Schmuckband Kreuzgang

Kolumne zur Bibel von Timm Schreiner

Schon wieder Lukas?!

Die etwas andere Weihnachtsroutine.

 

Ist Ihnen, verehrte Leserin/ verehrter Leser, schon einmal aufgefallen, dass in der Heiligen Nacht, am Weihnachtsmorgen und am Weihnachtstag immer die gleichen Evangelien gelesen werden? Bei anderen kirchlichen Festen ist das durchaus anders. Nehmen wir zum Beispiel Palmsonntag und die Osternacht, bei denen Sie dasselbe Evangelium nur alle drei Jahre hören. Wer also der Passion nach Markus und seinem Bericht vom leeren Grab entgegenfiebert, muss sich noch bis zum Jahr 2021 gedulden. Hier lohnt sich genaues Hinhören also besonders.

 

Warum ist an Weihnachten diese textliche Eintönigkeit angeordnet? Während im Neuen Testament alle Evangelisten das Sterben und Auferstehen Christi als innersten Kern christlichen Glaubens beschrieben haben, ist der andere Eckpunkt im irdischen Leben Jesu so richtig deutlich nur bei Matthäus und Lukas thematisiert.

Markus fängt gleich beim erwachsenen Christus an und interessiert sich nicht für die Kinderstube Jesu. Maria wird als Mutter Jesu zwar namentlich genannt (Mk 6,3), von ihrer Niederkunft ist aber keine Rede. Überhaupt, kommt im Markusevangelium die liebe Verwandtschaft ins Spiel, dann hat dies nichts mit weihnachtlicher Krippenromantik, sondern eher mit Konflikt zu tun. Schließlich sind sie mit Jesu missionarischer Tätigkeit weniger einverstanden und manche stellen sogar seine mentale Gesundheit in Frage (Mk 3,21). Dass Jesus im Markusevangelium deshalb alle, die offen für seine Botschaft vom Reich Gottes sind, als seine eigentliche Familie bezeichnet (Mk 3,34), ist nachzuvollziehen.

Johannes wiederum beginnt sein Evangelium mit seinem berühmten Prolog („Im Anfang war das Wort…“). Diesen Text hat die Kirche für den Weihnachtstag (25.12.) vorgesehen und wohl schon so manchen irritiert, der für Weihnachten eher den Stall mit Ochs‘ und Esel erwartet hatte. Auch wenn man hier vergeblich nach Bethlehem blickt, so widmet sich doch auch Johannes der sehr weihnachtlichen Frage, wo dieser Jesus von Nazareth eigentlich herkommt. Seine Antwort ist, dass die Existenz des Sohnes Gottes nicht erst im Mutterleib Mariens beginnt, sondern, dass der Sohn in gleicher Weise göttlich und ewig wie der Vater ist.

Hier wird uns ein wichtiger Kontrastpunkt zur Heiligen Nacht gegeben. Der eigentliche Grund zur Freude der Engel und Menschen an Weihnachten ist ja das Mysterium,
dass hier Gott tatsächlich Mensch wird. Wer sich Christ oder Christin nennt, darf sich an Weihnachten nicht mit weniger zufrieden geben!

 

Jetzt aber zu den Evangelien, in denen uns von der Geburt berichtet wird. Durchsucht man die ersten Kapitel des Matthäusevangeliums, so wird man endlich fündig. Wobei man zugeben muss, dass man es mit „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war…“ nicht viel kürzer hätte beschreiben können. Eigentlich ist dieser Satz auch nur die Zeitangabe für die schon Heraufziehenden Sterndeuter:
„…siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem“. Da die Sterndeuter in unserer Liturgie aber traditionell erst am 6. Januar in Erscheinung treten, scheidet also auch das Evangelium nach Matthäus für eine Lesung in der Heiligen Nacht aus. Übrig bleibt Lukas, aber das muss uns keineswegs wie eine Notlösung vorkommen.

Die erzählerische Leere wird von Lukas nämlich meisterhaft gefüllt. Das gilt sowohl für die großzügige Menge des Stoffes (2 Kapitel), als auch für deren Inhalt.

Geschickt hat der Evangelist beispielsweise die Verse gestaltet, welche in der Hl. Nacht gelesen werden
(Lk 2,1-14): Wenn er mit dem kaiserlichen Befehl zur Volkszählung beginnt, dann geht es ihm wohl weniger um eine historische Zeitangabe. Vielmehr will er dem Leser die Bedeutung dieses Kindes vor Augen führen, wenn er es im gleichen Atemzug mit der für damalige Leser höchsten (weltlichen) Autorität nennt. Das sind die Vorschusslorbeeren, die neugierig machen sollen, wie es mit diesem Kind weitergeht. Auf der anderen Seite ist das Geburtsgeschehen von totaler Armut geprägt und steht damit im kompletten Gegensatz zur aufgebauten Erwartung für ein Königskind: Krippe statt Prunkwiege, Hirten statt Adel und Pagen, aber auch Engel statt Hofsänger.

 

Ich hoffe, ich konnte zwei Dinge zeigen: Erstens, wie gut es ist, dass uns die Erzählung über Jesus von Nazareth in vier verschiedenen Versionen vorliegt. In zentralen Aussagen stimmen die Evangelien natürlich überein, aber jeder Evangelist hatte genug Spielraum, um eigene Schwerpunkte zu setzen. Das Jesus Ereignis ist so wunderbar und einzigartig, dass selbst vier Blickwinkel immer nur eine Annäherung an das Geschehene sein können. Zweitens, dass man den weihnachtlichen Texten jedes Jahr mit Genuss zuhören kann. Falls Sie ein Wort oder eine Passage besonders anspricht, dann bleiben Sie bei diesem doch einmal bewusst hängen und sinnen Sie ihm nach. So können Sie herausfinden, was die Weihnachtsbotschaft für Sie ganz persönlich in diesem Jahr 2018 nach Christi Geburt ist.