Wallfahrtskirche St. Gangolf (Maria Sternbach)

Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels. (Genesis 28,17b)

Herzlich willkommen in unserer Kirche, nehmen Sie sich etwas Zeit, um mit Hilfe dieses Führers die Geschichte und die Besonderheiten der Kirche als historisches Baudenkmal zu erkennen Zur Betrachtung des Raumes soll aber auch das Erleben kommen. Erst wenn der Kirchenraum in der Liturgie, in der Musik, in der Besinnung und im Gebet seine Funktion erfüllt, beginnen auch die Steine wirklich zu reden.

Die Wallfahrtskirche in dem untergegangenen Dorf Sternbach

Die Kirche Sternbach wird urkundlich bereits in der so genannten Beatusurkunde, 778 erstmalig erwähnt. Der iro-schottische Abt Beatus schenkte damals dem Kloster Honau bei Straßburg 9 Eigenkirchen, darunter auch die Kirchen in Sternbach1) und die in dem nicht weit entfernt liegenden Bauernheim. Sternbach wird als Siedlung 1231 erstmals urkundlich erwähnt. Es gehörte zum Münzenberger Herrschaftsbereich. Durch Schenkungen, die meisten im 13. Jahrhundert, kam der überwiegende Teil an das 1174 gegründete Kloster Arnsburg2). So hören wir, dass Heinrich von Wickstadt, genannt Goldsteyn, und seine Ehefrau Kunigunde 1231 dem Kloster ihre Güter in Wickstadt und Sternbach schenkten. Bereits diese Schenkung mag bedeutend gewesen sein. Am 8. Oktober übergeben die Pfarrangehörigen dann ihre Gemeindewiesen und bereits 1232 hören wir, dass Ritter Friedrich von Reichelsheim einen Mansus3) in Sternbach mit Heinrich von Wickstadt tauscht, der durch die o.a. Schenkung auch an das Kloster kommt. Wieder ein Jahr später verkaufen Heinrich und Gerlach von lsenburg in Sternbach und Wickstadt 1/3 ihrer Gerichtsbarkeit und 20 Morgen Wiesen an das Kloster. Im Jahr 1249 bekundet der Burggraf von Friedberg, dass Heinrich und Friedrich von Wickstadt sich mit dem Kloster wegen der ‚Jurisdiktion’4) geeinigt haben. Aus dem Jahr 1292 ist von Wickstadt eine Gemeindeordnung überliefert, die von Arnsburg diktiert wurde. Sie zeigt, dass Arnsburg damals die Gerichtsbarkeit auch ausübte, obwohl dies für ein Kloster eine „heikle“ Angelegenheit war. Die Schenkungen und Landerwerbungen gingen weiter. 1274 von Werner von Bellersheim ein halbe Mansus, 1292 verkauft das Kloster Ilbenstadt seine gesamten Güter in Sternbach an Arnsburg.5)

In Wickstadt gab es zu diesem Zeitpunkt keine freien Bauern mehr, aber hier in Sternbach hatten sich noch einige erhalten können. Nachdem die Nachfolger der Münzenberger, die Falkensteiner, 1418 ausstarben, wurden sie u.a. von den Grafen zu Solms beerbt. Im Laufe der Zeit kam es dann zu mehren Streitigkeiten, wie wir sie auch vom Kloster Arnsburg kennen. Es ging im Wesentlichen um die Rechte als Landesherrn. In diesen Streitereien und Machtkämpfen ging das Dorf Sternbach wohl unter. Die letzte Nachricht ist von 1545. Damit ist die im Volksmund überlieferte Geschichte vom Untergang im Dreißigjährigen Krieg widerlegt. Seit 1448 hören wir, dass das Kloster auch das Patronat über die Pfarrei und Kirche hatte. Zu dieser Oberpfarrei gehörten zeitweise: Wickstadt, Ossenheim, Bauernheim, Nauheim, Friedberg, Weckesheim, Leidhecken, Florstadt und Staden. Mit der Aufhebung des Klosters und dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 kam der Besitz6) an das Haus Solms, Sternbach und Wickstadt an Solms-Rödelheim-Assenheim.

Die Sternbacher Kirche liegt heute abseits jeder menschlichen Siedlung im Wald. westlich dem Hofgut Wickstadt.

Um die Kirche sind die Reste einer Einfriedigung zu erkennen. Ob es sich hierbei um einen Wehrkirchhof gehandelt hat, dafür finden sich keine Anhaltspunkte. Auch Reste der in der Beatus-Urkunde erwähnten Kirche sind nicht mehr sichtbar. Es wird aber angenommen. dass diese Kirche an gleicher Stelle gestanden hat. Die heutige Kirche weist jedoch noch Reste aus romanischer Zeit auf: Die vermauerte Rundbogenpforte und kleine Fenster in der Südwand des Kirchenschiffes, wohl um 1200. Das flach gedeckte, eckige Langhaus ist damit als ältester Teil der Kirche zu erkennen. In gotischer Zeit wurden entscheidende An- und Umbauten vorgenommen. Der Choranbau stammt nach einer Inschrift von 1455, wurde also unter dem 29. Abt. Jo(h)annes de Wickstadt erbaut. Dieser Chor hat einen ⅝ Schluss und innen ein Kreuzrippengewölbe mit verzierten Schluss-Steinen. Im Chor sehen wir noch die verschiedenen spätgotischen Maßwerkfenster, ein weiteres gutes Maßwerkfenster mit so genannten Fischblasen finden wir auf der Nordseite des Langhauses. Weiter Umbauten sind aus dem 18. Jh. bekannt, so die Vorhalle des Langhauses7), sie erinnert etwas an den Schweizer Chaletstil. Auch der offene Dachreiter über dem Chor stammt aus dieser Zeit.

Im Inneren der Kirche fallen am Übergang vom Langhaus zum erhöht liegenden Chor der Triumphbogen ins Auge und der Hochaltar aus dem Anfang des 18. Jh. Der Altar wird bekrönt von einem Alabasterrelief. Es stellt St. Gangolf dar, diesem Heiligen ist die Kapelle in Sternbach geweiht. In der Mitte sehen wir ein prächtig geschmiedetes Gitter von 1718, dahinter das ursprüngliche Gnadenbild der Wallfahrt, eine stehende Mutter Gottes aus dem 15. Jh. Sie wurde aber noch im Barock und noch einmal im 19. Jh. überarbeitet. Im Jahr 1845 wird noch ein „Sanctuarium“8) erwähnt, es zeigt das Haupt Christi, eine so genannte „Vera-Ikon“9). Auch eine gute Sakramentsnische aus der Bauzeit des Chores ist noch erwähnenswert.

Der Erhalt der Wallfahrtskirche Sternbach dürfte einer bis heute geübten Wallfahrt am Himmelsfahrtstag zur der ‚‚wundertätigen Mutter Gottes von Sternbach“ zu verdanken sein.10) In der Vorhalle befinden sieh noch 2 Steine eines Stationsweges von Wickstadt nach Sternbach von 1725. Im Giebelfeld sieht man ein Wandgemälde, es zeigt die Verkündigung an Maria (Lukas 1,31).

Vor der Kirche finden wir eine kleine Kapelle. mit guter Stuckdecke (Auferstehung Christi) aus der 1. Hälfte des 18. Jh. Das Vesperbild aus Lindenholz, kunsthistorisch eine eigenwillige Arbeit, ist wohl noch aus dem 17. Jh.,11) Christus und die Gottesmutter in etwas sonderbarer Haltung, Maria neigt stark ihren Kopf und drückt ihn fest an den ihres toten Sohnes, der nicht wie hei anderen Vesperbildern üblich, ganz auf ihren Knien ruht, sondern halb auf dem Boden zu ihren Füßen kniet. Auch diese Skulptur wird heute in die Wallfahrt mit einbezogen, wie die Motivtafeln zeigen.


1) „Sterrenbach“, „Stewenbach“, der Name noch immer nicht eindeutig erklärt, von ahd. starr oder ahd. sterno, storro für Sternb; evtl. auch von einem Personennamen ‚‚ Sterro“, siehe Andriessen, Klaus ‚ Siedlungsnamen in Hessen, Verbreitung und Entfaltung bis 1200, Dissertation Marburg, 1990.
2) Sante, G. Hb. Historische Stätten, Hessen, Bd. VI‚ Stuttgart, 1976 ‚.S, 428.
3) Zinsgut, Hube, Hof, nach Abt R. Kolb ca.30 Morgen; Gärtner, Otto, Kloster Arnsburg in der Wetterau, Königsstein, o.J.
4) Gerichtsbezirk.
5) Lummitsch, Rudolf, Geschichte der Stadt Assenheim‚ Seite 204 ff und Seite 220ff, Niddatal, 1977.
6) Insgesamt für das Kloster Arnsburg etwa 700 Morgen, Gärtner, a. a. O. S. 11.
7) Dehio, G. Hb. der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen, Müchen, 1982, S. 916; Demkmaltopographie BRD ,Hessen, Wetterau, 11/2, Wiesbaden, 1999, S. 844.
8) Heiligtumsbehälter.
9) Lat./griech. Wahre Bild Gottes, oft gebraucht für Acheiropoieta‚ d.s. Bilder angeblich nicht mit Händen gemacht, Wagner, Georg, W.,J., Die Wüstungen. im Großherzogtum Hessen, Darmstadt, 1854, Seite 320. Brockhaus, Kunst, Mannheim, 2001, Seite 15.
10) Sante, a. a. 0.
11) Dehio, a. a, 0,