NEUE STELLUNGSNAHME AUS DEM PASTORALTEAM:Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar
Liebe Gemeindemitglieder,
als Reaktion auf ein Treffen von deutschen Politikern mit rechtsextremen Vordenkern im vergangenen Jahr in Potsdam, das vom Recherchenetzwerk Correctiv in die Öffentlichkeit gebracht wurde, gab es eine Welle von Demonstrationen gegen Remigration und für Demokratie und Vielfalt in unserem Land und auch in Rheinhessen-Mitte (Saulheim, Armsheim und Wörrstadt), an denen sich auch die beiden Kirchen vor Ort beteiligten.An dieser Stelle herzlichen Dank allen, die Flagge gezeigt haben und weiter zeigen und für die Grundwerte unserer Demokratie auf die Straße gingen. Wir wollen von den Kirchen in Rheinhessen-Mitte weiter am Ball bleiben und planen zurzeit für Anfang Juli eine Podiumsdiskussion zum Thema in Wörrstadt – bitte beachten Sie Aushänge und Vermeldungen in den kommenden Wochen.
Eigentlich ist die Sachlage klar: für Christen dürfen Parteien die über Rücksiedlung von Menschen mit Migrationshintergrund und einem gestuften Bürgerrecht nachdenken oder zur Überwindung der bisherigen Parteiendemokratie aufrufen, nicht wählbar sein. Trotzdem sagen Umfragen, dass die AfD unter Christen ähnlich viele Sympathisant:innen und Wähler:innen hat wie im Durchschnitt der Bevölkerung. Da ist es m.E. sehr begrüßenswert, wenn die deutschen Bischöfe auf ihrer letzten Vollversammlung ein klares Statement verfassen und gut begründen, warum beides nicht zusammen geht. Sie schreiben: .....Die Kirche weist...alle Formen des Extremismus mit Nachdruck zurück. Sie sind unverantwortliche Gefährdungen des Gemeinwohls und der freiheitlichen Ordnung.
Gegenwärtig stellt der Rechtsextremismus die größte Bedrohung extremistischer Art für unser Land und für Europa dar. Der Rechtsextremismus behauptet die Existenz von Völkern, die angeblich in ihrem „Wesen“ und in den kulturellen Lebensgestalten scharf von den anderen Völkern abgegrenzt werden können. Man spricht von „natürlichen“ und „künstlichen“ Nationen. Das Volk ist für diese Ideologie eine Abstammungs-, letztlich eine Blutsgemeinschaft. Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit und kultureller Prägung wird von diesem Denken deshalb prinzipiell infrage gestellt, wenn nicht gar verworfen. Das Volk wird als „Ethnos“ gedacht, als Gemeinschaft der ethnisch und kulturell Gleichen oder Ähnlichen. Dies ist die Ideologie des völkischen Nationalismus. Nach den Gräueln des Nationalsozialismus versteht unser Grundgesetz das Volk hingegen aus gutem Grund als „Demos“, d. h. als Gemeinschaft der Gleichberechtigen, die auf der Grundlage der Menschen und Bürgerrechte unsere Gesellschaft gemeinsam aufbauen und gestalten.
Rechtsextremistische Gesinnungen und Konzepte zielen fundamental auf Ab- und Ausgrenzung. In diesem radikalisierten Denken wird die gleiche Würde aller Menschen entweder geleugnet oder relativiert...Für die Kirche aber ist klar: Jeder Mensch besitzt eine unantastbare und unverfügbare Würde. Sie gründet in der Gottebenbildlichkeit aller Menschen und ist die Basis der Menschenrechte. So ist die Menschenwürde der Ausgangs- und Zielpunkt des christlichen Menschenbildes.
Dieses Denken hat auch in unserer Verfassung seinen Niederschlag gefunden. In scharfer Abgrenzung zum Nationalsozialismus und zur Neuen Rechten bekennt sich das Grundgesetz ausdrücklich zur fundamentalen, die staatliche Ordnung und das gesamte gesellschaftliche Miteinander bestimmenden Bedeutung der Menschenwürde. Die Konzentration auf das kulturell homogen gedachte eigene Volk geht notwendig einher mit einer Verengung des Solidaritätsprinzips, das in der katholischen Soziallehre zentrale Bedeutung hat und eine Leitidee der deutschen Verfassung darstellt. Wer diesem nicht angehört, soll weniger Rechte und weniger soziale Teilhabe genießen, auch wenn er in Deutschland lebt und arbeitet. Damit wird die Axt an die Wurzeln der Demokratie gelegt, die vom Gedanken der gleichen Rechte aller bestimmt ist. Allen, die nicht der eigenen Gemeinschaft zugehören, wird Solidarität verweigert. Das gilt für Schutzsuchende, die man generell nicht mehr ins Land lassen will. Und es gilt für die Bedürftigen andernorts: Entwicklungszusammenarbeit mit armen Ländern wird deshalb ebenso abgelehnt wie die Unterstützung von Staaten, die – wie die Ukraine – angegriffen werden und und um ihr Überleben ringen.
Die Sicht der Kirche ist eine andere: Politisch, religiös oder rassistisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge müssen in unserem Land auch weiterhin Aufnahme finden. Und: Der Begriff des Gemeinwohls hat für die Kirche stets einen universalen Horizont. Daher treten wir für multilaterale Zusammenarbeit und Solidarität ein – auf Ebene der Europäischen Union ebenso wie weltweit. ....
Nach mehreren Radikalisierungsschüben dominiert inzwischen vor allem in der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine völkisch-nationalistische Gesinnung. Die AfD changiert zwischen einem echten Rechtsextremismus....und einem Rechtspopulismus, der weniger radikal und grundsätzlich daherkommt. Der Rechtspopulismus ist der schillernde Rand des Rechtsextremismus, von dem er ideologisch aufgeladen wird. In beiden Fällen wird stereotypen Ressentiments freie Bahn verschafft: gegen Geflüchtete und Migranten, gegen Muslime, gegen die vermeintliche Verschwörung der sogenannten globalen Eliten, immer stärker auch wieder gegen Jüdinnen und Juden.
Wir sagen mit aller Klarheit: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehören insbesondere Rassismus und Antisemitismus – ist überdies mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar. Wir appellieren an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch an jene, die unseren Glauben nicht teilen, die politischen Angebote von Rechtsaußen abzulehnen und zurückzuweisen. Wer in einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft leben will, kann in diesem Gedankengut keine Heimat finden. Wer Parteien wählt, die mindestens in Teilen vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingeschätzt werden, der stellt sich gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie in unserem Land.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das klare Votum gegen jede Form des Rechtsextremismus bedeutet in keiner Weise, dass die Kirche sich dem Dialog mit jenen Menschen entziehen wird, die für diese Ideologie empfänglich, aber gesprächswillig sind. Auch radikale Thesen sollen diskutiert, sie müssen aber auch entlarvt werden. Klarer Widerspruch gegen den Rechtsextremismus bedeutet ebenso wenig, dass existierende wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme – etwa bei der Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit oder der Integration von Migranten – kleingeredet oder ignoriert werden könnten. Sie müssen angegangen werden. Alles andere würde den rechten Rand nur weiter nähren. Aber sämtliche Lösungsansätze müssen dem humanitären Ethos entsprechen, das im Christentum vor- und mitgeprägt ist und das die Grundlagen unseres Staates und der Gesellschaft in Deutschland definiert. Menschenwürde, Menschenrechte, besonders der Schutz des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem natürlichen Ende, sowie Solidarität sind dessen elementare Bestandteile.
Unter all diesen Werten und Prinzipien kommt der gleichen Würde aller Menschen eine grundlegende Rolle zu. Ohne ein umfassendes Verständnis der Menschenwürde gibt es kein freiheitliches und gerechtes Zusammenleben. Die Menschenwürde ist der Glutkern des christlichen Menschenbildes und der Anker unserer Verfassungsordnung. Leisten wir alle Widerstand, wenn Menschenwürde und Menschenrechte in Gefahr geraten! Engagieren wir uns gemeinsam aktiv für die freiheitliche Demokratie!
Im Vorfeld der Wahlen möchte ich mich dieser Bitte anschließen und wir veröffentlichen diese Verlautbarung, vor allem um Christen, die hier noch schwanken, die vielleicht angezogen sind von Standpunkten in der Familienpolitik oder von den etablierten Parteien enttäuscht sind eine Orientierungshilfe zu geben. Bleiben Sie demokratisch und wählen Sie nicht aus Protest radikale Parteien mit vermeintlich einfachen Lösungen!
meint Ihr Pfarrer Bernhard Hock