Wie umgehen damit, wenn Menschen sterben wollen? Die gesellschaftliche Debatte um den „assistierten Suizid“ betrifft auch die christliche Seelsorge. Bischof Peter Kohlgraf gibt im „Wort des Bischofs“ in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung "Glaube und Leben" Antworten.
Vor kurzem fand in Mainz die Jahrestagung der Kranken- und Hospizseelsorge statt. Dort spielte das Thema des „assistierten Suizids“ und des seelsorglichen Umgangs mit Menschen, die den Wunsch nach einem Suizid in sich tragen, eine wichtige Rolle. Es wurde betont, dass eine christliche Seelsorge an der Seite der Menschen bleiben wird, auch wenn ein solcher Wunsch selbst nicht befürwortet werden kann. Damit greift die Seelsorge ein Thema auf, welches politisch bald entschieden wird. Im Wesentlichen stehen sich zwei Positionen gegenüber, die hier grob skizziert werden. In der einen spiegelt sich die Auffassung wider, dass es zum Recht eines Menschen gehört, über sein Sterben selbst entscheiden zu können. Damit ist die Suizidassistenz nicht mehr strafbar. Die andere Position sieht zumindest Schutzräume vor und will die Suizidprävention stärken. Kirchliche oder kirchennahe Vertreterinnen und Vertreter werden von der Bundesregierung in derartige ethisch hochrelevante Debatten nicht mehr eingebunden. Umso wichtiger scheint es mir, dass wir uns als Kirche Gehör verschaffen. Es ist davon auszugehen, dass einige Mitglieder des Bundestags hinsichtlich ihrer Abstimmungsentscheidung noch unentschlossen sind. Tatsache ist, dass ein Großteil der Bevölkerung der ersten Position zustimmen würde. Allerdings muss auch gefragt werden, welche Aspekte damit verbunden sind. Für Ärztinnen und Ärzte würde dies gegebenenfalls bedeuten, an einem Suizid beteiligt zu sein. Verträgt sich dies mit dem Eid, Leben zu schützen? Was bedeutet es, diese Entscheidung selbstbestimmt treffen zu können? Aus anderen Ländern sind längst Erfahrungen vorhanden, dass nicht selten familiärer Druck oder die Sorge, anderen zur Last zu fallen, einen entscheidenden Anteil am Sterbewunsch eines Menschen haben können. Palliativmedizinerinnen und Palliativmediziner weisen darauf hin, dass eine gute medizinische Begleitung Schmerzen lindern kann. Es geht nicht darum, ein moralisches Urteil über Entscheidungen und Handlungen zu fällen, wohl aber zu zeigen, dass Sterbehilfe im Sinne des christlichen Menschenbildes bedeutet, auch der letzten Lebensphase eine Qualität zu geben, indem man sterbende Menschen begleitet und ihnen eine Lebenshilfe vermittelt. Für christliche Einrichtungen werden kommende Entwicklungen und politische Entscheidungen nicht ohne Konsequenzen bleiben. Muss es nicht Institutionen als Schutzräume geben, in denen Menschen keine Sorge haben müssen, in irgendeiner Form in die Richtung eines Suizids gelenkt oder täglich mit dem Thema konfrontiert zu werden? Wenn Menschen für sich selbst entscheiden, durch einen Suizid sterben zu dürfen, müssen sie bedenken, dass andere in diese Entscheidung einbezogen werden. Denn niemand „stirbt sich selber“, wie bereits der Apostel Paulus weiß (Römerbrief 14,7). Als Bischof und Christ lade ich dazu ein, Sterbenden Begleitung zu schenken und nicht wegzulaufen, aber ihnen auch die Gewissheit zu geben, dass auch die letzte Phase eines Menschen zum Leben gehört und bewusst gestaltet werden kann. Schließlich redet keiner der Gesetzesentwürfe allein von schier unerträglichen Situationen. Es gehört zum christlichen Menschenbild, dass es kein Leben gibt, das als zum Leben unwert erklärt werden darf. Ich bin allen dankbar, die in der Seelsorge aber auch in den Einrichtungen und Familien kranken und sterbenden Menschen beistehen und ihnen ihre Würde verdeutlichen.
Ihr + Peter Kohlgraf
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 27.Juni 2023. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de