Farbe bekennen. Ökumenischer Festgottesdienst

Gemeinsame Predigt von Weihbischof Bentz und Kirchenpräsident Jung

Farbe bekennen - Ökumenischer Gottesdienst beim Rheinland Pfalz Tag 2016 (c) Bistum Mainz
Farbe bekennen - Ökumenischer Gottesdienst beim Rheinland Pfalz Tag 2016
Datum:
Sa. 4. Juni 2016
Von:
Internetredaktion
Die Gesellschaft wird immer bunter. Was es bedeutet, unter diesen Bedingungen „Farbe zu bekennen“, das war Thema des ökumenischen Gottesdienstes mit Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz und Kirchenpräsident Dr. Volker Jung (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau). Nicht nur viele musikalische Beiträge, auch der Illuminationskünstler Jürgen Scheible ließen diesen Gottesdienst zu einer wahrhaft „bunten“ Erfahrung werden. Die Predigt der beiden Kirchenvertreter lesen Sie hier:

 

Farbe bekennen - Gemeinsame Predigt im ökumenischen Gottesdienst anlässlich des Rheinland-Pfalz-Tages 2016 in Alzey, Samstag, 4. Mai 2016, 10.00 Uhr Nikolaikirche

 

Teil 1: Kirchenpräsident Dr. Volker Jung

(zur Schöpfungsgeschichte: Genesis 1,1 - 2,4a)


Liebe Gemeinde,
diese wunderbaren Worte, die vor etwa 2.500 Jahren aufgeschrieben wurden, sind keine naturwissenschaftliche Erklärung, wie die Welt entstand. Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich gehört, wie jemand in einer Talkshow gesagt hat: „Ich kann die Menschen nicht ernst nehmen, die daran glauben, dass die Welt in sechs Tagen entstanden ist.“ Immer noch ist dieses Missverständnis verbreitet, als wäre dies die Botschaft der Worte, die wir gerade gehört haben. Ja, ich weiß, es gibt auch Christenmenschen, die meinen, man würde der Bibel nur gerecht, wenn man das wörtlich nimmt. Darauf würde ich sagen: Weit gefehlt. Darum geht es nicht. Die alte Bibel hat ganz andere Botschaften. Um die geht es. Und das sind Botschaften, die gelten auch, wenn wir wissenschaftlich mehr und anderes über die Entstehung der Welt wissen. Die Schöpfungsgeschichte gibt keine Erklärung auf die Frage, wie die Welt entstanden ist. Sie regt an, darüber nachzudenken: Wie verstehst du dich und dein Leben mitten in dieser Welt?

Drei kurze Impulse aus dieser alten Erzählung greife ich für uns heute Morgen auf.

I.
Diese Welt ist ein Ort des Lebens. Und das ist ein wunderbares Geschenk – jeden Tag neu.
Viel, viel mehr als wir heute, haben die Menschen früher, ihr Leben als bedroht angesehen – vor allem vor der elementaren Naturgewalt des Wassers. Sie haben ja gedacht, dass sie überall von Wasser umgeben sind. Es kann „von unten“ kommen, wenn das Wasser aus Flüssen und Meeren das Land überschwemmt und „von oben“, wenn sich die Schleusen des Himmels öffnen. Man dachte ja auch, dass der Himmel oben aus Wasser sei. Dass dies aber nicht so ist, dass es inmitten der großen Urflut einen Ort des Lebens gibt – ist etwas ganz Besonders. Und dass, so sagten sie, haben wir unserem Gott, unserem Schöpfer zu danken. Gott hat uns inmitten von allem Chaos diesen Ort des Lebens geschenkt und Gott sorgt dafür, solange wir leben, dass das Chaos nicht alles verschlingt.
Ja – wir spüren es auch immer wieder, die elementaren Gewalten. Jedes Hochwasser, und wir haben ja ganz aktuelle Bilder vor Augen, zeigt uns, welch zerstörerische Kraft in der Natur steckt. Wasser, Wind, Erdbeben, Hitze können Schlimmes anrichten. Das wissen wir. Auch wenn wir sagen würden: Wir leben doch in einem Teil der Erde, bei dem sich das bisher in Grenzen hält. Wir wissen mehr über die Zusammenhänge. Das kann uns etwas von der Urangst nehmen, von heute auf morgen im Chaos zu versinken. Und trotzdem: Mich regt allerdings dieser alte Text an auch neu immer wieder darüber zu staunen, wie großartig diese Welt ist – welch ein besonderes Geschenk! Kein Chaos – und – soweit wir wissen – ein einzigartiger Ort inmitten eines riesigen Universums: ein wunderbarer Planet, ein blauer Planet, ein farbenfroher Planet, ein Planet voller Leben! Ich weiß es nicht, aber ich glaube es: kein Produkt eines blinden Zufalls, sondern ein Gottesgeschenk!

II.
Und dann gibt diese alte Erzählung über den Anfang der Welt einen zweiten Impuls. Die Anregung, die Augen zu öffnen, für den Rhythmus und die Farben und die Vielfalt dieser Welt und des Lebens. Da ist der wunderbare Rhythmus von Tag und Nacht, von Hell und Dunkel, von Betriebsamkeit und Ruhe. Da ist der herrliche Wechsel der Jahreszeiten mit dem Spiel von Kälte und Wärme und dem Spiel des Lichts. Da ist das Grün der Pflanzen und die unglaubliche Vielfalt der Pflanzen mit ihren Farben – auf den Feldern, in den Wäldern, in den Gärten und Weinbergen. Und es gibt die Tiere auf dem Land, im Wasser und in der Luft – in einer unglaublichen Vielfalt. Ja – selbstverständlich wussten die Menschen damals auch und haben es erlebt, dass Tiere gefährlich sein können und dass Mücken in der Nacht stechen (Das ist für mich persönlich immer eine Anfechtung!). Aber trotzdem: Eigentlich ist alles wunderbar – gerade auch durch das und mit dem, was nicht kuschelig und niedlich ist. Diejenigen, die die alte Erzählung gestaltet haben, haben auch das mit einem großen Satz des Glaubens gesagt. Gott sah an alles, was er gemacht hat: Es war sehr gut!

III.
Und so haben sie schließlich – und das ist für mich der dritte Impuls – aus diesem Text, auch etwas über den Menschen gesagt. Was sind die Menschen im Ganzen dieser Welt? Die Antwort: Menschen verdanken sich ihr Leben nicht selbst. Sie sind Teil dieser Welt, Teil dieses großartigen Geschenk des Lebens, Teil der wunderbaren Schöpfung Gottes. Und sie sind selbst Teil der Vielfalt. Auch der Mensch ist nicht einer. Menschen sind geschaffen als Mann und Frau. Und wir können, ja wir müssen sogar in der Linie der alten Erzählung hinzudenken, wie die Bibel dies dann auch tut, sie sind geschaffen in einer bunten Vielfalt – mit vielfältigem Aussehen, unterschiedlichen Haut- und Haarfarben, mit unterschiedlichen Sprachen und Prägungen. Und wir tun meines Erachtens wirklich gut daran, auch Menschen, die nicht so sind wie die Mehrheit – etwa homosexuelle Menschen – als Teil dieser guten Schöpfung Gottes zu verstehen. Ich weiß: Das steht so nicht da. Aber für mich ist eine zentrale Botschaft dieser alten Erzählung: Nehmt das Leben, nehmt die Menschen in ihrer Vielfalt wahr! Allen ist das Leben auf gleiche Weise von ihrem Schöpfer geschenkt – als Gabe und als Aufgabe! Ja – auch das gehört dazu. Menschen sind von Gott begnadete und begabte Wesen und sie haben eine Aufgabe: Wir leben von dem, was uns mit dieser Welt geschenkt ist. Und Menschen sollen sich um diese Welt kümmern. In unserer Erzählung heißt es sehr missverständlich „unterwerft sie euch und herrschet“! Das mag im Lebensgefühl und im Lebensgefühl der Menschen vor 2.500 Jahren auch wirklich seine Bedeutung gehabt haben. Die Menschen damals waren doch noch anders herausgefordert, der Natur etwas abzuringen. Wir sehen heute, dass wir diese Welt nicht grenzenlos ausbeuten dürfen. Wir sehen, dass wir nicht durch unsere Lebensweise zerstören dürfen, was uns mit anvertraut ist.

Wir haben, so hoffe ich wenigstens, verstanden, dass es darum geht, diese Welt zu bebauen und zu bewahren – wie dann in einer anderen Schöpfungserzählung der Bibel heißt. Ja – darum geht es: zu staunen über diese einzigartige Welt mit ihrer großartigen Vielfalt des Lebens. Und dabei zu erkennen, wie sehr wir mit dieser Welt und unserem Leben von Gott beschenkte Menschen sind.

„Wir mögen´s bunt“. Das ist unser Motto auf diesem Rheinland-Pfalz-Tag. Und wenn uns jemand fragt, warum, dann können wir antworten: Weil Rheinland-Pfalz ein buntes Land ist – und: weil Gott es bunt mag!

 

Teil 2: Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz, Mainz:

(zu Mt 5,13-16)

 

Liebe Gemeinde!
Die wunderbare Schöpfung – bunt, vielfältig, reich an Gaben, reich an einer Vielfalt von Geschöpfen. Wir können wirklich nur staunen über diese einzigartige Welt mit ihrer großartigen Vielfalt des Lebens. Bunt, vielfarbiger als vor Jahrzehnten sind auch unsere Gesellschaft und unser Land geworden. – Bunt, vielfarbiger ist auch die Politik geworden – mit überraschenden Farbeffekten, wenn ich das einmal so mit einem Augenzwinkern formulieren darf…

Sind auch die Kirchen bunt, vielfarbiger geworden? Katholische wie evangelische Christen? „Keiner ist eine Insel“ – auch die Kirchen sind das nicht. Die Kirchen und die Gesellschaft – diese Wirklichkeiten lassen sich in mancher Hinsicht vielleicht weitaus weniger klar soziologisch voneinander trennen, als man auf den ersten Blick vielleicht denkt: die Menschen unsrer pluralen Gesellschaft sind zu einem bedeutenden Teil Glieder der Kirchen, wenn auch in verschieden intensiver Bindung. Die Glieder der Kirchen sind Teil der Gesellschaft. Daher wundert es nicht, dass die Pluralisierung der Gesellschaft vor den Türen der Kirchen nicht Halt macht. Manchen gleichen die Kirchen schon eher einem „bunten Malkasten“ als einem eindeutigen Farbenbekenntnis.

Was heißt es dann aber, Farbe zu bekennen – wie wir mit einer Redensart so schön sagen?

Bei aller Pluralität gibt es für uns Christen doch die eine gemeinsame Sendung, nämlich: das Evangelium in die Welt zu tragen und die Gesellschaft im Geist des Evangeliums mitzugestalten. Das geht nicht unbeteiligt, gewissermaßen von einem Beobachterposten oder von höherer, distanzierter Warte aus, sondern nur inmitten der Gesellschaft. Farbe zu bekennen, setzt voraus, dass wir uns als Kirchen und als Christen in der Wegbegleitung verstehen. Farbe bekennen geschieht gerade nicht im simplen „Gegenüber“. Im Sinne des Evangeliums Farbe zu bekennen bedeutet, das Verbindende mit allen gesellschaftlichen Kräften wahrzunehmen und wertzuschätzen ohne das Unterscheidende auszublenden. Das II. Vatikanische Konzil hat dies in die markanten Worte gefasst: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ (GS 1) Nur der kann wirklich Farbe bekennen, der zuvor auch bereit ist: wahrzunehmen, was wirklich ist; zu hören, was bewegt; den Dialog zu suchen, sich selbst hinterfragen zu lassen und: selbst ein Lernender sein zu wollen.  

Dann aber heißt Farbe zu bekennen auch, wirklich das Evangelium zu bekennen, kraftvoll und kritisch sich in die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Geschehnisse einzubringen: den Anspruch des Evangeliums an die Würde des menschlichen Lebens ernst zu nehmen; die Zusage der Barmherzigkeit, die Perspektive der österlichen Hoffnung, die Leidenschaftlichkeit für Gerechtigkeit, die unbedingte Versöhnungsbereitschaft und Friedfertigkeit – letztlich die Seligpreisungen der Bergpredigt – zu bezeugen. Das fügt sich nicht immer harmonisch ineinander. Da gibt es Prinzipien und Überzeugungen, an denen wir nur schwer rütteln können. Deshalb gehören auch das mahnende Wort, der Widerpruch und das Ringen dazu, wenn wir als Christen Farbe bekennen. Aber gerade so erfüllen Christen das, was ihnen das Evangelium als Aufgabe gibt: Salz der Erde zu sein! Der französische Schriftsteller George Bernanos hat das einmal so formuliert: „Gott hat nicht geschrieben, wir seien der Honig der Welt, sondern das Salz der Erde.“ – Nur müssen wir auch da als Christen uns wiederum entsprechend selbstkritisch fragen: Worum geht es? Geht es um uns selbst? Geht es uns ums Evangelium und die Menschen? Der Christ ist nicht Salz für sich. Der Christ ist Salz der Erde! Daran werden wir gemessen! Also: Wenn wir als Christen/als Kirche Farbe bekennen, dann sollten wir uns fragen: Spüren die Menschen, dass uns an ihnen liegt? Oder erleben sie, dass es uns vor allem um uns selbst als Kirche und unsere Profilierung geht? Eine latente Versuchung, wenn wir Farbe bekennen wollen.

Ein letzter Gedanke: Farbe bekennen als Christen in einer pluralen Gesellschaft geschieht immer über konkrete Menschen. Farbe bekennen, geht nicht abstrakt. Das Evangelium ist nicht abstrakt. Das Evangelium hat ein Gesicht: Jesus Christus. Und so geben auch konkrete Menschen dem Evangelium ein Gesicht: Jeder und jede in ihrer Einzigartigkeit und Vielfalt – in der Buntheit der Charismen – und doch gemeinsam als Zeugen Jesu Christi. So wie ein Prisma das weiße Licht in die buntesten Farben bricht, so wird das Licht des Evangeliums durch die Vielfalt der Charismen gebrochen in ein buntes Spektrum konkreter Lebenszeugnisse: Und diese konkreten Lebenszeugnisse von Christen sind ein Teil des Reichtums und der Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens in unserem Land Rheinland-Pfalz. Für mich ist es immer wieder ein Geschenk, wenn ich bei meinen Gemeindebesuchen auf Schwestern und Brüder – gleich welcher Konfession – treffe und erleben darf, wie ehrenamtlich, mit großem Engagement, mit Kreativität und auch mit viel Selbstlosigkeit, prominent oder vielfach alltäglich verborgen dem Evangelium ein Gesicht gegeben wird: in der Begleitung und Unterstützung und der Integration geflüchteter Menschen z.B.; oder durch das, was in unsrer kirchlichen Jugendarbeit geleistet wird; auch in welcher Weise sich Ehrenamtliche engagieren z.B. in Besuchs- oder Hospizdiensten oder wie das kulturelle Leben in unserem Land bereichert wird, um nur einige wenige Stichworte zu nennen.

Wir können nur staunen und dankbar sein für die Vielfalt, in der Christen in unserem Land Farbe bekennen!