„Aufsichtspflicht ist Schlüsselwort“

Auch wie man Kindern Spiele gut erklärt, lernt man in den Gruppenleitungskursen der KjG (c) KJG Mainz
Auch wie man Kindern Spiele gut erklärt, lernt man in den Gruppenleitungskursen der KjG
Datum:
6. Nov. 2024
Von:
Anja Weiffen/ Glaube und Leben

Viele Eltern freuen sich, wenn ihre Kinder zu Gruppenstunden gehen. Solche Angebote zu leiten, will aber gelernt sein. Im Bistum Mainz bereitet die Katholische junge Gemeinde (KjG) Jugendliche auf diese ehrenamtliche Aufgabe vor.

 

Auch wie man Kindern Spiele gut erklärt, lernt man in den Gruppenleitungskursen der KjG. (c) KJG Mainz
Auch wie man Kindern Spiele gut erklärt, lernt man in den Gruppenleitungskursen der KjG.

Annika Middel betreut seit fünf Jahren Kinder- und Jugendgruppen. In ihrer Pfarrei Heilig Kreuz in Darmstadt begleitet sie auch Jugend-Freizeiten. Dafür hat sich die heute 19-Jährige beim Jugendverband KjG in einem Gruppenleitungskurs qualifiziert. „Besonders gut gefallen hat mir, dass die KjG die Kursinhalte spielerisch vermittelt“, sagt sie.

Erstmals werden die Kurse in diesem Herbst in Alsfeld angeboten. „In den vergangenen Monaten haben wir das Angebot im Bistum weiter ausgebaut“, sagt Andreas Göbel von der KjG-Diözesanleitung. Er gehört zum Ausbildungsteam und gestaltet die Kurse mit. Die bisherigen Ausbildungsstandorte sind Mainz, der Jakobsberg, Weiskirchen und Gernsheim.

Was brauchen junge Menschen, um auf andere junge Menschen aufzupassen und die gemeinsame Freizeit zu gestalten? Göbel zeigt einen Flyer mit einer Liste an Themen: Lebenswelt von Kindern, Kindermitbestimmung, Spielpädagogik, Leitungsstile, Rollen in Gruppen, Spiritualität in der Gruppenstunde, Konflikte, Rechte und Pflichten. Das alles lernen angehende Gruppenleitende in einem sechstägigen Kurs.

Eines der Schlüsselwörter heißt Aufsichtspflicht, betonen Middel und Göbel. „Dabei geht es um das Wohlbefinden eines Kindes. Die Frage ist: Wie kann ein Kind sich entwickeln, selbstständig werden und zugleich sicher sein?“, erläutert Annika Middel. „Ich bringe das für mich auf die Formel: Wo eröffnet sich für ein Kind ein Tor? Und wo ist die Grenze?“, sagt sie. „Bei der Aufsichtspflicht geht es oft darum, Situationen einschätzen zu können“, ergänzt Andreas Göbel. „Traue ich mir als Gruppenleiter zu, alleine eine bestimmte Zahl an Kindern zu beaufsichtigen? Und bei welchen Gelegenheiten muss ich mir Hilfe holen?“

 

Göbel und Middel erzählen aus der Praxis: Was dürfen Gruppenleiterinnen und -leiter? Und was nicht? Zum Beispiel einem Kind bei einer Verletzung ein Pflaster aufkleben? „Geht nicht“, sagen die beiden unisono. Anders als man es vielleicht erwarten würde, liegt der Grund dafür nicht in der Prävention gegen sexualisierte Gewalt. „Ein Pflaster kann allergische Reaktionen auslösen“, erläutert Göbel. Genauso wie beim Auftragen einer Wundsalbe, die bestimmte Wirkstoffe enthält, müssen Gruppenleitende auch bei einem Pflaster die Einwilligung der Eltern einholen. Woran sich Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter auch halten müssen: Sie dürfen nicht in die Erziehung eines Kindes eingreifen, Konflikte in der Gruppe entschärfen aber schon.

„Das Thema Konflikte fand ich bei der Ausbildung total spannend“, erinnert sich Annika Middel. Andreas Göbel erklärt das sogenannte Eisberg-Modell, das Teil der Ausbildung ist und mit dem er als Gruppenleiter selbst gute Erfahrungen gemacht hat. „Meist sieht man bei einem Streit nur die Spitze des Eisbergs, darunter verbergen sich etwa Werte-, Interessen- oder Hierarchie-Konflikte.“ Mit diesem Hintergrundwissen habe er einmal einem kleinen Jungen zugehört, der nach einem Zeltlager nicht nach Hause wollte. Hinter dem bockigen Verhalten des Kleinen stand dessen Gefühl, immer „das Opfer“ zu sein. Nach dem Gespräch sei der Junge dann doch mit den anderen zurückgefahren, berichtet Göbel.

Einer der wichtigsten Inhalte in der Ausbildung ist die Spielepädagogik. Denn die wird oft gebraucht. „ADDADA“, sagt Annika Middel spontan und lacht. Sie meint damit die Abkürzung einer Methode, wie man Kindern ein Spiel gut erklärt: Attention, Describe, Demonstrate, Ask for Questions, Do it, Adapt it. Auf Deutsch: Aufmerksamkeit herstellen. Das Spiel kurz erklären. Vorzeigen und demonstrieren. Gibt es dazu Fragen? Los geht’s. Und später: Das Spiel anpassen und verändern.

Auch Spiritualität spielt in den Kursen eine besondere Rolle. Dadurch unterscheidet sich die KjG-Ausbildung von den Kursen der kommunalen Träger. „Die jungen Leute müssen wissen, dass sie sich mit ihrem Engagement in einem kirchlichen Umfeld bewegen“, sagt Göbel. Vermittelt wird die geistliche Dimension durch Gespräche mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern.

Gruppenleitungskurse sind für die ehrenamtliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen keine Pflicht. Anders als etwa die Präventionskurse. Die müssen alle absolvieren, die im Bistum Mainz mit Menschen unter 18 Jahren zu tun haben. Präventionskurse sind darauf ausgerichtet, sexuellen Missbrauch zu verhindern und für Kinder und Jugendliche sichere Räume zu schaffen. Zusätzliche Ausbildungskurse findet Andreas Göbel dennoch sehr wichtig. Auch weil viel Herzblut der KjG drinsteckt. Es gibt zwar einen bestimmten Rahmen, aber die eigentlichen Inhalte kann die KjG selbst bestimmen, sagt Andreas Göbel. „Die Kurse werden von jungen Menschen für junge Menschen gemacht. Mit den Kompetenzen, die dort vermittelt werden, sind die Teilnehmenden gut auf ihre Aufgabe vorbereitet“, ist er überzeugt. Der KjG-Diözesanleiter sieht darin auch einen Vorteil für den beruflichen Werdegang von jungen Menschen und darüber hinaus. „In den Kursen lernt man viel fürs eigene Leben.“l

 

 

 

Zur Sache

Derzeit machen im Bistum Mainz mehr als 100 junge Menschen pro Jahr einen Gruppenleitungskurs bei der Katholischen jungen Gemeinde (KjG). Mit dem Zertifikat kann die „Jugendleiter*in-Card“ beantragt werden, die „Juleica“, ein bundesweit einheitlicher Ausweis für Jugendleiterinnen und Jugendleiter. Einen Gruppenleitungskurs kann man ab circa 16 Jahren absolvieren, die Kosten von rund 150 Euro werden meist durch die jeweilige Pfarrei oder KjG-Ortsgruppe übernommen.

www.kjg-mainz.de/schulungen

 

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe 25 von Glaube und Leben. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de

aus.sicht |Onlineportal der Kirchenzeitungen