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Die Geschichte der katholischen Gemeinde in Gießen

1248

Gießen erstmals als Stadt bezeugt; die Kirchengemeinde ist jedoch bis Ende des 15. Jahrhunderts ,,Filial" der Gemeinde von Selters.

 

1319

Erwähnung einer zweischiffigen Kapelle, dem Hl. Pankratius geweiht.

 

1393

In der Innenstadt besteht ein Spital zum Heiligen Geist und der Hl. Elisabeth, wohl vor allem zur Betreuung der Pilger, die auf dem Weg nach Marburg (zur Elisabethkirche) waren; später werden weitere Einrichtungen für Kranke, Arme und Pilger erwähnt.

 

1484

Beginn des Baues des Stadtkirchenturms neben der Pankratiuskirche.

 

1508

„St. Pancratii“ wird als Pfarrkirche benannt, mit eigenen Tauf-, Trau- und Friedhofsrechten; dies zeigt die inzwischen erlangte Selbständigkeit der Gießener Kirchengemeinde.

 

1526

Landgraf Philipp der Großmütige beschließt auf der Synode von Homberg/Efze die Einführung der Reformation in seinem Land. Erstmals wird in der Stadtkirche „evangelisch“ gepredigt.

 

Um 1530

Abbruch der alten Peterskirche von Selters (etwa in der Gegend des heutigen Gießener Bahnhofs).

 

1532

Es gibt keinen katholischen Priester - und damit keine katholische Gemeinde - mehr in Gießen.

 

Über die folgenden 150 Jahre gibt es keine ergiebigen Zeugnisse eines katholischen Gemeindelebens.

 

1784

Landgraf Ludwig IX. gestattet katholische Privatgottesdienste in einem Kollegiensaal der Universität, die von Franziskanern aus Wetzlar gefeiert werden.

 

1791

Unter Berufung auf den „Darmstädter Freyheitsbrief" bekommt am 9. April die kleine Gießener katholische Gemeinde ihren ersten eigenen Pfarrer nach der Reformation, den ehemaligen Benediktiner Bonifaz Carl Siegmund Schalk. Über die Größe der Gemeinde gibt es keine zuverlässige Aussage; die Chronik erwähnt lediglich einmal, dass 400 Hostien im Jahr verbraucht wurden. Dies erscheint uns wenig, aber es fehlt die Angabe über die Zahl der Gottesdienste, und außerdem kommunizierten damals nur wenige Gemeindemitglieder.

1804

Der Kollegiensaal ist für die wachsende Gemeinde als Gottesdienstraum zu klein geworden.

Landgraf Ludwig X. gestattet katholische Gottesdienste in der evangelischen Burgkirche; eine Glocke der evangelischen Stadtkirche darf zu diesen Gottesdiensten geläutet werden – gelebte Ökumene, lange, bevor der Begriff geprägt wurde.

 

1821

In diesem Jahr kehrt Gießen - vorübergehend zu Trier gehörig - im Rahmen der Neuumschreibung der Oberrheinischen Kirchenprovinz ins Bistum Mainz zurück.

 

1824

Die Burgkirche wird abgebrochen. Eine Zeitlang werden die katholischen Gottesdienste in der

Stadtkirche, dann in einem ehemaligen Kliniksaal in der Liebigstraße gefeiert. Der Wunsch nach einer eigenen Kirche wird immer lauter.

1830

Am 27. November wird an der Gießener Universität eine katholisch-theologische Fakultät errichtet, die bis 8. Mai 1851 Bestand hat. In diesem Zeitraum sind die meisten Pfarrer der katholischen Gemeinde zugleich Professoren dieser katholisch-theologischen Fakultät. Sie bemühen sich nach Kräften um einen würdigen Gottesdienstraum für ihre Gemeinde, auch wenn diese, wie ein Chronist berichtet, „es nicht so genau nimmt mit der Religion", die Kinder kein Kreuzzeichen können und die Erwachsenen kein Ave Maria.

Die am 07. September den Heiligen Bonifatius und Petrus geweihte Kirche in Gießen

1838

wird an der Frankfurter Straße - etwa an der Stelle des heutigen Martinshofes - der Grundstein gelegt für die erste katholische Kirche nach der Reformation.

 

1840

Sie wird am 07. September den Heiligen Bonifatius und Petrus geweiht. Die Gemeinde zählt 314

Seelen in der Stadt Gießen; dazu kommen noch etwa 200 Katholiken im Umkreis von 10 bis 20 Stunden.

Pfarrer Hartnagel ('1838-1848) legt ein Verkündigungsbuch an und führt eine Religionsprüfung für Jugendliche ein. Sein Nachfolger, Prof. Dr. Fluck, führt den „Umgang" in der Kirche zu Fronleichnam ein, stiftet einen Fonds für die angestrebte Konfessionsschule und beginnt

1860

mit Maiandachten. Er regt die Gründung eines kirchlichen Gesangvereins an, der sich allerdings nach wenigen Monaten wegen Differenzen zwischen Pfarrer und Sängern in Satzungsfragen wieder auflöst. Pfarrer Fluck besteht u. a. darauf, dass Chorproben nach Geschlechtern getrennt abgehalten würden ...

 

Mit dem Bau der Eisenbahn in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wird durch Zuzug von Eisenbahnern und ihren Familien die Gemeinde rasch größer und dringt ins Bewusstsein der Gießener Bevölkerung - nicht zuletzt auch durch die Einrichtung einer Krankenpflegestation I882 und schließlich des katholischen Schwesternhauses 1886. Die erste Oberin des Schwesternkonventes ist Schwester Wilhelmine; sie füllt dieses Amt aus bis zu ihrem Tod im Jahr 1914.

1889

Am 1. Oktober wird Gießen aus dem Dekanat Ockstadt herausgelöst und ein neues Dekanat Gießen gebildet. Pfarrer Elz wird erster Dekan.

 

1892

übernimmt Pfarrer Johannes Bayer die Pfarrei, die er 46 Jahre lang - durch den Ersten Weltkrieg und die ersten Jahre der Naziherrschaft hindurch – bis zu seinem Tod leiten wird. Die Gemeinde ist inzwischen auf fast 1.800 Seelen angewachsen, die Kirche ist zu klein geworden.

 

Die ab 1902 erbaute St. Bonifatius Gießen, Turmfront mit Hauptportal (heutige Ansicht)

1898

erwirbt die Gemeinde das Grundstück der ehemaligen Fernie'schen Bergwerksverwaltung in der Liebigstraße.

1902

beginnen die Arbeiten für den ersten Bauabschnitt der neuen Kirche; er wird 1905 vollendet. Inzwischen gibt es etwa 2.000 Katholiken. in Gießen, und es hat sich ein reges Vereinsleben in der Gemeinde entwickelt und entfaltet; so entstand der Gesellenverein, die heutige Kolpingfamilie (1897), der Bonifatiusverein, der Paramentenverein (1889), der Borromäusverein, die heutige „Kath. öffentliche Bücherei" (1899) und bereits '1882 der von Pfarrer Rady neugegründete Kirchengesangverein. Sie alle sind froh über das eigene katholische Vereinshaus, den „Saalbau", zu dem in den Jahren 1910/1911 die erste, zu klein gewordene Bonifatiuskirche umgebaut wird und der nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit einziger Festsaal der Stadt Gießen ist.

1912

wird ein katholischer Kindergarten eingerichtet.

 

1914

Am 1. März (1. Fastensonntag) wird der Kreuzweg in der St. Bonifatiuskirche eingeweiht. Zu Beginn des Krieges entsteht der Elisabethenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten.

 

1919

Der katholische Frauenbund gründet eine Gruppe in St. Bonifatius.

 

1921

Zum ersten Mal wird eine Fronleichnamsprozession außerhalb der Kirche durch die benachbarten Straßen durchgeführt.

 

1928

Der Bau des Zwischenbaues und des Pfarrhauses wird begonnen und 1929 vollendet. Der aufkommende Nationalsozialismus bringt Schwierigkeiten und Schikanen für praktizierende Christen; für die Bonifatiusgemeinde bringt er schon bald das Verbot der Fronleichnamsprozession „aus verkehrstechnischen Gründen". Der Weiterbau der Kirche wird trotzdem vorangetrieben und kann im Herbst des Jahres 1934 wieder aufgenommen werden.

 

1936

Am 27. Juni weiht Bischof Stohr das vollendete Gotteshaus und übergibt es der Gemeinde,

ihrem Pfarrer Johannes Bayer und dem Kaplan, Karl Josef Deuster, seit 1932 in St. Bonifatius.

 

1938

Am 8. Dezember stirbt 78jährig Pfarrer Johannes Bayer.

1939

Karl Josef Deuster tritt am 12. Februar die Nachfolge von Pfarrer Bayer an und führt die Gemeinde durch den Krieg. Die kirchlichen Vereinsaktivitäten werden verboten, Abendgottesdienste fallen Verdunkelungsvorschriften zum Opfer, die 1937 erworbenen Glocken werden als Rüstungsmaterial konfisziert ... lm Bombenhagel des 6. Dezember 1944 wird die Kirche schwer getroffen.

 

1945 - 1955

Durch den Zustrom von Flüchtlingen nach dem Krieg wird der Anteil der Katholiken an der Gießener Bevölkerung fast verdoppelt (vor dem Krieg: ca. 10%; 1946: ca. 16%; 1955: ca. 19%). Mit fast 12.000 Katholiken wird St. Bonifatius Gießen nun die größte Pfarrei der Diözese Mainz. Pfarrer Deuster bleibt in St. Bonifatius; er leitet den Wiederaufbau der Kirche und das Zusammenwachsen seiner alteingesessenen mit den neuhinzugekommenen Gemeindemitgliedern.

1956

Seit dem Krieg, in dem die alte Orgel den Bomben zum Opfer fiel, besaß die Bonifatiuskirche nur ein zweimanualiges Harmonium. Nun beginnt der Einbau einer neuen Orgel; er wird in Etappen vorgenommen und ist 1965 vollendet.

 

1957

entsteht die zweite katholische Gemeinde in Gießen im Nordviertel: St. Albertus. Der moderne Kirchen-Neubau entsteht in der Nordanlage und wird im November 1958 geweiht.

 

1963

wird eine dritte katholische Pfarrei, St. Thomas Morus, gegründet. lm fahr 1967 zieht die Gemeinde aus der behelfsmäßigen St. Georgs-Kapelle in die neu erbaute St. Thomas-Morus-Kirche in der Grünberger Straße um.

 

Quelle: Kirchenführer, Die Pfarrkirche der St. Bonifatiusgemeinde in Gießen, 1996