„Sonst werde ich noch krank“

Behrouz Asadi vor dem ausrangierten Rheinschiff, das im Freigelände des „Hauses der Kulturen“ für den Getränkeausschank genutzt wird. Es ist nach seinem verstorbenen Bruder Hormoz benannt. (c) Maria Weissenberger
Behrouz Asadi vor dem ausrangierten Rheinschiff, das im Freigelände des „Hauses der Kulturen“ für den Getränkeausschank genutzt wird. Es ist nach seinem verstorbenen Bruder Hormoz benannt.
Datum:
11. Nov. 2020
Von:
Maria Weissenberger

Als Exil-Iraner weiß Behrouz Asadi, wie es sich anfühlt, die Heimat verlassen zu müssen. Leidenschaftlich setzt er sich als Leiter des Malteser-Migrationsbüros Rheinland-Pfalz/Hessen in Mainz für geflüchtete Menschen ein.

„Frag’ Menschen, wie wir ihnen helfen können“

Manche Leute sagen, ich sei wie ein hyperaktives Kind“, sagt er und lacht. Kein Wunder: Ein Gespräch am Stück ist mit ihm kaum möglich – fast pausenlos klingelt sein Handy. Jemand will wissen, wo die gespendeten Artikel für das Flüchtlingslager Moria abzu holen sind, ein anderer erkundigt sich, ob auch „normale“ Seife gebraucht wird, ein Hotelier, der bereit ist, unbegleitete Flüchtlinge aufzunehmen, hat Fragen.
Behrouz Asadi antwortet geduldig, nimmt dann den Gesprächsfaden wieder auf, als sei nichts gewesen. Er ist es gewöhnt, sich um vieles gleichzeitig zu kümmern, und er scheint es zu genießen. „Ich bin der geborene Organisator, andere suchen meinen Rat und meine Erfahrung, das finde ich gut“, sagt er.
Seit mehr als 30 Jahren arbeitet der 65Jährige bei den Maltesern, und wenn er demnächst in Rente geht, will er sich ehrenamtlich engagieren. „Sonst werde ich am Ende noch krank.“
Warum er nicht aufhören kann, sich für Menschen auf der Flucht zu engagieren? „Es ist menschliche Verantwortung, die mich bewegt“, sagt er. „Frag die Leute nicht, wo sie herkommen – frag sie, wie wir ihnen helfen können“, diesen Grundsatz hat er vom Priester Herbert Leuninger, früherer Migrationsreferent im Bistum Limburg und wie Asadi Mitbegründer der Menschen rechtsorganisation „Pro Asyl“, übernommen. Er hofft, „dass ich meine Leute so ,geimpft‘ habe, dass sie diese wichtige soziale Arbeit mit Herz machen“.
Als „Exilmensch“ weiß Asadi um das Gefühl des Entwurzelt-Seins, diese „innere Verletzung, den Druck auf der Seele, der durch kein Medikament zu behandeln ist“.

Rückkehr in den Iran ist derzeit unmöglich

Als Behrouz Asadi 1975 nach Deutschland kommt, hat er fest vor, in die Heimat zurückzukehren. Er studiert in Mainz Naturwissenschaften und Pädagogik. Noch ehe er einen Abschluss hat, ebnet die Islamische Revolution im Iran dem schiitisch-islamischen Gottesstaat des Ajatollah Chomeini den Weg. Für den jungen Asadi mit seiner demokratischen Haltung ist die Rückkehr unmöglich geworden. Ein zweites Studium der Sozialarbeit ermöglichte ihm den beruflichen Einstieg in die Migrationsarbeit bei den Maltesern. Dass er geborener Muslim ist, fiel erst während der Probezeit auf. Als ihm dann ein Verantwortlicher der Malteser-Zentrale eröffnete, dass man mit seiner Arbeit sehr zufrieden sei, er aber aus arbeitsrechtlichen Gründen katholisch werden müsse, weigerte er sich. „Ich respektiere die Religion, setze mich für den interreligiösen Dialog ein – aber mir eine Religion aufzwingen zu lassen, das ist für mich nicht in Ordnung.“ Bischof Franz Kamphaus habe sich damals für ihn eingesetzt – er behielt die Stelle.

Mit den Auslandseinsätzen, die er seitdem organisierte, ließen sich ganze Zeitungen füllen. Als 2015 mehr Menschen als je zuvor Zuflucht in Deutschland suchten, war Asadi als Helfer auf der Balkanroute aktiv, nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria dieses Jahr organisierte er einen Hilfstransport nach Lesbos. Fünf Gemeinschaftsunterkünfte in Rheinland-Pfalz und Hessen betreut er mit seinem Team, seit der Ausbreitung des Corona-Virus kümmern sie sich um infizierte Bewohner. Das 2018 eröffnete „Haus der Kulturen“ liegt Asadi besonders am Herzen. Es soll ein Ort kultureller Vielfalt sein. Hier werden Geflüchtete mit der hiesigen Gesellschaft und ihren Werten vertraut gemacht.
Von Deutschland aus setzt sich Behrouz Asadi leidenschaftlich für seine Heimat ein: „Das totalitäre System im Namen der Religion muss ein Ende haben, die Hinrichtungen müssen aufhören“, fordert er. Er schreibt ungezählte Briefe, organisiert Demonstrationen. Und gibt die Hoffnung nicht auf, einmal „in Freiheit und Würde in den Iran zurückkehren zu können“. Dann möchte er seine Mutter, die während eines lang erkämpften Besuchs in Mainz bei einem schweren Verkehrsunfall gestorben ist, „in Heimaterde bestatten“. Manche Verluste hat er erlitten, konnte nach dem Tod seiner Brüder Parviz und Hormoz nicht zu deren Beerdigungen reisen. Käme er jetzt in den Iran, müsste er mit Repressalien und Gefängnis rechnen. „Verrückt“ nennen andere oft sein Engagement, das ihn zeitweise Tag und Nacht beschäftigt. Dass er dadurch seine Familie oft vernachlässigt hat, ist ihm bewusst. Und was er an seiner Frau hat, weiß er wohl: „Ohne ihr Verständnis und ihre Unterstützung wäre ich nicht so weit gekommen. Jede andere hätte mich schon längst rausgeschmissen – und mit Recht.“

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 15. November2020. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de