Das Jahr steht auf der Höhe, die große Waage ruht.
Nun schenk uns deine Nähe und mach die Mitte gut.
Herr, zwischen Blühn und Reifen und Ende und Beginn.
Lass uns dein Wort ergreifen und wachsen auf dich hin.
Kaum ist der Tag am längsten, wächst wiederum die Nacht.
Begegne unsren Ängsten mit deiner Liebe Macht.
Das Dunkle und das Helle, der Schmerz, das Glücklichsein nimmt alles seine Stelle in deiner Führung ein.
Das Jahr lehrt Abschied nehmen schon jetzt zur halben Zeit.
Wir sollen uns nicht grämen, nur wach sein und bereit,
die Tage loszulassen und was vergänglich ist,
das Ziel ins Auge fassen, das du, Herr, selber bist.
Du wächst und bleibst für immer, doch unsre Zeit nimmt ab.
Dein Tun hat Morgenschimmer, das unsere sinkt ins Grab.
Gib, eh die Sonne schwindet, der äußre Mensch vergeht,
dass jeder zu dir findet und durch dich aufersteht.
(Gotteslob Nr. 465
Liebe Leserinnen und Leser!
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
Das aktuelle Gesangbuch „Gotteslob“ kennt ein Lied zur Jahresmitte, genauer gesagt zur „Sommersonnenwende“. Klingt das nicht zunächst irgendwie „heidnisch“?
Aber genau dieses Lied stellt den Zyklus der Jahreszeiten in einen Bezug zum Leben an sich und dem christlichen Glauben. Leben und Glauben können sich im Rhythmus der Jahreszeiten spiegeln, der ja, im Glauben betrachtet, ein Teil der Schöpfungsordnung ist.
Werden, Aufblühen und Vergehen werden als Analogie zwischen dem Jahreslauf und dem Verlauf des Lebens thematisiert. Eine fast tänzerisch anmutende Melodie aus dem 16. Jahrhundert verhilft dem Lied zu einer beschwingten Grundstimmung, auch wenn der Text viel Nachdenkliches hat. Ich freue mich immer, wenn wir es zur Jahresmitte singen.
Die Sommerferien, auch wenn sie viele Menschen gar nicht direkt betreffen, sind ein stark rhythmisierender Einschnitt im Laufe des Jahres. Aus Gießener Perspektive fallen sie immerhin zumeist ungefähr mit dem Ende der Vorlesungszeit des Sommersemesters zusammen, mit den „Semesterferien“.
Zuvor sind Studierende oft mit Prüfungen beschäftigt, während die Schüler/innen ihren Zeugnissen entgegenfiebern. So oder so sind die Sommerferien dann oft willkommen.
Für alle ist der Hochsommer ein deutlich spürbarer Teil der Jahreszeiten, umso mehr, falls er mit einer Ferien- oder Urlaubszeit zu- sammenfällt.
Vielleicht greifen wir den Ansatz des Liedes auf, diese Jahreszeit als Teil der Schöpfungsordnung zu verstehen und es mit „dem Leben an sich“ in Verbindung zu bringen, als Zeiten die Gott uns schenkt, um unser Leben zu entfalten.
Wenn Sie in den Sommerwochen Ferien oder Urlaub haben, wünschen wir dabei gute Erholung und aufbauende Erfahrungen, auf jeden Fall aber gesegnete Sommerwochen, die Chancen bieten, sich an der Schöpfung zu erfreuen und neu und mit dankbarer Perspektive auf den Schöpfer aufmerksam zu werden, auf Gott, der es gut mit uns meint.
So darf ich Ihnen im Namen des ganzen Pastoralteams schöne und erfüllte Sommerwochen wünschen!
Ihr Pfarrer Erik Wehner
Leiter des Pastoralraums Gießen-Stadt