Unser Bischof wird an Ostern das Bistum neu ordnen und 46 Pastoralräume errichten. Damit beginnt die Phase 2 des Pastoralen Wegs. Die Pfarrgemeinden in Mühlheim und Obertshausen werden dann zu einem verbindlichen Pastoral – und Kooperationsraum zusammengeschlossen. In den nächsten Jahren sollen 7 Pfarrgemeinden sich kennenlernen, vernetzten und miteinander kooperieren. Bis zum Jahr 2030 soll aus dem Pastoralraum eine neue Pfarrgemeinde gebildet werden. Dem leitenden Pfarrer wird ein Koordinator (eine hauptamtliche Person) zur Seite gestellt. Zusammen moderieren beide die Phase 2 bis zur Gründung (Phase 3) der neuen Pfarrgemeinde.
Der neue Pastoralraum macht auch die Kreierung eines neuen Übergremiums notwendig. Jede Pfarrgemeinde benennt Vertreter*, die zusammen mit den Pastoralteams die Pastoralraumkonferenz bilden. Schon seit Herbst letzten Jahres kommen die 9 Hauptamtlichen aus den Pfarreien Mühlheims und Obertshausens zu monatlichen Pastoraltreffen zusammen. Die Dekanate werden zum 31.Juli aufgelöst und die Pastoralräume zu Regionen zusammengefasst. Der Pastoralraum Mühlheim – Obertshausen wird dann zur Region „Mittlere Mainschiene“ gehören. Die Stellen von Dekanen und Dekanatsreferenten entfallen. In der Phase 2 des pastoralen Wegs bleiben die Pfarrgemeinden eigenständig und behalten ihre Gremienstruktur. Mit Gründung der neuen Pfarrgemeinde werden die 7 Pfarrgemeinden aufgelöst und zu einer neuen Gemeinde fusioniert. Für die neue Einheit wird es nur noch einen Pfarrgemeinderat und einen Verwaltungsrat geben. Ebenso braucht es einen neuen Namen.
Der pastorale Weg bringt auch personelle Veränderungen mit sich. Dekan Willi – Gerd Kost wird ab dem 01. August als Pfarrer nach Hainstadt wechseln und wird den zukünftigen Pastoralraum „Mainbogen“ leiten, der sich von Steinheim bis Mainhausen erstreckt.
Die Leitung des Pastoralraums Mühlheim – Obertshausen wurde mir übertragen. Damit werde ich ab Sommer mehrere Funktionen ausfüllen: Ich werde leitender Pfarrer (ca. 60%) für die Gemeinden Hausen – Lämmerspiel und Dietesheim sein, sowie die Leitung des Pastoralraumes (ca 40%) innehaben. Vor diesem Aufgabenspektrum habe ich Respekt. Und ich stelle mir hin und wieder die Frage: Kann ich dann überhaupt noch Seelsorger sein? Werde ich mir in Zukunft überhaupt noch Zeit für die Menschen und ihre Anliegen nehmen können oder mutiere ich zum Funktionär? Werden die Menschen in Hausen, Lämmerspiel und Dietesheim Verständnis haben, dass auch die Hauptamtlichen nur Menschen sind mit begrenzten zeitlichen Ressourcen?
Für die Gemeinden in Lämmerspiel, Dietesheim und Hausen wird die Stelle eines Pfarrvikars (mithelfender Priester) ausgeschrieben. Sollte sich kein Priester auf diese Stelle bewerben, wird sehr viel Kreativität von den hauptamtlichen und den ehrenamtlichen Mitarbeitern in den Gemeinden gefordert sein. Ein Ziel zu verfolgen hat auch immer seinen Preis! Erst wenn die finale Personalsituation in unseren drei Pfarrgemeinden geklärt ist, kann das Planen beginnen.
Die Herkulesaufgabe für die Zukunft wird lauten: Miteinander (nicht nebeneinander) Kirche sein trotz knapper werdender personeller Ressourcen (Menschen, die haupt- oder ehrenamtlich tätig sind).
Es ist kein Geheimnis: Die Zahl der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nimmt ab. In Hausen beobachte ich seit langem einen Prozess, den man als „Parochizid“ (Pfarreisterben) bezeichnen kann. Die vertraute Gestalt von Kirche stirbt. Mittlerweile besteht die Gemeinde in Hausen nur noch aus 3980 Katholiken, Tendenz fallend. Mit der Katholikenzahl sind auch die finanziellen Zuwendungen aus Mainz verbunden, mit denen wir die laufenden Kosten eines Jahres decken. Der Rückgang der Katholiken vor Ort reduziert die finanziellen Zuwendungen aus Mainz. Jedes Jahr verlassen mindestens 100 Personen unsere Kirchengemeinde durch Tod oder Kirchenaustritt. In den letzten Jahren ist ein Anstieg von Austritten zu beobachten, ein stetiger Fluss, der nicht versiegt. Vor allem jungen Menschen und Ehepaare treten aus der Kirche aus. Die Beweggründe sind vielseitig. Ich habe die Erfahrung gemacht: Wer einmal gegangen ist kommt nicht mehr wieder. Zwar gibt es auch immer wieder Taufanfragen. Aber es wird ein Segensritual für das Kind gewünscht und weniger eine Anbindung an die lokale Kirchengemeinde. Im Folgenden will ich einige Anzeichen für den Parochizid in Hausen aufzeigen.
In den Gottesdiensten ist eine klare Tendenz der Überalterung festzustellen. Häufig bin ich mit Abständen der Jüngste (mit Ausnahme der Messdiener)! Die Überalterung lehrt mich, dass in einigen Jahren (ganz) viele Bänke in den Kirchen leer bleiben und die Kirchenräume zu groß für die schrumpfende Gottesdienstgemeinde werden. Ein großer Schatz der Pfarrgemeinde sind die Ehrenamtlichen! In Hausen gibt es tolle und engagierte Menschen, aber auch sie müssen mehrere Aufgaben schultern. Es wird immer schwieriger, neue Ehrenamtliche zu gewinnen, da das Ansehen von Kirche schwindet und viele Menschen privat und beruflich sehr eingespannt sind und keine Kapazitäten mehr frei haben. Für Projekte (z. Bsp. Zeltlager, Pfarrfest) sind Menschen eher bereit sich zu engagieren, weil der Zeitraum klar definiert ist. Aber für langfristiges Engagement (z. Bsp. PGR, Katecheten Team, Sozialdienste) wird es immer schwieriger, Menschen zu gewinnen.
Folgende Beobachtung habe ich gemacht: Ein Großteil der Katholiken wünscht keine Bindung an die Gemeinde. Man glaubt an Gott, braucht aber keine Gemeinschaft dafür. Kirchliche Dienstleistungen werden dankbar angenommen und werden auch als sinnvoll erachtet (Taufe, Erstkommunion, Firmung, Trauung, Beerdigung und vereinzelt Seelsorgegespräche), aber eine Anbindung oder ein regelmäßiger Kontakt ist nicht gewünscht. Das ist kein Vorwurf, ich gebe lediglich meine Beobachtungen wieder! Viele Katholiken scheinen die Glaubensgemeinschaft nicht zu brauchen, finden die Gottesdienste überflüssig oder haben sich aus Frust gegenüber der Amtskirche abgewandt. Wenn man die aktuellen Berichterstattungen über den Umgang zum Thema sexuellen Missbrauchs in der Kirche verfolgt, kann man das schwer verübeln. Corona hat den Rückgang beschleunigt. Auch in Hausen haben sich Menschen von der Pfarrgemeinde abgewandt, weil sie z. Bsp. die Corona – Regeln im Gottesdienst ablehnen. Die Bindung an Kirche hat stark nachgelassen und die Talfahrt ist noch nicht beendet. Die Bindungslosigkeit hat sich zur Tradition entwickelt.
Schon vor Jahren wurde darauf hingewiesen, dass der Stellenwert von Religion und Kirche nachlässt und an Bedeutung verliert. Das sind keine Prognosen, sondern Fakten und Tatsachen. Das ist die Realität! Ich glaube, dass Gott uns mit der Realität umarmen möchte. Wir können unsere Augen verschließen und uns in eine Scheinwelt flüchten oder gar verkriechen – aber damit würden wir Kirche aufgeben.
Die Sehnsucht der Menschen nach Spiritualität, Sinn, Schutz, Geborgenheit, sozialem Engagement und Kraftquellen besteht weiterhin und hat Konjunktur. Die Menschen lassen sich jedoch nicht mehr von einer Institution, wie etwa der Kirche, vorschreiben was zu glauben ist und wie man zu leben hat, sondern sie suchen nach tragenden Lebensinhalten! Als Kirche können wir den Menschen viel bieten: Vor allem eine Heimat im Glauben, Spiritualität und Sinn. Aber dazu müssen wir bereit sein, auf die Menschen zu zugehen und weniger in der Erwartungshaltung zu verharren, die Menschen müssten zu uns kommen.
Die Herausforderungen für uns und die Gemeinden unseres Pastoralraumes lauten: Erhalten wir Kirche am Leben oder füllen wir Kirchorte mit Leben? Was darf weiterleben? Was darf auch sterben? Neuer Wein muss (manchmal auch) in neue Schläuche.
Pater Elias aus der Abtei Münsterschwarzach hat mir gegenüber einmal diesen bemerkenswerten Satz geäußert, der sehr gut in die Passions- und Osterzeit passt: „Wir (die Kirche) müssen mit Jesus sterben, um mit ihm aufzuerstehen.“
Wie soll die Kirche der Zukunft aussehen? Ein Trachtenverein aus vergangenen Tagen, der Nostalgiebedürfnisse befriedigt? Ein Verein, der sich darauf spezialisiert hat, negative Schlagzeilen zu produzieren? Oder ein Ort, wo wir Menschen mit ihren Zweifeln, ihrem Glauben, ihren Lebensentwürfen (!) zur Gemeinschaft einladen: um Gott zu feiern, um der Botschaft Jesu ein Gesicht zu geben und ein Segen für unsere Städte Mühlheim und Obertshausen zu sein. Es braucht eine Kirche, die den Menschen eine Heimat im Glauben schenkt.
Ich danke allen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern*, die die Kirche und auch die Hoffnung nicht aufgeben haben und sich nun gemeinsam auf den Weg in eine spannende und ungewohnte Zukunft machen.
Ich bitte vor allem um Geduld und Verständnis, da wir alle – die hauptamtlichen und die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neues Terrain betreten werden.
Pfarrer Christoph Schneider, designierter Leiter des Pastoralraum