Im „Wort des Bischofs“in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung geht es um den Krieg in der Ukraine. Und um die „Kriegsmüdigkeit“ hierzulande. Auch „die friedensethischen Themen scheinen erledigt zu sein“, sagt Bischof Peter Kohlgraf. Er setzt auf die biblischen Visionen.
Die Menschen werden „kriegsmüde“, genauso wie die Medien. Das habe ich jüngst in einem Zeitungskommentar gelesen. Ein halbes Jahr dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine bereits, viele tausend Menschen sind zu Tode gekommen, man liest von Kriegsverbrechen, von unbeschreiblichen Gräueln, von Erpressung und Bedrohung. Die Propaganda in Russland wird weiter betrieben und schafft falsche Wahrnehmungen der Tatsachen.
Die Kriegsmüdigkeit zeigt sich auch darin, dass die Berichterstattung oft nicht mehr auf der ersten Seite der Zeitungen stattfindet, sondern an zweite Stelle gerückt ist. Man diskutiert kaum noch über Waffenlieferungen, die friedensethischen Themen scheinen erledigt zu sein. Dominant wird die Sorge um die Energieversorgung im Winter und Möglichkeiten des Energiesparens. Es bleibt abzuwarten, ob die Stimmung in der Bevölkerung sich verändert, wenn die Wohnungen kälter werden, die Preise höher und andere Konsequenzen spürbar werden. Die Solidarität gegenüber den Kriegsopfern und Geflüchteten ist nicht selbstverständlich ewig zu erwarten. Der Krieg bleibt ein unbeschreibliches Unrecht.
Nicht nachlassen: Das war immer eine Kompetenz der Kirche
Ich hoffe, dass Christinnen und Christen nicht in dem Sinne „kriegsmüde“ werden, dass sie von diesem Unrecht nichts mehr hören wollen. Oder dass sie nicht mehr helfen, weil sie resignieren. Oder dass sie aufhören, für den Frieden zu beten, weil sie die Hoffnung aufgegeben haben.
Wir leben in diesen Zeiten, und sollten dennoch auf der Grundlage unseres Glaubens die Hoffnung auf eine friedliche Welt nicht aufgeben. Sicher, den Himmel auf Erden wird es nie geben. Aber die Erde darf auch nicht zum ewigen Schlachtfeld werden. Da helfen mir auch die biblischen Friedensvisionen, die in ähnlichen Situationen entstanden sind. Kriegsmüde Menschen lassen sich von Hoffnungsvisionen inspirieren, nicht zu verzweifeln und sich nicht vom Hass allein bewegen zu lassen.
Solche Hoffnungsbilder wünsche ich auch den Menschen im Krieg, und ich wünsche sie den Menschen bei uns. Sie mögen uns alle ermutigen, weiter solidarisch zu sein mit den Menschen im Krieg und auf der Flucht. Sie mögen Perspektiven geben für spätere Zeiten.
Es ist für mich klar, dass wir auch die anderen Menschen in Not nicht vergessen dürfen, Geflüchtete aus anderen Krisen- und Kriegsregionen. Als Weltkirche sind wir hier gut vernetzt und haben einen klaren Blick für die Vielfalt der Nöte. Die Kirche und ihre Gläubigen sollten nicht „kriegsmüde“ oder „katastrophenmüde“ werden, auch nicht für die Sorgen jedes und jeder Einzelnen. Die Not sehen, Lösungen suchen, begleiten und nicht nachlassen – das war immer auch eine Kompetenz der Kirche.
Ich danke allen, die nicht wegschauen oder die Hände in den Schoß legen. Alle Friedens- und Hilfsarbeit möge gesegnet sein, nicht nur in der Kirche.
Ihr Bischof Peter Kohlgraf
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 4. September 2022. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de