Zugehen auf etwas Größeres

Trauerraum
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Datum:
15. Okt. 2021
Von:
Anja Weifen/ Kirchenzeitung

Karl-Heinz Feldmann hat die Palliativstation an der Universitätsmedizin in Mainz mit aufgebaut. Der Pastoralreferent spricht über den Stellenwert der Seelsorge im Krankenhaus und über seine Erfahrungen mit Sterbenden.

Seine berufliche Laufbahn dem Sterben widmen – wie kommt jemand dazu? Wie bleibt man dabei? Karl-Heinz Feldmann ist Pastoralreferent, Klinikseelsorger an der Mainzer Universitätsmedizin. Am 1. Oktober hat seine passive Altersteilzeit begonnen. Er blickt auf 28 Jahre Seelsorgedienst an der Universitätsmedizin Mainz zurück. 2005 startete dort die Palliativstation. Da hatte Feldmann bereits zwölf Jahre Seelsorgedienst hinter sich. Vor allem auf der Station für innere Medizin machte er Erfahrungen, die seine Arbeit auf der späteren Palliativstation prägen sollten.

"Mein Schwerpunkt auf der inneren Station war in der Infektiologie die Arbeit mit Aidspatienten. Dadurch wurde ich Zeuge von Sterbesituationen. Auch jüngere Patienten starben, die so alt waren wie ich damals“, erinnert sich der Pastoralreferent. „Solche Situationen können alle Beteiligten nur bewältigen, indem das jeweilige Team aus Pflegekräften, Ärzt:innen, Seelsorger:innen gut zusammenarbeitet.“ Sterbesituationen sind existenzielle Situationen, die Menschen – den Sterbenden, die Angehörigen, das Ärzte- und Pflegeteam, alle Beteiligten – zusammenführen, betont Feldmann. „Es sind sehr dichte Erfahrungen, sehr schmerzliche, aber auch sehr erfüllte.“ Die Seelsorge bringe dabei schon mit ihrer Rolle und ihrer Präsenz diese wichtige Hoffnungsperspektive ein: dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

Was ihn bei der Begleitung von Aidspatienten sehr berührt hat, war die Erfahrung, als katholischer Seelsorger akzeptiert zu sein, auch vom Krankenhauspersonal. „Trotz der Vorbehalte gegenüber der katholischen Kirche wegen der ihr eigenen Einstellung zur Homosexualität gab es diese Akzeptanz. Vorurteile spielten in diesen Momenten keine Rolle.“ Er sei vom Pflege- und Ärzte-Team als Seelsorger nicht nur geduldet gewesen, sondern aktiv zu diesen Sterbesituationen hinzugezogen worden.

 

Trotz Vorbehalten gegenüber der Kirche

Karl-Heinz Feldmann1 (c) privat
Karl-Heinz Feldmann1

„Meine Arbeit auf der inneren Station mit Aidspatienten war eine wichtige Voraussetzung, um mitzuhelfen, die Palliativstation aufzubauen.“ Das habe ihn ein Stück weit dafür prädestiniert. Auch die gute Zusammenarbeit habe ihn bewogen, sich auf diesem Gebiet weiterzuentwickeln.In Deutschland hat die Palliativbewegung recht spät Fuß gefasst, im Unterschied zu Großbritannien oder den USA. „Die Palliativbewegung ist vom Konzept her ein ganzheitlicher Ansatz“, erklärt der Pastoralreferent. „Spiritualität wird dabei als wichtige Ressource des Menschseins, vor allem in Krisen, bei Krankheit und im Sterben gesehen.“ Daher gebe es gar keine Palliativversorgung ohne Seelsorge. Dies beziehe sich aber nicht nur auf Seelsorge als berufliche Fachdisziplin. Auch dass sich Ehrenamtliche in der Sterbebegleitung einbringen, sei gewünscht. „So ein Engagement zeigt die Solidarität der Lebenden mit den Sterbenden.“ Zurzeit gibt es 20 geschulte Ehrenamtliche in der Sterbebegleitung auf der Palliativstation der Universitätsmedizin Mainz. Insgesamt sieben Kurse fanden seit der Eröffnung der Station statt. „Die Helferinnen und Helfer sind eine große Hilfe für die Pflegekräfte“, weiß Feldmann.

Es gibt keine Palliativversorgung ohne Seelsorge

Aber wie verkraften Menschen den ständigen Umgang mit dem Sterben im Beruf? Karl-Heinz Feldmann redet die Aufgabe nicht klein. „Auf der Palliativstation sterben Menschen jeden Alters. Das ist schon eine hohe Herausforderung. Vor allem, wenn Menschen vor ihrer Zeit gehen, wenn sie sich aufbäumen gegen den Tod.“

Seelsorge auf der Palliativstation ist nicht nur für die Sterbenden und ihre Angehörigen gedacht, sondern auch für das Krankenhauspersonal. Karl-Heinz Feldmann verweist auf die vielen Tür- und Angelgespräche, die er als Klinikseelsorger geführt hat. Aber wie ist er selbst mit dieser Herausforderung klargekommen? Trägt ihn sein Glaube? Es geht nicht um wohlfeile Worte, antwortet der Seelsorger. „Es gibt Grenzsituationen, wenn etwa eine Mutter mit drei kleinen Kindern stirbt. Dann stellt sich mir schon die Warum-Frage. Dann klingt ein Gebet mehr nach einer Frage als nach einer Antwort.“ Dennoch hätte er ohne seinen Glauben so eine Arbeit mehr als 20 Jahre lang nicht machen können. Zudem erlebte er in der Klinikseelsorge Verwandlungsprozesse. „Für mich ist es ein tiefes Geheimnis, dass es eine Kraft im Menschen gibt, die es ihm gelingen lässt, diesen Weg zu gehen. Es ist ein Geheimnis, dass wir im Sterben auf etwas Größeres zugehen.“ Feldmann spricht von ungefähr 80 Prozent der Sterbefälle, bei denen er diese Kraft, diese Verwandlung, erlebt hat. „Auch bei nicht-religiösen Menschen, die dafür gar keine Vokabeln, keine Gottesbilder hatten. Das ist eine verblüffende Erfahrung. Das ist etwas, auf das ich mich in meiner Arbeit zunehmend verlassen konnte.“

In seiner passiven Altersteilzeit bleibt Karl-Heinz Feldmann seinem Einsatz für die Seelsorge in der palliativen Versorgung treu. Zusammen mit einem Kollegen ist er sehr eingebunden in die Aus- und Fortbildung von Seelsorgern auf diesem Gebiet. Ein großes Anliegen ist ihm, dass Seelsorge und Spiritual Care in der Palliativversorgung eine offizielle Anerkennung als Fachweiterbildung bekommen, dass dieser Dienst vielleicht in Zukunft auch von den Krankenkassen mit abgerechnet werden kann. Dafür sei die fachliche Qualifikation eine Voraussetzung.

Dass die Kirche die Krankenhausseelsorge wie bisher finanziert, darauf sei kein Verlass, so der Pastoralreferent. Im Bistum Mainz etwa sei im Zuge des Strukturprozesses Pastoraler Weg abzusehen, dass auch bei der Krankenhausseelsorge eingespart wird. „Geplant ist, dass bis 2030 von den sechseinhalb Klinikseelsorger-Stellen in Mainz, an der Universitätsmedizin und dem Marienhaus Klinikum, nur drei bis vier übrigbleiben.“ Schon die bisherige Arbeit erfolge nicht flächendeckend, 2030 werde sich dies verschärfen. „Mit dem Ehrenamt kann das nicht kompensiert werden, denn es braucht Fachkompetenz“, ist Feldmann überzeugt.

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 17.Oktober 2021. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de

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