Sich aus der Deckung trauen

Die Kirche und die Politik - Thema diese Woche in der Kirchenzeitung "Glaube und Leben"

Meinungen aus dem Bistum Mainz (c) Kirchenzeitung Glaube und Leben
Meinungen aus dem Bistum Mainz
Datum:
Mi. 8. März 2017
Von:
Kirchenzeitung "Glaube und Leben"
Noch sechs Monate bis zur Bundestagswahl am 24. September. Soll sich die katholische Kirche politisch äußern? Die Deutsche Kommission „Justitia et pax“ will sieben „Zwischenrufe“ vor der Wahl herausbringen. Dazu vier Meinungen.

Astrid Utzig, Diözesanreferentin Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB): Sich als Kirche in politischen und gesellschaftlichen Fragen zu positionieren, finde ich normal und wichtig. Die „Zwischenrufe“ sind ein Weg. Aber sie reichen nicht aus. Es darf ruhig mehr sein. Die Kirche muss aus christlichen Werten Taten werden lassen. Nur das Evangelium zu verkünden und sich auf pastorale Aufgaben zu konzentrieren, reicht nicht. Denn das zeigt noch nicht, was alles im Sendeauftrag des Evangeliums drinsteckt. Wer nicht gegen Ungerechtigkeiten aufbegehrt, macht sich mitschuldig. Im christlichen Sinne politisch sein bedeutet: sich für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte einzusetzen sowie die Missstände zu benennen, wie das etwa Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“ getan hat, oder auch Bischof Ketteler, in dessen Tradition die KAB steht – eine tolle Ermutigung. Jesus hat damals die Herrschaftsstrukturen angeklagt. Wenn wir Christen uns nicht für weltweite Gerechtigkeit einsetzen, wer dann?

Diakon Josef Kolbeck, Mitglied im Diözesanvorstand von Pax christi: Es ist gut, dass unsere katholische Kirche sich aus der Deckung traut und in Zwischenrufen durch „Justitia et pax“ Denkanstöße und Positionen zu gesellschaftlichen und politischen Fragen bezieht. Denn die Frohe Botschaft, die Jesus gelebt hat, und ihre Zementierung in das Leben der Menschen mit ihren Fragen, Sorgen und Nöten und Hoffnungen fordern geradezu heraus. Papst Franziskus weist immer wieder und erneut mit immer schärferen Worten darauf hin, dass ein „Dritter Weltkrieg“ schon längst begonnen habe. Jesus ist ja nicht gekommen, damit in den Kirchen eine noch schönere Liturgie gefeiert wird, sondern um ins Gedächtnis zu rufen, dass das Reich Gottes wachsen soll und darf und dass Gott es selber vollenden wird. Die Kirchen haben den Auftrag, diese Botschaft Gottes zu bezeugen und mit den Menschen zu leben, sei das gelegen oder ungelegen.

Hans-Jürgen Eberhardt, Diözesancaritasdirektor: Wir erleben als Caritas seit rund zwei Jahren in politischen Gesprächen, aber auch in unserer Arbeit vor Ort, dass Menschen sich einerseits für Geflüchtete engagieren und andererseits entsolidarisieren und Überforderung zeigen. Das hat weniger mit der absoluten Zahl an Geflüchteten als mit einem Verlust an Vertrauen in Institutionen wie Staat, Kirche, aber auch Berufssparten zu tun. Daher sind wir für das Engagement von „Justitia et pax“ dankbar. Wichtig ist, dass Kirche auf allen Ebenen ansetzt, in Gemeinden und auch auf politischer Ebene. Beides muss zueinander passen. Der Auftrag des Evangeliums ist eindeutig: Wir sind von Jesus berufen zur Nächstenliebe zu allen Menschen: zu Menschen hierzulande, zu Geflüchteten sowie zu Menschen in unsicheren Ländern. Kirche ist aktiver Teil der Gesellschaft und muss mitdenken. Dadurch wird sie glaubwürdig.

Eric Niekisch, Diözesanvorsitzender Bund der Deutschen Katholischen Jugend: Ich denke die „Zwischenrufe“ sind wichtige Statements zur richtigen Zeit. Dabei gefällt mir, dass auf die aktuellen politischen Entwicklungen eingegangen wird. Ich finde wichtig, dass der universelle Schutz der Menschenrechte, der keine Staatsgrenzen und Nationalitäten kennt, genauso artikuliert wird wie der Einsatz für eine nachhaltige Entwicklung weltweit. Solche „Zwischenrufe“ reichen zwar nicht aus, aber sie sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, nämlich gegen kurzatmige politische Entwürfe, die sich nicht an Menschenrechten und Menschenwürde orientieren. Und dabei mischt sich Kirche auch nicht zu viel in die Politik ein. Denn: In grundlegenden Fragen brauchen wir gesellschaftlich relevante Organisationen, die sich so klar und eindeutig auf die Seite der Schwachen stellen.

www.justitia-et-pax.de 

Diesen Beitrag und weitere Hintergründen lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben" vom 12. März 2017.

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