Der Heilige Seraphim von Sarow

Ikonen-Interpretationen-Hl. Serafim von Sarow (c) Vera Klimentyeva
Ikonen-Interpretationen-Hl. Serafim von Sarow
Datum:
Mi. 6. Apr. 2022
Von:
Matthias Kirsch

Die Interpretation Klimentyeva`s erscheint mir wie ein großes Tor. Oder ein großes Fenster. In Gedanken kann ich es schließen und mich fragen, was dann zu sehen ist. Es bleibt mir etwas verborgen; der Zugang in einen anderen Raum ist mir versperrt. Ich sehe nicht, wer oder was sich dahinter verbirgt. 

Hier ist das Tor so weit offen, dass die Torflügel gar nicht mehr vorhanden sind. Durch dieses Tor strömt mir ein helles, fast blendendes Licht entgegen. Kommt mir dieses Licht entgegen, oder bin ich eingeladen durch die Tür in das Licht einzutreten? Traue ich mich das – einfach so ins Ungewisse hineinzugehen?

Der rote Kreis deutet die Person an, die wohl beides erfahren hat: Sich vom Glanz und Licht treffen lassen – und in diese Fülle hineinzugehen.

Seraphim – der „Flammende“ - scheint von dieser Glut angesteckt und angefüllt worden zu sein. Ein einfacher, alter und gebeugter Mann – fast schon kraftlos -, der das Gegenteil von dem tut, was heute ein Muss zu sein scheint. Er sucht nicht das Rampenlicht, hat keine großen Botschaften zu verkünden und will seine Weltsicht nicht allen anderen aufschwatzen. Ein Mann, der die Einsamkeit der Wälder gesucht hat und gerade auf das verzichtete, was wir eigentlich anstreben – ein gutes und geordnetes Leben, Sicherheit, ausreichendes Einkommen, Gesundheit. Auf die Welt so ganz verzichten – das will mir nicht wirklich gelingen. Wenn man so ganz mit sich allein ist, dann wird möglicherweise auch etwas verschärft, was jeden trifft oder treffen kann: Die Angst, die Zweifel, das Gefühl der Verlassenheit, auch der Gottesverlassenheit. Seraphim steht also für jemanden, dem das nicht fremd ist, dem es aber gelungen ist diese Todeserfahrungen im Gebet und tiefen Vertrauen auf Gott zu überwinden.  

Seraphim hat ein großes Tor gefunden. Er hat Jesus Christus als Freund gefunden, und mit ihm die Gemeinschaft der Heiligen Gottes. Er hat Begegnungen der Liebe und Gegenwart Gottes erfahren. Er hat den Frieden in Gott, mit sich selbst und der Natur um ihn herum gefunden. Ein grauer Bär, der ihm zutraulich aus der Hand frisst, und Vögel, die liebevoll seine Nähe suchen, sind Darstellungen dieser versöhnten Einheit mit der Schöpfung. Die Helligkeit und das Licht Gottes im hl. Geist kam durch das Tor zu ihm und auf ihn herab.

Ja, er wurde dann selbst zu einem Lichtkreis, der in seine Welt und Umgebung ausstrahlte. Er wurde selbst zur Hilfe, zur Liebe und heilenden Nähe Gottes.

Letztlich ging er wohl durch dieses Tor hindurch, hat unsere Welt verlassen und ist eingegangen in die Herrlichkeit, Wärme und den bleibenden Frieden in Gott.

Hat sich das Tor hinter ihm geschlossen? Auf dem Bild bleibt es ein offenes Tor, durch das weiterhin das Licht Christi im hl. Geist strömt und einlädt sich nicht allzu fest allein in den Dingen dieser Welt zu verankern.