Neuer Zugang zur alten Form

Ein Projekt der Aktion „Kunst in Kirchen“ in der Wetterau: Die Kirchenzeitung "Glaube und Leben" berichtet in der aktuellen Ausgabe aus Rodheim.

Nicole Ahland zeigt die Station „Jesus begegnet seiner Mutter“ und ihre weiteren Entwürfe. (c) Kirchenzeitung Glaube und Leben
Nicole Ahland zeigt die Station „Jesus begegnet seiner Mutter“ und ihre weiteren Entwürfe.
Datum:
Fr. 18. Aug. 2017
Von:
Kirchenzeitung "Glaube und Leben"
Kaum eine Kirche ohne Kreuzweg: 14 Stationen, die in Bildern den Leidensweg Jesu nacherzählen. Anders der neue Kreuzweg, den die Künstlerin Nicole Ahland für die Rodheimer Kirche Sankt Johannes Evangelist geschaffen hat. Ein Projekt der Aktion „Kunst in Kirchen“ in der Wetterau.

Es sind nur wenige Elemente und doch ziehen sie den Blick des Betrachters geradezu magisch an: breite Streifen in sattem Rot auf tiefschwarzem Grund, ein breiter Rahmen verleiht Tiefe, Plastizität; zieht den Betrachter in das Kunstwerk hinein. Ein Bild der Trauer und Furcht oder doch der Hoffnung und Liebe?

„Die Interpretation bleibt dem Betrachter überlassen“, sagt Nicole Ahland. Seit Ende 2016 arbeitet die Wiesbadenerin für die Aktion „Kunst in Kirchen“ an einem Kreuzweg für die Rodheimer Kirche St. Johannes Evangelist. Die auf der Grundlage von Fotos entstandenen Stationen haben Pfarrer, Pfarrgemeinderat und Verwaltungsrat so überzeugt, dass der neue Kreuzweg dauerhaft in der Kirche verbleibt. Beim Termin vor Ort hat Ahland die Station „Jesus begegnet seiner Mutter“ an den vorgesehenen Platz gehängt. Die anderen Stationen „Jesus wird verurteilt“, „Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern“, „Jesus fällt unter dem Kreuz“, „Veronika reicht Jesus das Schweißtuch“, „Jesus stirbt am Kreuz“ und „Das Grab ist leer – Auferstehung“ sind noch in Arbeit. Statt der heute üblichen 14 Kreuzwegstationen werden in Rodheim nur sieben Bilder hängen. Ein Kreuzweg, der zu den Anfängen dieser Andachtsform zurückführt. Der eigentliche Kreuzweg ist die Via Dolorosa in Jerusalem, der Weg Jesu vom Haus des Pilatus bis nach Golgatha. Seit dem Mittelalter schritten Gläubige diesen Weg ab und gedachten zunächst nur am Anfang und am Ende des Wegs des Leidens Christi, später in sieben Stationen. Diese fanden Ende des 15. Jahrhunderts Einzug in die Frömmigkeit in Deutschland, wurden „Sieben Fälle Jesu“ oder „Sieben Gänge Jesu“ genannt. Später wurden die Stationen auf 14 erweitert. Mit dem neuen Kreuzweg orientiert sich die Künstlerin an der alten Form. Ein Rückschritt ist dies keineswegs. Denn die Ausdrucksweise ist sehr modern. Stark reduziert, auf wenige Farben begrenzt, sind die Werke Ahlands keine Bilderzählung, wie sie von anderen Kreuzwegen bekannt ist: „Ich wollte einen neuen Zugang finden. Mein Kreuzweg ist nicht plakativ“, sagt die 1970 in Trier geborene Künstlerin, die seit 2001 in Wiesbaden lebt. Ein Kreuzweg zeigt den Leidensweg Christi. Ahland möchte mit ihrem Kreuzweg allerdings nicht die Opferhaltung ins Zentrum rücken, sondern weitergehende Fragen stellen. „Ich versuche, die beiden Pole, die den Menschen ausmachen, auf den Kreuzweg zu übertragen: die unglaubliche Grausamkeit auf der einen Seite und die unglaubliche Kraft der Liebe auf der anderen. In diesem Spannungsfeld existiert der Mensch und versucht, sich sein Leben einzurichten“, sagt die Künstlerin, die sich hauptsächlich mit den Themen Raum und Licht beschäftigt. Verdeutlicht wird das durch Hell und Dunkel, Schwarz und Rot. Der neue Kreuzweg soll zum Nachdenken anregen. Im Spannungsfeld zwischen Verrat, Tod und Auferstehung.

„Es würde mich freuen, wenn es mir gelingt, dem Kirchenbesucher mit diesem Seh- und Erfahrungsangebot den Erlebnisraum der inneren Einkehr, dem Zwiegespräch, Kraft und Mut schöpfend bis hin zum produktiv empfundenen Freiraum zu ermöglichen“, schreibt Ahland in der Einladung für die feierliche Übernahme und Segnung des Kreuzwegs am Sonntag, 20. August, um 10.30 Uhr im Rahmen eines Familiengottesdienstes. Die Künstlerin und die Verantwortlichen der Gemeinde freuen sich auf einen regen Austausch über das neue Kunstwerk in St. Johannes Evangelist.

Von Jutta Martini

Den ganzen Beitrag mit weiteren Hintergründen lesen Sie in der Print-Ausgabe von "Glaube und Leben" vom 20. August 2017.

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