Mitten auf dem Synodalen Weg sind Denklabore und Herzkammern frei zu besichtigen. In der Zukunfts-Werkstatt Kirche wird gestritten. Wie viel Treue zur Tradition? Reichen Veränderungen? Braucht es gar den Bruch des Rechts? In Frankfurt wird darüber offen gestritten. Ein Besuch an der Werkbank.
Bischöfe im Positionieren. Für alle sichtbar werden Markierungsflaggen geschwenkt. Da ist der Bewahrer einer alten Tradition. Rainer Maria Woelki. „Wir sind nicht frei floatend“, sagt er. Es gebe eine bestimmte Form der Kirche. In der Frage nach einem Amt für Frauen in dieser Kirche bemüht der Kölner Kardinal die Bibel: „Maria Magdalena war die Erstzeugin des leeren Grabs. Erstzeuge der Auferstehung ist Petrus.“ Bischof Georg Bätzing widerspricht. Er wolle keine „Engführung“ der biblischen Bilder. Es gebe nicht nur das Johannes-Evangelium. Man müsse „theologisch sauber“ bleiben und „nicht eine Richtung gegen die andere ausspielen“.
Wer mit seiner Sicht nun näher beim Papst und dessen Würdigung Mariens als „Apostolin der Apostel“ ist? Brigitte Vielhaus, Geschäftsführerin des Frauenverbands kfd, leuchtet noch weiter: „Wir reden, als gäbe es nur eine wahre Tradition.“
Die spannende Fachdebatte findet jedoch unter vielen Frauen im Raum nur wenig Nachhall. Sie blicken nicht auf die Lehre, sie erinnern ans Leben. Und an die treuen Frauen. „Die Engsten, die uns noch verbunden sind, stehen draußen vor der Tür. Die anderen kommen gar nicht mehr“, sagt die ZdK-Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel. Auch Bischof Bätzing ist den Frauen „dankbar“, dass sie „als Wache“ mahnend vor der Tür stehen. Theologische Gefechte oder Anpassung an das Leben der Welt? Eine Spreizung, die sich den Tag über prägend durchhält.
Diskutiert wird das Predigtverbot für Laien. Frankfurts Stadtdekan Johannes zu Eltz kennt seinen Codex Iuris Canonici (CIC). Wenn das „contra legem“ – gegen das Gesetz – sei, dann müsse man das Gesetz ändern und nicht drumherumlavieren. Zu Eltz hält es „für falsch“, Nichtgeweihte „von der Homilie auszuschließen“. Und er bekennt, er habe nicht immer so gedacht. Doch die pastorale Praxis hat ihn gelehrt, dass es sehr viele fähige Pastoralreferentinnen gibt, die auch predigen könnten. Und es noch nicht dürfen. Wer setzt sich durch? Jene, die die Tische des Wortes und des Brotes als Einheit sehen und deshalb nur den Priester beide bereiten lassen? Oder jene, die sagen: Wir können es uns nicht mehr leisten, so viel Kompetenz der Nichtgeweihten in der Auslegung des Evangeliums nicht zu nutzen? Wie viel Dogmatik muss sein und wie viel „Damaskus“ – pastorale Umkehr – mag sich noch ereignen auf diesem Weg?
Zwischen Fruchtbarkeit und Ehe-Ideal setzt Michael Müller den Kontrapunkt. Der Pfarrer von Bad Soden-Salmünster spricht von „viel Verlogenheit“ in der „hehren Sexualmoral“ der Kirche. Müller: „Gott ist die Liebe. Aber über Jahrhunderte haben wir anderes gesegnet. Da haben die Felder zueinander gepasst, nicht die Menschen.“ Müller erzählt auch von seiner Erfahrung bei Gesprächen zur Ehevorbereitung: „Ich habe noch nie ein Paar getraut, das erst nach der Hochzeit zusammenziehen wollte.“ Ob er denen jetzt sagen solle, sie lebten in schwerer Sünde?
Für viele Nichttheologen indes ist klar: „Das sind Debatten, die außerhalb dieser Räume gar nicht mehr wahrgenommen werden. Da hat Kirche nix zu sagen.“ Deshalb werben viele darum, in Sachen Sexualität nicht länger Vorschriften zu machen, sondern lieber Menschen zu begleiten. Und die Diskriminierung all jener zu beenden, die nicht nach der alten Lehre leben wollen und können. Daniela Ordowski, Vorsitzende der Katholischen Landjugend, markiert den Punkt: „Kirche maßt sich an, die ideale Beziehung zu definieren. Es sollte aber darum gehen, Realitäten wahrzunehmen.“ Pfarrer Werner Otto aus Frankfurt spitzt zu: „Vielleicht stimmt da mit der Lehre was nicht … statt den Leuten zu sagen, dass mit ihnen was nicht stimmt.“ Brigitte Vielhaus spricht aus, was viele denken: „Wer erlaubt eigentlich wem was? Wir sollten die Sexualität dahin geben, wo sie hingehört: in das liebende Miteinander der Liebenden.“ Und folglich: „Macht es nicht Sinn, sich in Fragen der Sexualmoral in Demut zurückzuhalten?!“ Zu schweigen. Gespräche zwischen Lehre und Leben. Bewahren, verändern, Bruch? Wie viel Papiere müssen geschrieben werden? In welcher Sprache? Wozu sollte Kirche schweigen? Und für wen Partei ergreifen? Die Debatten an der kirchlichen Werkbank bleiben spannend. Das Fazit von Johannes zu Eltz: „Mir hat es heute Spaß gemacht. Ich finde, es kann so weitergehen.“
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 13. September 2020. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de