Der Höhepunkt des Kirchenjahres ist das Fest der Auferstehung des Herrn. Weil Ostern die Grenzen unserer Vorstellungskraft sprengt, bedarf es einer Zeit sich diesem Mysterium zu nähern, um auch nur anfanghaft zu fühlen, was dann 50 Tage gefeiert wird.
Die Fastenzeit (oder "österliche Bußzeit") ist nicht Verzicht und Besinnung um des Verzichts und der Besinnung willen, sondern der Weg nach Ostern. Die Stichworte „Weg“ und „Ostern“ leiten uns direkt weiter zu der Erzählung von den Emmausjüngern. Ein toller Text, der zwar sehr bekannt ist, der aber aufgrund seiner Position am Ostermontag häufig nicht in einer Predigt eigens betrachtet wird. Dabei gebe es auch hier viel zu sagen! So möchte ich einige Gedanken als Proviant für den Weg mitgeben.
V 13: Und siehe, am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg…
Das gesamte 24. Kapitel im Lukasevangelium spielt am Ostertag. Dem entsprechend überschlagen sich hier fast die Ereignisse. Gerade noch ist der Leser/ die Leserin mit den Frauen am leeren Grab und sieht sie zu den Jüngern laufen. Dann wird von Petrus berichtet, der Nachforschungen anstellt und verwundert die verwaiste Begräbnisstätte verlässt, weil er alles so vorgefunden hat, wie ihm berichtet worden war.
Genauso wie Petrus sind auch zwei andere, nicht näher benannte, Jünger auf dem Weg. Während der Felsenmann allerdings zu seinem (geistigen) „Zuhause“ (V 12) in Jerusalem unterwegs ist, wollen die Emmausjünger die Heilige Stadt hinter sich lassen. Direkt entfernen sie sich ca.12 km, wer weiß, wie viele es schon am nächsten Tag sein werden.
Moment mal …
Man möchte fast „Halt!“ rufen. Warum entfernen wir uns als Leser gerade von Jerusalem? Wir möchten nicht mitgehen! Lukas zeigt uns das leere Grab, berichtet von Engelserscheinungen und der ungeheuerlichen Botschaft, dass man den Gekreuzigten nicht unter den Toten suchen solle, nur um uns dann zwei Wanderer auf dem Weg zu zeigen?! Viel eher möchten wir doch bei Petrus und dem Rest am Ort des Geschehens bleiben, möchten wissen, wie sich nun die Situation aufklärt.
V 15: … kam Jesus selbst hinzu und ging mit ihnen.
Natürlich bestimmen die Ereignisse der letzten Tage ihre Gespräche. Aber es wirkt doch mehr wie ein Aufarbeiten der Geschehnisse. Doch dann, erst am hinteren Teil des Verses, tritt der lebendige Jesus zu der Szene hinzu. Als Jesus letztmalig in einer Szene sichtbar war, wurde er begraben! Wir empfinden das nicht so tief, weil die Erzählung von den Emmausjüngern am Ostermontag verlesen wird und wir schon in der Osternacht und am Ostersonntag von Erscheinungen des Auferstandenen gehört haben, aber im Lk-Ev. ist dies tatsächlich der erste Auftritt des Auferstandenen!
V 19: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet…
Aber der Begleiter macht keinen großen Eindruck. Sie unterbrechen nicht einmal ihr Gespräch. Erst als er sie aktiv fragt, darf er mitreden. Ihre Antwort hört sich fromm an, ist aber nach Jüngerschaft und intensiver Belehrung durch den Meister mehr als enttäuschend. Wenn sie Jesus nur für einen Propheten halten, haben sie auch nur wenig verstanden. Es ist tragisch, dass sie hier gerade mit dem Auferstandenen reden und ihm unwissentlich sagen, er sei zwar ein großer Prophet, aber mehr eben auch nicht.
V 23: Als sie zurückkamen, erzählten sie … Engel … hätten gesagt, er lebe.
Es wird immer doller! Als die Emmausjünger aufbrachen, hatte uns der Text nicht mitgeteilt, dass sie noch mitbekommen haben, wie erst die Frauen, dann Petrus und schließlich weitere Jünger (V. 24: „einige von uns“) bestürzt vom Grab zurück kamen und es leer vorfanden. Dass irgendetwas passiert sein muss, hat sie nicht davon abgehalten Jerusalem zu verlassen. Diese zwei Jünger haben mit Jesus abgeschlossen.
V 31: Da wurden ihre Augen aufgetan und sie erkannten ihn
Die neue Bekanntschaft hat dann doch Eindruck auf sie gemacht. Gerne würde man die Unterhaltung beim Abendbrot vertiefen. Natürlich lässt Jesus sich nicht lange bitten. Der Weg war ja nie sein Ziel. Es ging ihm immer nur um die beiden verlorenen Jünger, denen er wie ein guter Hirte nachgelaufen ist. Da sie ihn durch Worte noch nicht erkannt haben, fährt er mit einer Handlung fort. Vor dem Essen wird er zum Tischherrn, der das Mahl koordiniert. Dabei sehen sie den Fremden endlich mit anderen Augen, erkennen ihn und begreifen, dass sie im Brot tatsächlich Jesus begegnen.
V 33: Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück
Jetzt hält die Emmausjünger nichts mehr in der Ferne. Sie geraten in die neue Dynamik von Ostern, welche sie zurück an ihren Bestimmungsort zieht.
Die Erzählung von den Emmausjüngern ist uns als Ostererzählung bekannt. Ich meine aber, dass sie auch für die Fastenzeit Impulse setzen kann. Häufig sind wir auf dem Weg zu unserem persönlichen Emmaus, eine Sache oder eine Entwicklung, welche uns von Jesus entfernt. Gerade in der Fastenzeit geht es darum, solche Wege zu erkennen und von ihnen umzukehren.
Selbst wenn es ein Weg ist, der uns von unserem Ziel entfernt, unbemerkt ist Jesus dabei. Als Augenöffner und Herzenbefeuerer bietet er uns sein Wort und die hl. Eucharistie an. Hören und Ergreifen müssen wir letztlich selber, aber der Umschwung kann schon mit der Bitte: „Bleibe bei uns!“ (V 29) beginnen. Machen wir uns auf den Weg von Emmaus nach Jerusalem! Damit wir dann wie die Jünger an Ostern tief überzeugt sagen können: „Der Herr ist wirklich auferstanden!“ (V 34).