„Es ist Luxus, Platz zu haben“

Gotteshäuser sind mehr als Versammlungsräume. Das spüren Gemeinden vor allem, wenn es um die Zukunft von Kirchengebäuden geht.

Sakraler Ort in teurer City: die katholische St. Patrick’s Cathedral in New York, fotografiert von Regina Heyder (c) Kirchenzeitung Glaube und Leben
Sakraler Ort in teurer City: die katholische St. Patrick’s Cathedral in New York, fotografiert von Regina Heyder
Datum:
Mi. 2. Aug. 2017
Von:
Kirchenzeitung "Glaube und Leben"
Regina Heyder, Theologin aus Mainz, ist überzeugt: Nur genutzte Kirchen bleiben erhalten.

Wolkenkratzer sind auf den Fotos zu sehen. Regina Heyder zeigt Bild für Bild auf ihrer Kamera. Immer wieder ragen filigrane Kirchtürme zwischen Hochhäusern auf. Die Bilder hat sie bei einem Besuch in New York gemacht. „Mich hat beeindruckt, dass sich Kirchen in Top-Lagen befinden, für die andere horrende Mieten oder Grundstückspreise zahlen müssen“, sagt die Theologin aus Mainz. Sie fügt hinzu: „Kirchen gehören zu den wenigen Orten, die noch nicht ökonomisiert sind.“ Heute sei es Luxus, Platz zu haben.

Regina Heyder ist gerade mittendrin im Thema „Kirchengebäude“. Sie war Mitglied der Jury beim bundesweiten Wettbewerb „Kirchengebäude und ihre Zukunft“, der 2015 von der Wüstenrot Stiftung ausgeschrieben worden ist. Erst vor einigen Tagen diskutierte sie mit auf der Sommerakademie der Stiftung in Wittenberg zum selben Thema.

„Die Mitarbeit beim Wettbewerb hat mir gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die Kirchen erhalten wollen.“ Das hat seinen Grund: Kirchen bedeuten nicht nur Gläubigen und Gemeindemitgliedern etwas. Gotteshäuser gehören zum Stadtbild oder sind Dorfmittelpunkt. An ihnen hängen Erinnerungen. Kirchen bilden Geschichte ab. Menschen suchen sakrale Räume auf, auch wenn sie keiner Religion angehören. „Einträge in Fürbittbüchern und die Kerzen, die Besucher in Kirchen anzünden, zeigen ein spirituelles Interesse am Kirchenraum – auch von religiös nicht Gebundenen“, betont Regina Heyder. Den Erhalt von Kirchen sieht sie deshalb als Gemeinschaftsaufgabe der Gesellschaft. „Wenn man bedenkt, dass die beiden großen Kirchen rund 45 Millionen Mitglieder in Deutschland haben, und es etwa 44 000 Kirchen gibt, dann kommt auf etwas mehr als 1000 Christen eine Kirche.“ Von diesen 44 000 Kirchen sind 40 000 denkmalgeschützt, weiß sie.

Doch schon länger treibt viele Kirchengemeinden die Sorge um, ihren Gebäudebestand nicht mehr in dem Maß erhalten zu können wie früher. Die Zahl der Christen in Deutschland wird laut Prognosen geringer. Für viele Gemeinden sind schon jetzt die Gotteshäuser zu groß. Das ist ein Trend, dem sich Gemeinden wohl oder übel stellen müssen.

Der Wettbewerb der Stiftung Wüstenrot „Kirchengebäude und ihre Zukunft“ trägt die Unterzeile: „Sanierung – Umbau – Umnutzung“. In diesen drei Kategorien wurden evangelische und katholische Kirchen bundesweit ausgezeichnet. Die Ergebnisse sind in einer Broschüre zusammengefasst, die beispielhaft sanierte, umgebaute oder umgenutzte Gotteshäuser zeigt. Auch eine Wanderausstellung präsentiert die Preisträger. Die dort erläuterten Kirchen zeigen auch, welche „pastoralen Chancen“ aus umgestalteten Kirchen erwachsen. Regina Heyder: „Dass sich viele Menschen an Umgestaltungsprozessen beteiligen, kann eine Gemeinde sehr beleben. In einer Kirche, die beim Wettbewerb ausgezeichnet wurde, hat sich die Zahl der Gottesdienstteilnehmer um das drei- bis vierfache erhöht, und eine Dorfkirche ist jetzt so anziehend, dass sie fast schon wieder zu klein ist.“

Die Theologin plädiert dafür, gemeinsam kreativ zu werden. „Damit gute Ideen entstehen, reicht es nicht, wenn nur Pfarrer und Architekt sich zusammensetzen.“ Vor allem die Nutzerinnen und Nutzer einer Kirche müssten mit ins Boot. Die Nutzung einer Kirche nur an den Zahlen der Priester in einer Diözese zu messen, sei nicht ausreichend. „Es gibt außer der Eucharistie viele weitere Gottesdienstformen, die in einem Gotteshaus gefeiert werden.“ Zudem nutzten nicht nur Gottesdienstmitfeiernde eine Kirche. „Die Öffnung von Kirchen für andere Nutzer ist eine präventive Maßnahme zum Erhalt von Kirchen“, ist Heyder überzeugt.

Wichtig sei es für eine Gemeinde, sich ihrer eigenen Rolle bewusst zu werden. „Sind wir künftig Gastgeberin, Partnerin oder selbst Gast?“ Dann wird es leichter fallen, Ideen zu entwickeln, um Kirchen auf lange Sicht zu erhalten. Heyder: „Die Frage nach dem Erhalt von Kirchen muss gestellt werden, lange bevor problematische Situationen entstehen.“ Nur genutzte Kirchen würden erhalten, deshalb sollten kirchliche und nichtkirchliche Akteure alles tun, um den Nutzen von Kirchen sichtbar zu machen.

Die Wanderausstellung „Kirchengebäude und ihre Zukunft“ ist bis 5. September in der Exerzierhalle in Wittenberg zu sehen. Die Wanderausstellung auszuleihen ist kostenlos. Kontakt: Verena Gantner, Telefon 0714116 / 75 65 04, E-Mail: infowstg@wuestenrot.de 

Von Anja Weiffen

Den ganzen Beitrag mit weiteren Hintergründen lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben" vom 6. August 2017.

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