Der Glaube einer kanaanäischen Frau (15,21−28)
21 Und Jesus ging von dort weg und zog sich in die Gebiete von Tyrus und Sidon zurück. 22 Und siehe: Eine kanaanäische (1) Frau aus jenen Gegenden kam heraus und schrie darauf: „Erbarme dich meiner, Herr, Sohn Davids! Meine Tochter ist übel besessen.“ 23 Er antwortete ihr kein Wort. Und seine Jünger traten heran und baten ihn darauf: „Schicke sie weg! Denn sie schreit hinter uns her!“ 24 Er antwortete darauf: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ 25 Sie kam, warf sich vor ihm nieder und sagte: „Herr, hilf mir!“ 26 Er antwortete darauf: „Es ist nicht recht, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hündchen hinzuwerfen.“ 27 Sie sagte: „Ja, Herr! Auch die Hündchen fressen doch von den Krümeln, die vom Tisch ihrer Herren fallen!“ 28 Da antwortete ihr Jesus darauf: „O Frau, groß ist dein Glaube! (2) Es soll dir geschehen, wie du willst!“ Und ihre Tochter war von jener Stunde an geheilt.
(1) So wurden nichtisraelitische Bewohner des Landes genannt.
(2) Weil niemand sich Jesus in demjenigen Glauben zuwenden kann, der das Erfülltsein vom Heiligen Geist ist (vgl. 1 Kor 12,3), wenn ihn der Vater nicht zieht (vgl. Joh 6,37.44; auch Mt 16,17), erkennt Jesus durch diese heidnische Frau, dass das Israel Gottes (vgl. Gal 6,16) größer ist, als man in Israel meinte. Der, von dem Jesus selbst sich gesandt weiß, ist immer auch am Werk im Herzen derer, die zu ihm kommen. So ist auch heute noch zwischen denen, die den Glauben weitersagen und denen, die ihn sich gesagt sein lassen, der gleiche Geist Jesu am Werk.
Anmerkungen:
Jesus geht aus israelischer Sicht in heidnisches Gebiet. Eigentlich soll es um eine Dämonenaustreibung gehen. Diese tritt aber ganz in den Hintergrund und am Ende ist das Ganze keine Heilungs- oder Wundergeschichte, sondern ein Lehr-/Lerngespräch. In einer Wundergeschichte wir die Lehre zur Geltung gebracht. Man kann fast sagen, die Heilung geschieht durch die Lehre und das ist hier der Glaube (V. 28). Es scheint theologisch um die Heidenmission im frühen Judenchristentum zu gehen.
Ps 87,4 macht eine Heilszusage auch über dieses heidnische Gebiet. Hier ruft eine Heidin um Gottes Erbarmen: (Ἐλέησόν με, κύριε, υἱὸς Δαυίδ - Eleson me, kyrie, huios David) "Erbarme dich, meiner Herr, Sohn David!" Eine Heidin spricht ihr Kyrie eleison nicht so lustlos, wie in manchen unserer Gottesdienste, sondern sie ist existentiell betroffen. Ihr Schreien drückt das aus. Und obwohl sie ein Messiasbekenntnis ablegt, antwortet Jesus auf diesen heidnischen Schrei "kein Wort" (λόγον - logon) (V. 23). Eine Heidin bekennt sich zu Jesus als "Herr" und "Davidsohn" und tut etwas, was die Mehrheit der Rechtgläubigen verweigert. Sogar die Schüler Jesu wollen, dass er sie wegschickt. Und auch Jesus geht zunächst nicht auf den Hilferuf der heidnischen Frau ein. Jesus spricht von seiner Sendung so, wie er es zunächst in seiner Religion gelernt hat: Der Messias ist für Israel bestimmt. Da Israel als Ganzes zu den verlorenen Schafen zählt, meint Jesus, er sei nur zu Israel gesandt. Als Hirt Israels will sich Jesus als der Messias erweisen (Jes 53,6; Mich 2,12 Sach 9,16 u.a.).
Die Heidin wiederholt ihre Bitte um Erbarmen mit einer Niederwerfung (V. 25): "Sie kam, warf sich vor ihm nieder und sagte: 'Herr, hilf mir!'“ Jesus wiederholt seinen Standpunkt in einem Bildwort. Die Israeliten sind die "(Gottes-)Kinder" und die Heiden die "Hündchen". Die Sättigung mit Brot, also die Heilsfülle, ist den Kindern zugedacht und nicht für die Hündchen. Die Heidin lässt sich auf das Bild ein und führt es verstehend weiter. Wenn schon beim Essen Brotkrümel vom Tisch der Herren herabfallen und die Hündlein davon essen, um wie viel mehr muss dann vom Tisch der Heilszusage Gottes für Israel auch das Heil für die Heiden herabfallen und auch für das Heil der Heiden sorgen.
Bei der Frage, wie Jesus zum Glauben an die universale Heilszusage Gottes für alle Menschen gekommen ist, wird man in dieser Geschichte zeigen können, durch das Hören auf die Heilszusage dieser heidnischen (kanaanäischen) Frau. Jesus entdeckt den großen Glauben, bei dieser Frau und dadurch bei sich. Das führt zum Heil für alle. Weil niemand sich Jesus in demjenigen Glauben zuwenden kann, der das Erfülltsein vom Heiligen Geist ist (vgl. 1 Kor 12,3), wenn ihn der Vater nicht zieht (vgl. Joh 6,37.44; auch Mt 16,17), erkennt Jesus durch diese heidnische Frau, dass das Israel Gottes (vgl. Gal 6,16) größer ist, als man in Israel meinte. Der, von dem Jesus selbst sich gesandt weiß, ist immer auch am Werk im Herzen derer, die zu ihm kommen. So ist auch heute noch zwischen denen, die den Glauben weitersagen und denen, die ihn sich gesagt sein lassen, der gleiche Geist Jesu am Werk. Für alle, auch für Jesus, kommt der Glaube vom Hören.