Worms ist heute ein kleines lokales Städtchen, das europaweit eher unbekannt ist. Das war vor 900 Jahren anders. In Worms wurde europäische Geschichte geschrieben, die bis heute nachwirkt. Davon zeugt der kleine Ausschnitt im Geschichtsfenster des Doms.
seit dem frühestens Mittelalter hatten Kaiser, Könige und Fürsten das Recht, die Bischöfe und Äbte auf ihrem Gebiet einzusetzen. Der Grund dafür lag in der gleichzeitigen Übergabe von Grund und Boden, den Nutzungsrechten für Gebäude und Landwirtschaft. Das hatte natürlich auch etwas mit Macht zu tun: Wem vertraue ich meine Besitztümer an? Wer ist mir treu und macht was ich sage? Das ganze war auch ein lukratives Geschäft: Wer Bischof oder Abt werden wollte, musste an den König ordentlich Geld zahlen. Es ging aber nicht nur um Geld und Macht. Heinrich III fand eine völlig zerstrittene Kirche vor, in der gleich drei Päpste sich gegenseitig beharkten. Umgekehrt waren Könige und Kaiser und Fürsten auch abhängig von den Bischöfen, da sie nicht selten ihren Machtanspruch religiös begründeten. Ein König, dem vom Papst bescheinigt wurde, er sei nicht länger derjenige, den Gott an dieser Stelle haben wollte, bekam ein Problem. Dem nicht genug: Der König und Kaiser musste auf seine eigenen Herzöge und Fürsten achten, die immer wieder gegen ihn aufbegehrten und eigene Interessen verfolgten. Also eine recht komplizierte Gemenenlage.
Im sogenannten Investiturstreit ging es darum, wer darf wen in ein bestimmtes kirchliches Amt einsetzen oder sogar wieder absetzen. Der König - oder der Papst / die Kirche?
Der ganze Streit nahm ab dem Jahr 1074 überaus ungeschmackliche Züge an: König Heinrich IV setzte erst den Papst Gregor VII auf dem Reichstag zu Worms ab. Dann schloss der Papst den Kaiser aus der Kirche aus und entband alle seine Fürsten von ihrem Treueeid. Es wurde ein Gegen-König, und auf der anderen Seite ein Gegen-Papst eingesetzt. Es kam zu Kämpfen zwischen dem König und einigen Fürsten.
Im Jahr 1122 legten Papst und Kaiser ihren Streit zumindest vorläufig bei. Das Wormser Konkordat markiert einen Meilenstein im Verhältnis Staat - und Kirche. Nicht mehr der Kaiser, sondern die Kirche bestimmt, wer Bischof / Abt wird. Der Kaiser entscheidet nur noch, wenn keine Einigung erzielt wird. Umgekehrt bleibt in Fragen der weltlichen Macht der Kaiser allein derjenige, der das Sagen hat. Erhält der Bischof neben seinem Amt auch Grundstücke und Ländereien, muss er dem Kaiser den Treue- und Lehenseid ablegen.
Wie gesagt: Es ging nicht nur um Worms, oder Deutschland. Es ging um Regelungen, die ganz Europa betrafen.
Einerseits ja, andererseits ist das Problem nicht ganzklar zu lösen und zeigt sich in anderem Gewand.
Darf in der Schule, einer Behörde oder einem Gerichtsgebäude ein Kreuz aufgehängt werden?
Darf ein Lehrer am Anzug ein Kreuz tagen, oder eine Lehrerin ein muslimisches Kopftuch?
Wie weit geht das Selbstbestimmungsrecht kirchlischer Kindergärten und Schulen? Wer bestimmt nach welchen Regeln? Wer wird eingestellt und wie sind Grundinhalte definiert?
Ist ein kirchlisches Arbeitsrecht zulässig?
Gibt es überhaupt eine Verantwortlichkeit von Politik und Verwaltung vor Gott?
Wann darf Kirche sich in Politik einschalten, und wo muss Politik die Religionsfreiheit achten?