Vorstellung
Mein Name ist Phillip, und ich verbringe ein Jahr in Ecuador. Ich bin mit der deutschen Organisation Experiment e.V. hier, und die Partnerorganisation in Ecuador heißt EiL Ecuador. Während meines Aufenthalts werde ich im Botanischen Garten in Quito arbeiten.
Anreise
Mitte August begann meine Reise nach Ecuador. Der Flug dauerte insgesamt 19 Stunden, mit einem dreistündigen Zwischenstopp in Madrid. Dort traf ich die anderen Freiwilligen, die ebenfalls ein Jahr in Ecuador verbringen werden. Gemeinsam suchten wir etwas zu essen – was sich als schwieriger herausstellte, da um 22 Uhr vieles bereits geschlossen war. Wir sind nämlich erst um kurz vor 22 Uhr in Madrid gelandet. Nachdem wir etwas gefunden hatten, verbrachten wir die Wartezeit mit Gesprächen, Zähneputzen und Kartenspielen, bis unser Weiterflug nach Quito startete.
Die Flüge verliefen ohne größere Probleme. Etwas störend war lediglich, dass es um 3 Uhr nachts Abendessen gab und wir dafür geweckt wurden. Um 5 Uhr morgens landeten wir schließlich in Quito. Am Flughafen wurden wir von Carola, der Leiterin der Partnerorganisation, empfangen. Gemeinsam fuhren wir eine Stunde zu unserem Hostel, das für die ersten drei Tage unser Zuhause sein sollte.
Nach einem Frühstück begann unser dreitägiges Einführungsseminar. In dieser Zeit erhielten wir viele Informationen, unter anderem darüber, wie wir uns in Ecuador am besten verhalten sollten, was erlaubt ist und was nicht, sowie allgemeine Fakten über das Land. Wusstet ihr, dass Ecuador zu den Ländern mit der größten Artenvielfalt weltweit gehört?
Die ersten Tage
Nach drei erlebnisreichen Tagen und viel Spaß im Hostel zog ich schließlich zu meiner Gastfamilie, mit der ich das ganze Jahr verbringen werde. Meine Gastmutter empfing mich sehr herzlich, und ich fühlte mich direkt willkommen. Zum Mittagessen gab es an diesem Tag Reis mit Hühnchen und Pilzen. Das sorgte allerdings für einen etwas unangenehmen Moment, denn ich mag überhaupt keine Pilze. Es war mir unangenehm, das beim ersten gemeinsamen Essen zu sagen – besonders, da wir kurz zuvor gelernt hatten, wie wichtig es ist, den Teller leer zu essen, um nicht unhöflich zu wirken.
Am Abend kam dann die Tochter meiner Gastmutter zu Besuch. Gemeinsam spielten wir „Phase 10“, eines meiner Gastgeschenke. Glücklicherweise sprach sie etwas Englisch, sodass ich die Regeln erklären konnte, denn mein Spanisch war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gut genug.
In den darauffolgenden Tagen hatte ich vormittags immer Seminare. Zum Beispiel lernten wir, wie man unterrichtet, da viele Freiwillige aus meiner Organisation an Schulen arbeiten werden. Nachmittags besuchte ich einen Spanischkurs. Es gab drei verschiedene Leistungsniveaus, und ich wurde in die höchste Gruppe eingestuft, da ich bereits Spanisch in der Schule gelernt hatte. Im Kurs wiederholten wir viel Grammatik, aber es wurde auch praktisch: Wir machten Obstsalat oder lernten ein ecuadorianisches Kartenspiel namens „Cuarenta“.
Nachmittags kamen oft andere Familienmitglieder zu Besuch, und so lernte ich nach und nach alle kennen. Besonders in Erinnerung blieb mir die vierjährige Enkelin meiner Gastmutter. Beim ersten Treffen hatte sie ein wenig Angst vor mir, weil ich so groß bin. Beim nächsten Besuch war diese Scheu zum Glück verflogen und sie fing an auf mir herum zu klettern.
Am Wochenende stand dann ein besonderes Abenteuer an: Gemeinsam mit fast allen Freiwilligen aus der Organisation haben wir den Pichincha bestiegen.
Quito ist die höchstgelegene Hauptstadt der Welt, und allein hier eine längere Strecke zu laufen, ist aufgrund der dünnen Luft schon anstrengend. Dazu kommt die intensive Sonneneinstrahlung durch die Nähe zum Äquator – ich hatte nach nur 15 Minuten ohne Schutz bereits einen Sonnenbrand.
Wir starteten zu dreizehnt am Fuß des Pichincha, doch bis zum Gipfel schafften es nur sechs von uns, mich eingeschlossen. Einige mussten leider umkehren, weil ihnen übel wurde oder sie starke Kopfschmerzen bekamen – typische Symptome der Höhenkrankheit. Die Strecke, die wir zurücklegten, war beeindruckend: 17,65 Kilometer mit 2.000 Höhenmetern in etwa acht Stunden – und das alles an meinem sechsten Tag in Ecuador!
Die darauffolgende Woche hatten wir bis Mittwoch wieder Spanischkurs. Allerdings wurde der Dienstag durch ein unschönes Erlebnis überschattet: Mir wurde auf dem Heimweg im Bus mein Handy gestohlen. Die Busse hier sind oft überfüllt, und beim Aussteigen muss man sich durch die Menge drängen. Während ich mich auf die neue Route konzentrierte, griff jemand blitzschnell in meine Hosentasche. Innerhalb weniger Sekunden war das Handy weg. Solche Dinge gehören leider auch zu den Erfahrungen, die man macht, wenn man hier lebt.
Am Donnerstag besuchten wir als Gruppe den Botanischen Garten in Quito – meine zukünftige Arbeitsstelle. Der Garten war viel schöner und größer, als ich erwartet hatte. Der Eintritt kostet etwa drei Dollar, und ein Besuch lohnt sich definitiv. An diesem Tag lernte ich auch meine Chefin und einige der Mitarbeiter kennen. Am Freitag hatten wir dann ein Treffen mit allen Local Coordinators und Chefs im Büro der Organisation, bei dem wir uns besser kennenlernen konnten. Ich hatte die Gelegenheit, Fragen zu stellen und mehr über meine Arbeit zu erfahren.
Den Abend verbrachten wir Freiwilligen in einer Disco, da die meisten am Samstag zu ihren Gastfamilien in andere Städte zurückkehrten. Mein Samstag stand dagegen im Zeichen eines „kleinen“ Familientreffens mit rund 20 Verwandten meiner Gastfamilie. Alle waren sehr freundlich, und unter den Gästen waren auch vier Kinder, die nur wenig jünger sind als ich.
Arbeit, Otavalo und Einleben
Am Montag begann dann mein erster Arbeitstag im Botanischen Garten. Mir wurde alles ausführlich gezeigt, und ich lernte alle Mitarbeiter kennen. Meine ersten Aufgaben waren: Pflanzen gießen, Wege säubern und Samen in die Erde setzen. Der Tagesablauf sieht so aus: Um 6:15 Uhr aufstehen, um halb 7 mit meiner Gastmutter frühstücken, nach 7 Uhr den Bus nehmen, ab 8 Uhr arbeiten und gegen 13 Uhr Feierabend haben.
In meiner Freizeit unternahm ich viel mit den anderen Freiwilligen. Wir besuchten zum Beispiel das Centro Histórico und die Virgen del Panecillo, eine große Statue auf einem Hügel in der Mitte von Quito. Allerdings machten wir einen Fehler: Wir liefen zu Fuß zur Statue hoch. Das war nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Meine Gastmutter schaute mich am Abend erschrocken an, als ich ihr davon erzählte. Sie erklärte mir, dass man diesen Weg nur mit dem Taxi fahren sollte, da er durch ein Gebiet führt, das für Gangkriminalität bekannt ist.
Am Samstag ging es in einer Kleingruppe nach Otavalo, wo ein Tanzfest stattfinden sollte. Anfangs hatten wir Mühe, die Veranstaltung zu finden, kamen aber doch noch rechtzeitig an. Dort traten zwei bekannte Personen aus Argentinien auf, und offenbar hielten die Veranstalter uns aufgrund unserer Hautfarbe für Mitglieder ihrer Familie. So bekamen wir Plätze in der ersten Reihe, gratis Wasser und leckeres Eis. Außerdem sollten wir auf fast jedes Foto mit den Tänzern – was wir freundlich ablehnten und erklärten, dass wir nicht zur Familie gehören. Das schien den Organisatoren jedoch nicht besonders wichtig zu sein.
Nach den Tänzen erkundeten wir den Markt in Otavalo, der mich sehr beeindruckt hat. Es war der schönste Markt, den ich je gesehen habe: Die gesamte Stadt schien nur aus Marktständen zu bestehen, und es gab unzählige Dinge zu entdecken.
In der darauffolgenden Woche kamen zwei weitere Freiwillige zu meiner Arbeitsstelle im Botanischen Garten, die mich während des Jahres unterstützen werden. Leider ging es mir ab Mittwoch gesundheitlich nicht gut, sodass ich bis Samstag ausruhen musste. Zum Glück fühlte ich mich am Wochenende wieder besser und konnte an einer Familienfeier teilnehmen.
Bei diesen Feiern lerne ich immer neue Verwandte kennen, da die Familie meiner Gastmutter wirklich riesig ist. Am Mittwoch unternahm ich dann mit meiner Organisation EiL Ecuador und zwei weiteren Freiwilligen eine Reise nach Riobamba, etwa drei Stunden von Quito entfernt. Unser Auftrag war es, an einem Stand über unser Projekt zu informieren. Anfangs war das ziemlich herausfordernd, da wir alles auf Spanisch erklären sollten. Glücklicherweise durften wir uns zwischendurch Pausen nehmen, um die Stadt zu erkunden und die anderen Stände anzusehen.
Das Highlight des Tages war eine Einladung zum Pizzaessen – die Pizza war unglaublich lecker und riesig! Bevor wir abends zurück nach Quito fuhren, bekamen wir noch eine kleine Stadtführung.
Mindo
Am darauffolgenden Wochenende (12. bis 15. September) besuchte ich erstmals andere Freiwillige in Los Bancos, einer kleinen Stadt im Nebelwald Ecuadors. Am Freitagabend schauten wir uns die Stadt an, und am Samstag machten wir einen Ausflug zu den sieben Wasserfällen im benachbarten Ort Mindo. Beim ersten Wasserfall wagten wir uns ins Wasser – eine echte Überwindung, da es eiskalt war. Nach dieser erfrischenden Abkühlung wanderten wir weiter, um die anderen Wasserfälle zu sehen.
Unterwegs trafen wir einen Guide, der uns informierte, dass die Seilbahn, die zu den Wasserfällen führt, bald schließen würde. Er begleitete uns zurück und erzählte viel über die umliegende Natur, während er uns seine Lieblingswasserfälle zeigte. Mein persönliches Highlight war der Moment, als wir einen Kristallfrosch sahen und eine Schlange, die der Guide für uns einfing, damit wir sie berühren konnten.
Am Abend kochten wir zusammen Nudeln und gingen früh schlafen. Am Sonntag bereiteten wir uns Pancakes zum Frühstück zu – eine echte Besonderheit, da hier meist Reis mit Beilagen wie Bananen oder Kartoffeln gegessen wird. Nach einem entspannten Spaziergang durch die Natur fuhren wir schließlich zurück nach Quito.
Begegnungen
In der nächsten Woche verlief mein Alltag wie gewohnt: morgens Arbeit im Botanischen Garten und nachmittags Freizeit. Doch diese Woche war besonders, da ich meinen ersten ecuadorianischen Freund außerhalb der Familie gefunden habe. Der Botanische Garten liegt im Parque La Carolina, und ich setze mich nach der Arbeit gerne ans Wasser, um zu essen. Eines Tages saß ein Junge auf meinem Lieblingsplatz und nach kurzem Überlegen fragte ich ihn, ob er Lust hätte, mit mir Uno zu spielen. Er stimmte zu, doch zu meiner Überraschung kannte er die Regeln nicht. Aufgrund der Sprachbarriere verstand ich das zunächst nicht, bis er mir ein YouTube-Video zeigte, um zu erklären, dass er noch nie Uno gespielt hatte.
Am nächsten Tag verabredeten wir uns erneut und gingen gemeinsam in einen Park, den ich zuvor noch nicht kannte. Dieser lag etwas außerhalb der Stadt, war viel größer und wirkte natürlicher als der Parque La Carolina.
In der darauffolgenden Woche schauten regelmäßig Familienmitglieder bei uns vorbei. Glücklicherweise ist meine Gastfamilie genauso begeistert von Kartenspielen wie ich. Mein Gastgeschenk, das Spiel „Phase 10“, hat sich mittlerweile zum Dauerbrenner entwickelt, und wir spielen es fast jedes Mal, wenn wir zusammenkommen.
Diese Woche stand auch der Geburtstag einer Gastmutter einer Freundin an. Gemeinsam entschieden wir uns einen Kuchen für sie zu backen. Anfangs waren wir irritiert, warum der Kuchen so trocken war – bis wir bemerkten, dass wir versehentlich Proteinpulver anstelle von Mehl verwendet hatten. Zum Glück nahm ihre Gastmutter das Missgeschick mit Humor und der Kuchen war überraschend lecker. Eigentlich sollte es ein Apfelkuchen werden, doch durch das Vanille-Proteinpulver schmeckte er eher nach Vanille.
Auch fanden eine Freundin und ich endlich Zeit, uns eine gemeinsame Beschäftigung zu suchen. Wir entschieden uns fürs Fitnessstudio und machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Gym. Allerdings erlebten wir dabei einige Rückschläge: Probetage gibt es hier meist nicht und stattdessen sollte man für einen einzelnen Besuch etwa 6 Dollar zahlen – was uns zu teuer war. Nach mehreren Besuchen in verschiedenen Studios fanden wir endlich eines, das einen Probetag anbot. Es gefiel uns gut, bis wir die monatlichen Kosten erfuhren: etwa 100 Dollar. Selbst günstigere Studios lagen bei 30 bis 40 Dollar, was für uns immer noch recht teuer war. Diese Preise waren ziemlich demotivierend, und wir entschieden uns erst einmal, die Suche aufzugeben.
Mama Negra
Am Wochenende stand dann ein besonderes Ereignis an: Gemeinsam mit drei anderen Freiwilligen reiste ich nach Latacunga, um das traditionelle Fest „Mama Negra“ zu erleben. Dieses Fest findet zweimal jährlich statt und hat eine besondere Bedeutung. Es wird zu Ehren der Virgen de la Merced veranstaltet, die im Jahr 1742 angeblich einen Ausbruch des Vulkans Cotopaxi verhindert haben soll. Gleichzeitig feiert es den Jahrestag der Unabhängigkeit der Stadt.
Das Fest war faszinierend, wenn auch ein wenig laut. Die Teilnehmer bemalten eine Gesichtshälfte schwarz, und während der Parade tanzten sie durch die Straßen. Ein besonderer Anblick war ein Mann, der als schwarze Frau verkleidet auf einem Pferd saß. Andere Männer trugen sogar tote Schweine auf ihren Schultern, was für mich schwer zu verstehen war. Besonders die Tiere, wie Pferde, die geritten wurde oder die Straßenhunde, taten mir leid, da die laute Musik und die vielen Menschen sie offensichtlich stressten.
Wir übernachteten in einem Hostel, das pro Nacht nur 5 Dollar kostete. Für diesen Preis war es wirklich in Ordnung, da es sauber und recht komfortabel war. Insgesamt war das Wochenende eine beeindruckende Erfahrung voller neuer Eindrücke und kultureller Einblicke.
Regenzeit, Stromausfälle und Pifo
In der folgenden Woche habe ich mit einer Freundin ein weiteres Fitnessstudio ausprobiert, während zeitgleich die Regenzeit in Ecuador begann. Das Wetter hat hier einen starken Einfluss auf den Alltag. Während der Trockenzeit, in der ich bislang größtenteils gelebt habe, regnet es viel zu wenig, was zu Wassermangel führt. Dieser Wassermangel wiederum beeinflusst die Stromversorgung, da in Ecuador ein Großteil des Stroms durch Wasserkraftwerke erzeugt wird. Wenn die Flüsse weniger Wasser führen, kommt es daher vermehrt zu Stromausfällen.
Glücklicherweise bin ich in meiner Wohngegend kaum betroffen, da ich in der Nähe eines Krankenhauses wohne und diese Orte priorisiert mit Strom versorgt werden. Andere Freiwillige haben allerdings nicht dieses Glück: Sie berichten von Stromausfällen, die bis zu 14 Stunden dauern und oft nur nachts Strom erlauben. Als in dieser Woche endlich der Regen kam, war es einerseits eine willkommene Abwechslung, andererseits auch herausfordernd, da die Regenfälle meist am Nachmittag beginnen und so heftig sind, dass man kaum etwas unternehmen kann.
Am Wochenende bin ich mit einer Freundin nach Pifo gefahren, um eine andere Freiwillige zu besuchen. Pifo gehört zwar noch zu Quito, liegt aber etwa eine Stunde außerhalb. Dort haben wir ein sehr entspanntes Wochenende verbracht: wir haben gekocht, viel geredet und Spiele gespielt. Am Samstag sind wir gemeinsam wandern gegangen, was wirklich schön war. Dabei sind uns viele Straßenhunde begegnet. Die meisten Hunde bellen einen zwar an, halten aber Abstand und laufen einem nicht hinterher. Besonders erfreut hat uns, dass wir unterwegs zwei sehr freundliche Hunde getroffen haben, mit denen wir fast eine halbe Stunde lang gespielt und gekuschelt haben. Auf dem Rückweg folgten uns die beiden eine Weile, drehten aber glücklicherweise irgendwann um.
Aufgaben und Projekte im botanischen Garten
Auf der Arbeit habe ich in dieser Woche mit den anderen beiden Freiwilligen unser erstes eigenes Projekt begonnen. Unsere Organisation erwartet von uns, dass wir eigenständig Projekte entwickeln, die einen Mehrwert für unsere Community bieten. Unsere Idee ist eine Insektenfarm, in der wir vor allem Kellerasseln züchten. Diese werden wir später als Nahrung für die fleischfressenden Pflanzen im botanischen Garten verwenden. Je nachdem, wie das Projekt voranschreitet, bekommen wir im Januar einen freien Tag, an dem wir uns auf andere Projekte konzentrieren können, bei denen es um die Vögel im Garten geht. Wir planen, für sie Nistkästen zu bauen und einen Guide für die Besucher zu erstellen.
Neben unserem eigenen Projekt gibt uns unsere Chefin jeden Morgen eine Übersicht der Aufgaben für den Tag. Oft geht es darum, neue Etiketten für die Pflanzen zu basteln, damit sie besser gekennzeichnet sind. Das ist besonders wichtig, um einen Überblick über die Pflanzenbestände zu behalten, schnell auf Schädlinge reagieren zu können und immer zu wissen, wo welche Pflanze zu finden ist. An anderen Tagen reinigen wir die Wege im Garten oder stellen sicher, dass alle Pflanzen ausreichend Wasser bekommen. Es gibt auch Tage, an denen wir Pflanzen umtopfen oder den Garten allgemein in Schuss halten. Das Projekt bereitet uns allen viel Freude, da wir sowohl kreativ arbeiten als auch immer neue Aufgaben übernehmen können.
Am 9. Oktober haben wir Freiwilligen aus Quito ein Treffen organisiert, bei dem wir uns mit anderen deutschen Freiwilligen aus der Region vernetzen konnten. Es war eine tolle Gelegenheit, neue Menschen kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Mein erster Eindruck von denjenigen, die ich noch nicht kannte, war sehr positiv.
Ecuadorianische Hochzeit
Am nächsten Tag, dem 10. Oktober 2024, musste ich früher von der Arbeit gehen, da es für mich auf eine ecuadorianische Hochzeit ging. Ich war gegen 12 Uhr zu Hause, und nach und nach kamen immer mehr Familienmitglieder vorbei, um sich für die Feier fertig zu machen. Zu meiner Überraschung war auch der Bräutigam unter ihnen, was ich allerdings erst später herausfand. Alle hatten sich sehr schick gemacht, und die Kleidung war vergleichbar mit der auf einer deutschen Hochzeit.
Um 14 Uhr brachen wir zur Kirche auf. Insgesamt waren etwa 30 Gäste auf der Hochzeit, was mich überraschte, da die Familie normalerweise sehr groß ist – bei Familientreffen sind wir durchschnittlich mindestens 20 Personen. Die Zeremonie selbst unterschied sich kaum von einer katholischen deutschen Hochzeit, was Sinn ergibt, da sie hier ebenfalls katholisch war. Das heißt, es kam zum Austausch der Trauringe, das Eheversprechen sowie die Segnung des Paares durch den Priester. Außerdem wurden mehrere Bibelstellen vorgelesen und es gab musikalische Begleitung. Was mich jedoch erstaunte, war, dass während der Zeremonie insgesamt drei Handys klingelten und mehrere Leute hinausgingen.
Nach der Zeremonie wurden Fotos mit dem Brautpaar gemacht und es ging in ein Gebäude nebenan, wo es Kuchen und verschiedene Köstlichkeiten gab, wie kleine Törtchen und Hähnchenstücke. Nach einer Rede durften wir uns schließlich bedienen, und die Kinder gingen auf den Spielplatz. Gegen 18 Uhr fuhren wir nach Hause, und ich dachte, der Abend sei zu Ende – allerdings kamen immer mehr Leute bei uns zu Hause an, bis fast alle wieder versammelt waren, nur das Brautpaar fehlte. Zu Hause wurde dann nur noch gegessen und geredet. Nach diesem langen Tag war ich ziemlich erschöpft.
Baños
Am nächsten Morgen ging es für mich nach Baños, eine Stadt in der Nähe des Amazonas. Da wir freitags frei hatten, kamen wir trotz der fünfstündigen Fahrt relativ früh an. Wir waren insgesamt sechs Freiwillige, von denen ich nur zwei flüchtig kannte. Am Freitag haben wir die Stadt erkundet, waren einkaufen und abends etwas essen. Leider war das Essen nicht besonders hygienisch, weshalb eine Mitfreiwillige die nächsten Tage mit Magenproblemen zu kämpfen hatte. Glücklicherweise habe ich es gut vertragen und mich an dem Abend noch mit zwei weiteren Freiwilligen aus meiner Organisation getroffen, die in Baños wohnen. Gemeinsam haben wir eine Bar gefunden, uns ausgetauscht und einen sehr schönen Abend verbracht.
Am nächsten Tag wollten wir eine Fahrradtour machen – allerdings stellte sich das als komplizierter heraus als gedacht. Zwar bekamen wir relativ schnell Fahrräder, doch bei einem war die Pedale beschädigt, was anfangs nicht so schlimm war. Im Laufe der Fahrt fiel sie jedoch immer wieder ab, was die Tour erschwerte. Zudem fuhren wir größtenteils auf der Straße und in der prallen Sonne. Dennoch war die Aussicht spektakulär, und ich habe die Tour trotz der Umstände genossen.
Nach etwa vier Stunden erreichten wir unser Ziel: den beeindruckenden Wasserfall El Pailón del Diablo – absolut empfehlenswert! Dort machten wir eine ausgiebige Pause, bis es schließlich anfing zu regnen. Leider hatte ein Freiwilliger den Schlüssel für sein Fahrradschloss verloren, und wir mussten es mit einer Axt aufbrechen – dank der hilfsbereiten Einheimischen ging das glücklicherweise recht schnell. Danach warteten wir etwa eine Stunde auf einen Pick-up, das uns und die Fahrräder zurück nach Baños brachte.
Abends kochten wir gemeinsam, spielten noch ein paar Spiele und gingen dann schlafen. Am Sonntag schauten wir uns noch ein bisschen in Baños um, bevor es wieder zurück nach Quito ging.
Familie und kleine Abenteuer
In der darauffolgenden Woche ist relativ wenig passiert. Ich habe mich mit Freunden getroffen, wir haben zusammen gekocht und uns über unsere Erlebnisse ausgetauscht. Am Wochenende blieb ich in Quito, da zwei große Familienfeiern anstanden. Der Anlass war, dass immer mehr Mitglieder der Familie nach Spanien ziehen. Am Samstag und Sonntag fanden deshalb Abschiedsfeiern statt. Der Grund für das Auswandern liegt vor allem darin, dass es hier in Ecuador anscheinend nur sehr wenige Jobangebote gibt. Einige Familienmitglieder waren schon fast ein Jahr arbeitslos und hoffen nun in Spanien auf bessere Lebensbedingungen. Diese Situation hat meine Gastmutter sehr mitgenommen, und es flossen an diesem Wochenende viele Tränen. Auch wenn die Stimmung eher bedrückt war, war ich froh, Teil der Feiern gewesen zu sein.
Auf der Arbeit gab es ebenfalls eine Veränderung. In der letzten Woche haben wir rund 2000 neue Pflanzen erhalten, die sortiert, auf ihre Gesundheit überprüft und neu eingepflanzt werden mussten. Dadurch war die Atmosphäre recht stressig, und es lag eine gewisse Anspannung in der Luft. Als kleine Aufmunterung haben wir Freiwilligen beschlossen, für das Team Brownies zu backen. Auch wenn sie etwas angebrannt waren, kamen sie gut an und hat unser Team sichtlich gefreut.
Am Freitag wurde ich dann eingeladen, Colada Morada mit Guagua de Pan, eine Art Brot/Brötchen hier, zu probieren. Colada Morada ist eine dickflüssige violette Flüssigkeit, die Früchte wie Erdbeeren enthält und traditionell Ende Oktober in Ecuador getrunken wird – wirklich köstlich! Am Samstag ging es mit Freunden auf einen kleinen Flohmarkt, wo viele Leute verkleidet waren und sich dabei richtig Mühe gegeben haben. Obwohl der Flohmarkt recht überschaubar war, gab es eine Live-Band und sogar einen Wettbewerb für das beste Kostüm. Abends haben wir noch Burger gegessen und anschließend einen Spieleabend veranstaltet.
In der folgenden Woche war ich leider zwei Tage lang ans Bett gefesselt. Im Vergleich zu Deutschland bin ich hier leider häufiger krank – das war innerhalb von fast drei Monaten bereits das dritte Mal. Zum Glück ging es mir schnell wieder besser, sodass ich zum Geburtstag einer sehr guten Freundin gehen konnte. Es gab leckeren Kuchen, und wir haben einen kleinen Filmeabend gemacht.
Cuenca
Das erste Wochenende im November war ein verlängertes Wochenende, an dem ich mit meinen Freunden nach Cuenca gefahren bin. Cuenca ist eine größere Stadt im Süden Ecuadors, die ungefähr die Größe von Dresden hat. An diesem Wochenende wurden die "Días de Cuenca" gefeiert, sodass es viele Stände und Veranstaltungen gab. Im Vergleich zu anderen ecuadorianischen Städten, die ich bisher kenne, hat Cuenca einen leichten westlichen Touch. Die Stadt hat auf mich eine sehr angenehme und ruhige Atmosphäre gemacht. Besonders beeindruckt hat mich, dass man dort sowohl tagsüber als auch nachts viel unternehmen kann. Das Nachtleben in Cuenca ist wirklich toll.
Während unseres Aufenthalts haben wir auch einen Ausflug zu den Ingapirca-Ruinen gemacht, die etwa drei Stunden mit dem Bus von Cuenca entfernt liegen. Diese Ruinen gelten als die am besten erhaltenen in ganz Ecuador. Um sie zu besichtigen, mussten wir eine Tour buchen. Diese war teilweise ziemlich amüsant, da wir aufgrund der Sprachbarriere nicht alles verstanden haben – und das, was wir verstanden, machte manchmal wenig Sinn.
Geburtstage
Nach dem verlängerten Wochenende habe ich die nächsten Wochen entspannt angehen lassen. Unter der Woche war ich hauptsächlich arbeiten, und am Wochenende stand der Geburtstag einer guten Freundin an. Am Freitagabend waren wir in einem Restaurant, in dem man ein Bändchen bekam, auf das alle Bestellungen gebucht wurden. Das war superpraktisch, weil es das Bezahlen viel einfacher und schneller gemacht hat. Wir waren zu viert und hatten einen sehr schönen Abend. Am Samstag haben wir uns dann ebenfalls einen schönen Tag gemacht und sind abends in eine Rooftop-Bar gegangen, um die Aussicht zu genießen. Am Sonntag hat sie ihre Familie zu einem Kaffeekränzchen eingeladen. Wie erwartet, kam die Familie fast zwei Stunden später als geplant, aber das ist hier recht normal. Es war trotzdem ein sehr nettes Zusammenkommen.
Das darauffolgende Wochenende stand erneut ein Geburtstag an, dieses Mal einer anderen Freundin. Die Feier fand in San José de Minas statt, einer kleinen Stadt etwa zwei bis drei Stunden nördlich von Quito. San José de Minas liegt ebenfalls in den Anden, ist jedoch noch bergiger als Quito, und man hat einen großartigen Blick auf die umliegenden Berge. An diesem Wochenende sind wir wieder zu Wasserfällen gewandert und haben in einer Therme mitten im Wald gebadet. Zum Abschluss haben wir versucht, einen Schokoladenkuchen zu backen, was jedoch nicht ganz so gelungen ist. Außerdem hat uns die Freundin ihre Arbeit gezeigt, da sie auch in einem ökologischen Projekt tätig ist. Im Vergleich zum Botanischen Garten kümmert sie sich mehr um Gewächshäuser und Gemüse wie Tomaten, während ich mich mehr mit Orchideen und Kakteen beschäftige.
Kultur in Quito
An dem darauffolgenden Wochenende bin ich in Quito geblieben. Freitags war auch hier Black Friday. Nach der Arbeit habe ich mich zuerst mit Freunden im Carolina-Park getroffen. Dort haben einige von uns ecuadorianischen Volleyball gespielt, eine sehr interessante Abwandlung des klassischen Volleyballs. Später bin ich mit zwei Freunden noch einkaufen gegangen und habe mir Wolle gekauft, da ich hier mit dem Häkeln angefangen habe. Am Abend hat uns die Gastmutter einer Freundin Pizza bestellt, und wir hatten einen gemütlichen Abschluss, bevor ich nach Hause ging.
Am Samstag ging es wieder auf einen Flohmarkt. Mein persönliches Highlight war, dass man sich dort so viel gratis Eis nehmen konnte, wie man wollte. Als wir uns gerade auf den Weg machen wollten, weil der Flohmarkt bald schloss, wurde mir beim letzten Mal ganze vier Eistüten in die Hand gedrückt. Abends haben wir dann eine Freundin bei ihrer Arbeit im Museum besucht, da sie an diesem Abend ein Event organisierte und uns gebeten hatte, vorbeizukommen. Es gab gratis Essen, eine kleine Führung durch das Museum und eine Violinen Spielerin trat auf. Außerdem konnten wir uns eine kleine Kunstausstellung anschauen. Nach diesem kulturellen Abend bin ich mit drei anderen Freunden noch ins Kino gegangen, um Vaiana auf Spanisch zu sehen. Zu meiner Überraschung habe ich fast den gesamten Film verstanden, was mich sehr gefreut hat.
Am nächsten Tag habe ich mich erneut mit zwei Freunden getroffen. Zuerst haben wir uns Paraden angeschaut, die im Rahmen der Fiestas de Quito stattfanden. Diese Feierlichkeiten, die letzte Woche begonnen haben, dauern etwa zwei Wochen und haben ihren Höhepunkt am 6. Dezember, dem Tag, an dem Quito gegründet wurde, was 1534 war. Die Parade war bunt und lebhaft, mit viel Musik, Tänzen und geschmückten Wagen. Anschließend sind wir zu mir nach Hause gegangen, wo wir den Tag gemütlich mit Kartenspielen ausklingen ließen.
Meine Gastmutter hatte bereits Anfang November begonnen, einen Weihnachtsbaum aufzustellen und zu schmücken. Das Haus wurde sehr weihnachtlich eingerichtet, mit einer Uhr, die jede volle Stunde Weihnachtsmusik spielte, weihnachtlichem Besteck und vielem mehr.
Neun Tage vor Weihnachten begann die Familie, sich täglich zu treffen, da hier in Ecuador oft „Weihnachten vor Weihnachten“ mit Freunden und Verwandten gefeiert wird. Auch auf der Arbeit wurde Weihnachten gefeiert. So sollten wir zwei Wochen vor Weihnachten Weihnachtsmützen tragen, und am 23. Dezember wurden wir zum Haus der Chefin des Botanischen Gartens eingeladen. Mit einem Bus fuhren wir eine Stunde dorthin. Vor Ort wurden viele Spiele gespielt, wie Reise nach Jerusalem oder Sackhüpfen. Bei einem Spiel habe ich sogar gewonnen und Brotdosen erhalten. Danach spielten mein Team und ich noch eine Runde Uno. Anschließend gab es ein gemeinsames Essen und Reden. Am Abend, gegen 17 Uhr, machten wir uns dann wieder auf den Weg nach Hause.
Am 24. Dezember musste ich leider morgens wie immer im botanischen Garten arbeiten. Als ich nach Hause kam, ruhten sich alle erst einmal aus, bis es um 20:30 Uhr losging. Es war nur der engste Familienkreis (ungefähr sieben Personen) anwesend, und es wurde viel geredet. Um 21:30 Uhr gab es dann das Abendessen. Wie immer wurde vor dem Essen gebetet, aber dieses Mal war das Gebet länger und es wurde viel über die schönen Momente des Jahres gesprochen. Nach dem Essen wurden die Geschenke ausgepackt. Ich bekam zwei Touristen-T-Shirts, teure Schokolade und ein Metallschild mit der Aufschrift „Ecuador“.
Das Besorgen der Geschenke fand ich persönlich sehr schwierig, da es viele meiner Geschenkideen in Ecuador nicht gab. Außerdem wollte ich nicht, dass der Versand teurer wird als das eigentliche Geschenk. Die Tage vor Weihnachten verbrachte ich daher hauptsächlich damit, Geschenke zu suchen und auch Notfall-Geschenke zu kaufen – falls meine ursprünglichen Ideen nicht verfügbar waren.
Nachdem wir am 24. Dezember bis 2 Uhr nachts geredet hatten, schlief ich am 25. Dezember bis 11 Uhr. Meine Gastmutter hatte mir gesagt, ich könne so lange schlafen, aber ich erfuhr dann, dass die Familie um 11 Uhr in die Kirche ging. Ich wäre gerne mitgegangen, aber es passte zeitlich leider nicht mehr. Gegen 12:30 Uhr kamen dann die Familienmitglieder aus Quito zu uns nach Hause.
Um 11:30 Uhr gab es ein großes Mittagessen, danach wurde wieder viel geredet. Ich spielte mit den jüngeren Familienmitgliedern Uno. Am Nachmittag spielten wir dann „Elephanto Blanco“, ein Spiel, bei dem alle ein kleines Geschenk mitbringen, das dann in einer Art Schrottwichteln verteilt wird – man darf dabei Geschenke tauschen und stehlen. Ich konnte mir Handtücher „erobern“. Danach wurden noch weitere Spiele gespielt, zum Beispiel eines, bei dem man mit Handschuhen versuchen musste, ein eingepacktes Geschenk auszupacken.
Während der Feier riefen immer wieder Familienmitglieder aus Argentinien, Spanien und anderen Ländern an. Insgesamt war es ein sehr schönes und herzliches Weihnachtsfest.
Fazit
Am Ende der letzten Monate in Ecuador kann ich sagen, dass ich viele neue Erfahrungen gesammelt habe. Ich habe sowohl beruflich als auch privat viel gelernt und interessante Einblicke in die ecuadorianische Kultur und Lebensweise erhalten. Die Arbeit im Botanischen Garten und die Zeit mit meiner Gastfamilie haben mir geholfen, mich besser in das Land einzufinden. Ich freue mich darauf, in den kommenden Monaten weiterhin neue Projekte zu starten und noch mehr von Ecuador zu entdecken.