Der Heilige in deiner Mitte

Wie Menschen aller Zeiten sich Gott vorstellen – Eine Spurensuche

Nicht entrückt, sondern menschlich – wie zum Anfassen nah. Die Statue im Mainzer Dommuseum zeigt Gott Vater mit seinem toten Sohn in den Armen.. Foto: Anja Weiffen (c) Kirchenzeitung Glaube und Leben
Nicht entrückt, sondern menschlich – wie zum Anfassen nah. Die Statue im Mainzer Dommuseum zeigt Gott Vater mit seinem toten Sohn in den Armen.. Foto: Anja Weiffen
Datum:
Mi. 23. Nov. 2016
Von:
Kirchenzeitung Glaube und Leben
„Gott sieht alles, aber er petzt nicht.“ Die Schülerweisheit bringt es augenzwinkernd auf den Punkt: Allmächtig und lieb, so stellen sich viele Gott vor. Woher kommt diese Vorstellung? Überraschende Erkenntnisse ergab eine Spurensuche im Mainzer Dom und im Dommuseum.

Andächtig betrachten die Teilnehmer das Portal zur Gotthard-Kapelle. Immer noch ist die Tür als „Heilige Pforte“ geschmückt. Ein Scheinwerfer beleuchtet den roten Sandstein über der Tür. Dort ist eine Malerei zu sehen, die Jesus am Kreuz zeigt. Dahinter ein weiteres Gesicht.

„Dieses Gesicht gleicht dem des Gekreuzigten. Wir haben es hier mit einer Verdopplung der Christusgestalt zu tun“, sagt Dr. Felicitas Janson von der Bistumsakademie Erbacher Hof. Das Portal zur Gotthard-Kapelle war eine Station der Veranstaltung „Wege zum Gottesbild. Eine Spurensuche in Bildern und Texten“. „Glaube und Leben“, die Bistumsakademie Erbacher Hof und das Mainzer Dom- und Diözesanmuseum luden dazu ein.

Das Bild, zu dem die 26 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufschauen, stammt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts und zeigt die Dreifaltigkeit Gottes. „Mir fiel bei der Betrachtung der gleichen Gesichter spontan der Satz aus dem Johannes-Evangelium ein: ,Ich und der Vater sind eins‘“, sagt eine Teilnehmerin später. Weil Jesus der Sohn ist, wurde Gott „als Vater“ in der Kunstgeschichte im Lauf der Zeit jedoch immer älter gezeichnet. „Ab der Spätgotik wird Gott als alter Mann dargestellt“, erklärt Felicitas Janson.

Auf eine Gottesfigur, die zu Herzen geht, stößt die Gruppe im Mainzer Dommuseum. Nicht Maria betrauert den Gekreuzigten, wie bei einer Pietà. Sondern Gott Vater ist es, der seinen toten Sohn in den Armen hält. „Eine zutiefst menschliche Darstellung von Gott, eine sensible Komposition“, erklärt Dr. Anja Lempges, stellvertretende Direktorin des Dommuseums, über das Kunstwerk (1470 bis1480).

Gott als Vater und Mutter – auch diese Gottesvorstellung gab es bereits im Alten Testament, etwa bei Hosea 11, 4: „Ich war da für sie wie die (Eltern), die den Säugling an ihre Wange heben.“ Aber auch menschliche Züge fangen Gott nicht ein, wie die Bibel seine Leser lehrt. Bei Hosea heißt es später: „Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitleid lodert auf. Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken (…). Denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte.“

Von Anja Weiffen

Den ganzen Beitrag mit weiteren Hintergründen lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben" vom 27. November 2016.

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