Jesus als Vorbild für die Ferien? Er war sicher kein üblicher Urlaubsmensch, sagt Bischof Peter Kohlgraf im „Wort des Bischofs“. Doch könnten wir von Jesus leben lernen, um innere Ruhe zu finden und dankbar zu sein für das Schöne.
Die Sommerferien haben begonnen, viele Menschen, Jung und Alt, sind in den Urlaub aufgebrochen oder können etwas ruhigere Tage zuhause verbringen. Ich wünsche Ihnen Freude, Erholung und die nötige Ruhe und Entspannung.
Die Suche nach Spaß und Abwechslung kann bei manchen Menschen auch wieder Stress auslösen. Aus den Urlaubstagen muss das Beste herausgeholt werden, man will nichts verpassen. Echte Ruhe ist für manchen modernen Menschen nicht leicht auszuhalten. So will ich heute gerne ein wenig das Lob der Langeweile singen. Stille aushalten, Zeit verstreichen lassen, ohne sie bis ins Letzte zu verplanen, gehört wohl zu den notwendigen, aber schwierigen Schritten von Erholung. Ich lade aber nicht nur zum Verweilen im Augenblick ein. Zweckfreie Zeiten können auch eine Einladung zum Gebet sein, zum Verweilen in der Gegenwart Gottes. Schöne Erfahrungen in der Natur und mit Menschen, die einem am Herzen liegen, können neu dankbar werden lassen für die Schöpfung und die Liebe und Freundschaft anderer.
Jesus war sicher kein üblicher Urlaubsmensch. Aber er suchte immer wieder die Ruhe, die Nähe zum Vater im Himmel. Wir sind beim Vater geborgen, so hat er es gesagt. Jesus scheint in diesem Bewusstsein gelebt zu haben und hat darin Ruhe gefunden. Damit war eine große Gelassenheit verbunden. Jesus hat oft ein enormes Arbeitsprogramm bewältigt. Das schafft er, weil er sich in der Arbeit und im Gebet von seinem Vater getragen weiß. Jesus spricht von den Lilien des Feldes und den Vögeln des Himmels, die der himmlische Vater kennt und versorgt (Matthäus 6, 28). Wer in diesem Gottvertrauen leben kann, muss vor der Zukunft keine Angst haben. Wer glaubt, kann sich in allen Situationen seines Lebens in Gottes Händen wissen. Das ist die Haltung Jesu, seine Gotteserfahrung. „Habt keine Angst“, das ist seine Lebenshaltung, die er uns übergeben und vorgelebt hat.
Solch ein Vertrauen ist im Kern nicht irgendein Ruheprogramm, sondern eine lebenslange Übung, mit Höhen und Tiefen. Ohne Gottesbeziehung findet der Mensch solche Gelassenheit und Geborgenheit nicht. Wer bei Jesus leben lernt, lebt seinen Alltag mit immer größerer Liebe. Es scheint zum modernen Lebensgefühl zu gehören, immer mehr zu wollen: mehr Karriere, mehr Geld, mehr Spaß, mehr Geltung vor anderen. Auch in der Kirche reden wir viel über mehr Macht. Mancher Mensch hechelt seinem Ideal hinterher und schafft es so, stets unzufrieden zu sein mit dem, was er hat.
Die Bewegung Jesu war ja eine andere. Das, was wir tun, mit Liebe tun, mit Liebe zu den Menschen, mit Liebe zur Welt, mit Aufmerksamkeit gegenüber dem Augenblick, in dem wir leben, scheint ein gutes Ruheprogramm zu sein, das uns aus der Spirale des „Immer-Mehr“ befreit. Jesus hat den Wert des Menschen nicht in der Leistung, im äußeren Schein, im Besitz gesehen. Das Hier und Jetzt zu lieben und zu gestalten, ist eine weitere tägliche Aufgabe in der Schule Jesu.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Ferienwochen zur inneren Ruhe bringen, den Blick schärfen für das Notwendige. Und dass sie dankbar machen für das Schöne, für Gemeinschaft und Freundschaft, die wir oft zu selbstverständlich nehmen.
Ihr Bischof Peter Kohlgraf
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 7. August 2022. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de