Wo bist du, Gott?

Wo bist du, Gott?

12. März 2023

Wer sich die Welt anschaut, die Nachrichten von Krieg, Erdbeben oder Missbrauchsstudie liest, sieht oder hört, fragt sich unweigerlich: Wo bist du, Gott? Im Stil eines Poetry Slams greift Pfarrer Hans-Peter Weindorf diese Frage in seinem Impuls für Antenne Mainz auf. Er sieht die Menschen, jede und jeden, in der Pflicht zu handeln. Gott allein kann es nicht richten.

„Kirche“ vom 12.03.2022 ANTENNE MAINZ

Guten Morgen, ich bin Hans-Peter Weindorf, Pfarrer in Mainz.

„Wo bist du, Gott?“ So habe ich in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder gefragt, und gute Freundinnen und Freunde sagten: „Mir geht es genauso; das sind auch meine Fragen!“ Und so ist der folgende Text entstanden:

Wo bist du, Gott? Kannst du mir nicht sagen, wo du bist? Denn ehrlich gesagt, ich spüre dich nicht. Ich wache morgens auf und bin mir nicht mal sicher, ob und was ich überhaupt noch glauben soll. Wo bist du?

Ich schalte den Fernseher an und denke mir: Wo bist du in den Trümmern zerbombter Städte in der Ukraine? Wo bist du, wenn Raketen auf Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten abgeschossen werden? Wo bist du, wenn Menschen ihr Zuhause, ihr „Dach über dem Kopf verlieren“ und was noch schlimmer ist, wenn sie einen lieben Menschen verloren haben?

Wo bist du, Gott? In den Trümmern, die ein Erdbeben in Syrien und in der Türkei zurückgelassen hat; in den Menschen, die fassungslos nach Worten ringen und nicht mehr weinen können und in ihrem Leben keinen Sinn mehr erkennen können?

Wo bist du, Gott? In den Kindern und jungen Menschen, die Opfer von grausamen Tätern geworden sind, die ihnen ihre unbeschwerte Kindheit zerstört haben? „Männer der Kirche“, die zu erbarmungslosen Tätern geworden sind und für die ihre Vorgesetzten oft mehr Zeit und Erbarmen hatten als für gequälte Kinderseelen?

Wo bist du? Soll ich weiterfragen? Ich werde nicht an ein Ende kommen! Und plötzlich höre ich in mir eine Stimme, die mich fragt: Du, Mensch, wo bist Du?

Habe ich Dir und vielen anderen nicht gesagt: „Ihr seid das Licht der Welt“, und wenn das stimmt, wieso ist es hier dann nicht so hell? Was für ein Geheimnis, dass der Schöpfer des Universums in mir, der so klein ist, daheim ist.

So darf und kann ich deine Hände sein, die helfen und die Wunden heilen, Füße die herbeieilen, um Frieden zu verbreiten, und Arme, die sich weit öffnen, um die willkommen zu heißen, die dort, wo sie daheim waren, nicht mehr bleiben können.

Die Frage ist nicht: Wo bist du, Gott? Wo ist ER? Die Frage, die am Ende des Tages zu mir spricht, vielleicht wie für mich in einem Gedicht, ist: Wo bist Du, Mensch?

 

Hans-Peter Weindorf, Katholische Kirche für Antenne Mainz.