sollten nicht verlorengehen.

In Rom kam man deswegen auf die Idee, die Struktur mit den Thesen des synodalen Schlussberichtes von 2014 als Grundgerüst zu bewahren, aber diese Texte durch die weiteren Einsichten, die in der Zwischenzeit gewonnen worden sind, zu ergänzen. So wurde das, was bisher gemeinsam formuliert worden ist, erhalten und zugleich aufgrund der bisherigen Erkenntnisse fortgeführt. Was unverändert geblieben ist, wurde in kursiver Schriftform beibehalten. Schließlich wurden indirekte oder direkte Zitate der ersten Fassung, die nicht genau nachgewiesen waren, mit allen angeführten Angaben zitiert. Man kann sie also selbst leicht wiederfinden.

Bekanntlich haben einige Themen bei der Abstimmung der ersten Synode keine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Man hat diese Themen aber jetzt beibehalten, sodass sie nicht einfach ausgeklammert wurden. Immerhin geht es dabei auch um Themen wie geschiedene Wiederverheiratete, Homosexualität usw. Dabei kann man auch entdecken, dass die von der Deutschen Bischofskonferenz in ihren Stellungnahmen besonders herausgehobenen Probleme eine stärkere Berücksichtigung gefunden haben. So werden die Fragen des Umgangs mit Paaren in Krisen-, Trennungs- und Scheidungssituationen sowie der eben genannten Probleme zwar zurückhaltend, aber doch deutlich und differenziert dargestellt. Die Diskussion soll bewusst offen gehalten werden. Dabei finden sich natürlich auch Themen, die bei uns nicht weniger Aufmerksamkeit gefunden haben wie z.B. die Vorbereitung auf die Ehe, die Begleitung von jungen Ehepaaren, Erziehung und Glaubensweitergabe in der Familie sowie die Aspekte von Familie und Armut.

Entsprechend der Diskussionsgrundlage und der Meinungsvielfalt über diese Themen ist der so entstandene Text nicht leicht übersichtlich. Es kann bei der Offenhaltung der Diskussion auch nicht überraschen, dass manches einfach unverbunden und spannungsvoll nebeneinander steht.

So bewahrt der neue Text die Vielfalt der bisherigen Diskussion, klammert also die „heißen Eisen" nicht aus, spitzt aber manches wenigstens für das weitere Gespräch in der Synode zu. In diesem Sinne ist es ein nachdenklicher Text, der zu einer differenzierten Betrachtungsweise führt. Manche sind vielleicht enttäuscht über die Zurückhaltung.

Dies soll nicht heißen, dass der Text nicht eine deutliche Tendenz, gleichsam einen „roten Faden" für die diesjährige Herbstsynode enthält. Ich sehe diesen in einer Grundhaltung von Papst Franziskus, die bei ihm auch sonst eine zentrale Rolle spielt. So wird im vorliegenden Dokument die Bedeutung der Barmherzigkeit sehr stark herausgehoben, wenn es z.B. an einer Stelle heißt: „Die Barmherzigkeit ist die Offenbarung der Treue und Identität Gottes mit sich selbst und gleichzeitig Aufweis der christlichen Identität. Daher nimmt die Barmherzigkeit nichts von der Wahrheit. Sie selbst ist offenbarte Wahrheit." (vgl. z.B. Nr. 67 und 68)

Wenn der Text auch in deutscher Sprache vorliegt, ist er eine gute Hilfe, ein wirkliches „Arbeitsdokument" und ein Instrument der Vorbereitung und Begleitung der Synode 2015.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Diese Gastkolumne lesen Sie auch in der gedruckten Ausgabe der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" vom 5. Juli 2015

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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