Wo ist Gott im Eisstadion?

Maskottchen (c) Christian Burger
Maskottchen
Datum:
13. Dez. 2018
Von:
Kirchenzeitung Glaube und Leben

Für die einen ist es unbekanntes Gebiet, für andere ein Sehnsuchtswort: Spiritualität. Um dieses Wort besser zu verstehen, verlassen Menschen in der Wetterau die kirchliche Komfortzone. Ein ökumenisches Experiment.

Es ist kalt im Eishockeystadion. Die angeheizte Bad Nauheimer Fankurve singt lauthals „Halleluja!“ und „Hessens wahre Liebe“, um ihre Mannschaft, die Roten Teufel, zu unterstützen. Aber gibt es Spiritualität im Sport? Gemeinsam mit dem evangelischen Pfarrer Dr. Peter Noss und dem katholischen Pastoralreferenten Andreas Münster gehen Interessierte auf Spurensuche. „Freude an Gott – Spiritualität in der Wetterau erleben“ heißt die ökumenische Veranstaltung, die bis Juni 2019 Menschen auch an ungewöhnliche Orte führt.

Da stehen Arbeiter neben Anwälten im Block

Gibt es einen Fußballgott? Sind Tore in letzter Sekunde Wunder? Und hat Pierre de Coubertain, der Initiator der Olympischen Spiele der Neuzeit, wirklich eine „neue Religion“ erschaffen, wie er es vorhatte? Im ersten Moment wirkt der Vergleich zwischen Sport und Religion befremdlich. Doch Sport begeistert, fördert das Gemeinschaftsgefühl, verbindet Menschen. Das ist auch ein Grundgedanke von gelebtem Glauben. So gesehen zeigen sportliche Events und Gottesdienste Parallelen auf. Fans gehen regelmäßig ins Stadion ihrer Mannschaft, feiern, trauern und singen gemeinsam, genauso wie gläubige Menschen beim Gottesdienstbesuch. Für Michael Richly, Beiratssprecher des EC Bad Nauheim, ist es immer wieder beeindruckend, wie verschiedene Gesellschaftsschichten im Stadion zusammenkommen. „Da stehen Arbeiter neben Anwälten im Block und vielleicht noch ein Millionär dazwischen“, sagt er. Außerdem spielen, sagt Pfarrer Noss vom evangelischen Dekanat Wetterau, Fragen der Ethik und Fairness in beiden Bereichen eine große Rolle. Überflüssige Gewalt auf dem Spielfeld wird nicht nur vom Schiedsrichter, sondern auch von den Fans schnell geahndet, und sportliche Rivalitäten bleiben auf dem Eis. Ein Fan merkt lachend an: „Nach dem Spiel stehen wir doch wieder alle in derselben Toilettenschlange.“ Ein entscheidender Unterschied bleibt der Konkurrenzgedanke und der Wunsch zu gewinnen. „In der Spiritualität geht es zwar auch um einen ,inneren‘ Gewinn, der geht aber nicht auf Kosten anderer“, erklärt Pastoralreferent Andreas Münster.

„Tiefe, unbeschreibliche Gefühle“

Fangesänge sind vielleicht die direkteste Verbindung zwischen Sport und Religion. Es sind motivierende Botschaften an die eigene Mannschaft. Manchmal auch Schmähungen in Richtung der Gegner, aber meistens prägnante Melodien, die einfach zu singen sind. Ein Stadionbesuch bietet den Fans die Chance, „fast völlig abzuschalten von den alltäglichen Dingen, weil das schnelle Spiel eine hohe Konzentration erfordert“, erklärt Teilnehmer Wolfgang Dittrich. Die häufige Wiederholung eines Refrains vergleicht er mit einem Gottesdienst, den er in Indien erlebt hat. Häufig ist im Stadion von „tiefen, unbeschreiblichen Gefühlen“ die Rede, sobald die Gesänge einsetzen. Eine direkte Verbindung zwischen ihrem „Halleluja“ und Gotteslob sehen die Fans jedoch nicht. Einig sind sich alle, und Pas-
toralreferent Andreas Münster bringt es auf den Punkt: „Man kommt anders, als man geht, so wie nach einem Gottesdienst.“

von Christian Burger

Infos zur Veranstaltung „Freude an Gott“

Weitere Beiträge lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben" vom 16. Dezember 2018

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