Trainer Moritz Nestle verstand es vorzüglich, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Nachdenken über die eigene kulturelle Prägung zu bringen. Allein wenn man bedenkt, dass die am häufigsten verzehrten warmen Speisen in Deutschland Döner und Pizza sind, und wahrnimmt, wie sich das alltägliche Leben einer Familie von Generation zu Generation verändert, wird es fast unmöglich von einer typisch deutschen Kultur zu sprechen. Folgerichtig verbietet es sich auch, alle Nordafrikaner, Syrer oder Afghanen mit typischen Vorurteilen zu belegen, die national-kulturell bedingt seien. Nestle betonte, dass wir niemals Kulturen begegnen, sondern Personen, die kulturell geprägt sind. So wie es in Deutschland sowohl Menschen gibt, die auf Pünktlichkeit großen Wert legen, als auch solche, die sich nicht daran stören, wenn sie selbst oder andere zu spät kommen, genauso ist es auch mit Menschen aus anderen Ländern: Manche achten auf Pünktlichkeit, anderen ist das nicht wichtig.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben gelernt, dass unsere Wahrnehmung kulturell geprägt ist und wir schnell dazu neigen, andere Menschen mit der uns vertrauten kulturellen Brille zu be- und manchmal sogar zu verurteilen. Es bleibt stets eine Herausforderung, die eigene Unsicherheit in der Begegnung mit Menschen mit deutlich anderer kultureller Prägung auszuhalten (Ambiguitätstoleranz). Nestle empfiehlt für interkulturelle Begegnungen den Blick auf die Gemeinsamkeiten zu lenken und im Gespräch unverständliches Verhalten zu thematisieren. So kann die Vielfalt kultureller Prägungen als wirkliche Bereicherung erfahren werden.
Allen Beteiligten wurde schnell klar, dass wir nicht nur in der Flüchtlingshilfe einer Vielfalt an kulturellen Prägungen begegnen. Schon die Trainingsgruppe der Hauptamtlichen brachte Menschen zusammen, die allein durch ihre Berufe und Tätigkeiten unterschiedlich kulturell geprägt sind: Verwaltungsfachkräfte, Beraterinnen und Berater, Seelsorgerinnen und Seelsorger, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Pädagoginnen und Pädagogen von Kirche, DRK, Kreis- und Stadtverwaltung, Diakonie und Caritas.