Ein Mensch liegt im Sterben und der Kreis der Angehörigen ist klein – sehr klein. Wohin sich wenden, wenn Tod und Trauer nicht mehr in der Großfamilie stattfinden, sondern über Alleinstehende hereinbrechen?
Über den Tod sprechen? „Soweit ist es noch nicht“, gibt Andreas Schmidt einen Satz wieder, den er schon öfter gehört hat. Schmidt ist seit 2016 hauptamtlich bei der Hospizbewegung Offenbach tätig. Wenn er für dieHospizbewegung beispielsweise mit einem Stand in der Stadt über das Thema informiert, scheint das Lebensende für manche Menschen ganz weit weg zu sein. Als Koordinator für die Ehrenamtlichen, die sich in der Sterbe- und Trauerbegleitung engagieren, sowie aus eigener ehrenamtlicher Tätigkeit kennt er die emotionalen und organisatorischen Anforderungen an Menschen in dieser Grenzsituation.
Das soziale Netz ist heutzutage dünner geworden. Abschiednehmen im Kreis geliebter Menschen? Das wünschen sich wohl die meisten. Doch nicht selten kommt die schlimme Krankheit überraschend, der Freundeskreis ist im Lauf der Zeit geschrumpft und die Verwandten leben mehrere Bahnstunden entfernt. „Dass Kinder weit weg oder sogar im Ausland wohnen, das erlebe ich schon häufig“, sagt Andreas Schmidt. „Dass ein Sterbender gar niemanden als Beistand hat, ist aber eher selten.“
Gut vernetzt im Krankenhaus
Diese Erfahrung macht auch Norbert Nichell, Klinikseelsorger an der Universitätsmedizin in Mainz. „Zum Glück erlebe ich das noch nicht, dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase keine Angehörigen haben. Und wenn es die beste Freundin ist oder die Nachbarin, die am Sterbebett sitzt“, berichtet er. Nichell sieht in der Universitätsmedizin einen Ort, in dem Sterbende auch mitwenigen Angehörigen gut aufgehoben sind und Ansprechpartner für verschiedene Anliegen zur Verfügung haben. „Vom ehrenamtlichen Besuchsdienst der Grünen Damen und Herren bekommen wir in der Klinikseelsorge Hinweise, wo Menschen Trost brauchen“, sagt er. Der Sozialdienst übernehme die Beratung in organisatorischen Dingen, wenn sonst niemand da ist.
Abschiedsrituale sind wie Trittsteine
Nichell spricht von seinen Erfahrungen in der Seelsorge: In der Sterbephase spiele die Lebensbilanz eine wichtige Rolle, berichtet er. Ebenso das Thema Versöhnung und der Blick auf bereits verstorbene Angehörige. Den Sterbesegen als christliches Abschiedsritual zu spenden, empfindet er in seiner Arbeit als hilfreich. „Solche Momente können für Angehörige wie Trittsteine der Trauer sein, um wieder Boden unter den Füßen zu bekommen“, sagt der Klinikseelsorger. Für Sterbende mit wenig Beistand wünscht er sich, dass die Dienste der ambulanten Hospizbewegung bekannter und noch mehr angenommen werden.
Ambulante Hospizbewegung bietet Hilfe
Andreas Schmidt von der Offenbacher Hospizbewegung sieht in der ehrenamtlichen Sterbebegleitung genau die richtige Unterstützung für Menschen in der letzten Lebensphase, gerade auch für Alleinstehende. „Wir sind im Netzwerk eine Schnittstelle dafür, wenn Menschen Hilfe in den Fragen am Lebensende brauchen und sich damit alleine fühlen“, erläutert er. „Wir wissen, welche Angebote es gibt und wo Menschen weitere Hilfe bekommen.“ Dabei geht es zum Beispiel um palliative Versorgung, Patientenverfügung, Vorsorge-Vollmacht und Trauerbewältigung. Angehörigen möchte er die Sorge nehmen, etwas falsch zu machen. „Das Sterben ist uns allen gegeben. Es gibt kein Richtig oder Falsch.“ Man kann Trauerkarten an Freunde und Verwandte schicken oder auch nicht, man kann eine Anzeige schalten, „muss das aber nicht tun“. Wer möchte, kann solche Dienste vom Bestattungsinstitut ausführen lassen. Maßgeblich sei der Wille des Sterbenden beziehungsweise nach dessen Tod, in seinem Sinne zu handeln. „Wobei es Sterbenden sicher auch wichtig ist, dass es den geliebten Hinterbliebenen mit der Gestaltung des Abschieds gut geht“, sagt Schmidt. Es gebe Menschen, die ihre Bestattung im Detail planen. „Manche überlassen alles ihren Angehörigen. Es gibt auch Menschen, die in aller Stille ohne Beisein anderer bestattet werden möchten.“ Der Mitarbeiter der Hospizbewegung hat die Erfahrung gemacht, dass Sterben sehr individuell ist. „Menschen sterben oft so, wie sie gelebt haben.“
Auch wer keine Angehörigen hat, wird bestattet, betont Schmidt. Zwar sind die direkten Verwandten in der Pflicht, sich um die Bestattung zu kümmern. Aber wenn gar niemand da ist, versichert er, „geht hierzulande alles seinen geregelten Gang“.
Glaube gibt Halt
Manchmal stehen Menschen aus dem Umfeld anderen bei: Michael Rüdesheim aus der KirchengemeindeSt. Ignaz in Mainz zum Beispiel unterstützte eine ältere Frau bei einem Trauerfall. Die Witwe verlor ihren behinderten Sohn. „Ich wusste, die Mutter, fast 90 Jahre alt, steht alleine mit ihrem Sohn da. Ich kenne beide seit fast 30 Jahren“, erläutert er die Situation. „Darüber hinaus bin ich im Beirat für die Belange von Menschen mit Behinderung der Stadt Mainz. Hier ist es meine Aufgabe, Menschen zu vertreten, es gehört für mich auch die Begleitung dazu, wenn erforderlich“, sagt Michael Rüdesheim, der in der Sterbesituation dabei war. „Gerade am Ende des Lebens scheuen die meisten, diesen Weg mitzugehen und auszuhalten“, sagt er. „Leider gehört viel Organisatorisches dazu, dabei nie das Menschliche zu vergessen“, sei wichtig. Ihm selbst sei sein tiefer Glaube an die Auferstehung eine Hilfe gewesen. „Gott ist für mich da; Psalm 37,5 begleitet mich seit über 25 Jahren, er war auch in dieser Situation mein Halt.“l
Nicht selten schrumpft im Lauf des Lebens der Kreis der Angehörigen und Freunde, im Sterben aber braucht niemand alleine zu sein.
Unter anderem gibt es folgende ambulante Hospizdienste in den Bistümern Fulda, Mainz und Limburg: die Ökumenische Hospizbewegung Offenbach, www.hospiz-offenbach.de; die Malteser in Hessen, www.malteser-hessen.de; Mainzer Hospiz, www.mainzer-hospiz.de
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