Ina May (c) Kirchenzeitung / Lehnen

Die Frau, die dabeibleibt

Ina May
Datum:
Di. 28. Sep. 2021
Von:
Kirchenzeitung / Ruth Lehnen

Ina May übernimmt gern Leitung. Wie das geht, hat sie in den katholischen Jugendverbänden gelernt. Jetzt wurde die Religionslehrerin aus Darmstadt eine der vier Sprecherinnen der neuen Frauenkommission im Bistum Mainz.

Schule ist kein Schonraum. Auch hier passieren schlimme Sachen. Wenn ein Lehrer plötzlich stirbt, dann herrscht Schock. Für solche Schock-Situationen hat die Georg-Büchner-Schule in Darmstadt ein Kriseninterventions-Team. Ina May ist ein Teil davon. Sie bot an, die schulische Trauerfeier zu organisieren, und es wurde ihr „anvertraut und zugetraut“. 

Die katholische Religionslehrerin hat diese schulische Trauerfeier organisiert, aber nicht etwa als religiöse, schon gar nicht als katholische. Sie hat sich gefragt: Was wird gebraucht? Trost wird gebraucht, Gemeinschaft, das Gefühl, zusammen durch die Trauer zu gehen. Zu fühlen: Trotz des Todes ist die Liebe da und die Hoffnung ist da. So grundlegend, so einfach, so schwer. 

Ina May hat schon ihre Examensarbeit über das Sterben als Teil des Lebens geschrieben. Ihr ist der Tod auch im Schulalltag schon öfter begegnet. Sie war vorbereitet auf ihre Aufgabe. Mit einfachen Zeichen ist bei der Trauerfeier alles gut gegangen: mit Kerzen, die angezündet wurden, mit dem Lied „egal, was passiert, wir sind ewig“, mit all den Tränen, die geflossen sind und einfach rausmussten. Ina May scheint wenig Angst zu haben, weder vor Gefühlen, noch vor Verantwortung. 

Beim Gespräch mit ihr Anfang September in Darmstadt-Kranichstein ist es noch eine Woche hin bis zur Wahl in Mainz. Die neue Frauenkommission im Bistum Mainz, zu der sie gehört, wird ihre Sprecherinnen wählen. Ina May hat sich noch nicht entschieden, ob sie kandidiert. Sie wirkt entspannt, als sie, barfuß auf ihrem heimischen Sessel, erklärt, sie werde diese Frage nun mit ins Gebet nehmen. Wie bitte? Ja, sagt die 35-Jährige lachend, was sie so Gebet nenne. Ihre abendliche Unterhaltung mit Gott, bei der sie auch schon mal einschlafe. Man hat den Eindruck, ihr Freund Gott hat dafür vollstes Verständnis. 

Denn er weiß ja, es sind viele Baustellen, auf denen die Lehrerin und Mutter von drei Kindern nicht den Überblick verlieren will. Wichtiger Partner auf ihren Baustellen ist ihr Mann Michael May. Immer wieder sonntags klärt das Paar die Logistik, die Herausforderungen der nächsten Woche: Wer hat was vor, wer ist wann weg, wer kann die Kinder wo abholen und so weiter. Die Tatsache, dass beide Lehrer sind, macht manche Verabredung einfacher. Auch ihre und seine Eltern tragen bei zum Teamwork. 

Auf „ganz platte“ Diskussionen hat sie keine Lust mehr 

May hat eine Erfahrung gemacht, die noch nicht zu allen Menschen, die das hohe Lied der Mutterschaft singen, durchgedrungen ist: „Der Familie geht es besser, wenn ich arbeite, dann ist viel mehr Kraft da.“ Sie hat immer schon gern gearbeitet, ehrenamtlich zum Beispiel bei der Gemeinschaft Christlichen Lebens (GCL) und beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Diese Erfahrungen haben sie geprägt, haben ihre Berufswahl beeinflusst. Sie ist gern Religionslehrerin: „Ein tolles Fach!“ Für sie ist dabei die Hauptaufgabe, Schülerinnen und Schülern den Raum zu geben, sich mit Gott zu beschäftigen. 

Die jungen Leute treffen bei ihr auf eine, die sich nicht rauszieht und sich nicht wegduckt. Auf die Frage, ob sie sich noch mit der katholischen Kirche identifiziere, antwortet sie: „Ja, total!“ Das Unterrichtsthema Abtreibung zum Beispiel: Sie diskutiert, sie gibt zu denken, sie will raus aus den Schwarz-Weiß-Perspektiven. „Ist es wirklich besser, gar nicht zu leben als mit wenig Geld zu leben?“ Sie flicht noch einiges an Aufklärung und offenen Worten mit ein. Und macht klar, dass sie niemals eine Frau verurteilen würde, die abgetrieben hat. 

Hin und wieder muss sie sich einiges anhören. „Auf ganz platte Diskussionen“ über die katholische Kirche will sie sich nicht mehr einlassen, dann sagt sie nicht viel, sondern hört mehr zu. Ihre Ansicht ist, dass nur Menschen die Kirche verändern können, „wenn sie dabeibleiben“. 

„Es wird eine Zeit kommen, ich bin sicher, dass sie kommt“ 

Ihr aktuelles Dabeibleiben zeigt sie mit dem neuen Engagement für die Frauenkommission im Bistum Mainz. Die zwölf gewählten Frauen sollen den Diözesanpastoralrat und Bischof Peter Kohlgraf beraten, wirkliche Macht haben sie nicht. Ina May frustriert das nicht. Einmal im Jahr wird sie in der neuen Funktion den Bischof treffen, „das ist einmal öfter als jetzt!“ Die Frauen würden sichtbarer durch die Kommission. Vielleicht gehe es erstmal nur ums Reden, aber es herrsche jetzt schon eine gute Stimmung in der Gruppe. Ina May glaubt an Vernetzung, sie glaubt daran, dass es etwas bringt, „sich zu positionieren“. Sie ist zutiefst geprägt von der Arbeit in den katholischen Jugendverbänden: „Dort ist Demokratie Alltag und paritätische Besetzung Normalität.“ Was dort geht, könne auch in der ganzen Kirche gehen, und sie werde es noch erleben: „Es wird eine Zeit kommen, ich bin ganz sicher, dass sie kommt.“ 

Sie meint die „Geschlechtergerechtigkeit“. May wollte nie Priesterin werden, aber sie hat ihrer Tochter beim Spielen zugesehen, wie sie eine Predigt hielt: „Jesus ist unser Schäfer!“ Als ihre kleine Tochter erklärte, sie wolle Pfarrerin werden, hat die Mutter gemerkt, dass diese Frage sie etwas angeht, und wie wütend sie die Ungerechtigkeit macht. Mit ihrem Mann, der ebenfalls Theologie studiert hat, führt sie harte Diskussionen: „Du konntest Dich immerhin dagegen entscheiden – dagegen, Priester zu werden.“ 

Ina May will über die Dinge reden, frei, sie will nicht sofort abgebügelt werden nach dem Motto: „Das geht halt nicht!“ Die Argumente gegen das Priestertum der Frau überzeugen sie nicht: Es sei nicht das Thema, dass auch die evangelischen Kirchen keineswegs voller sind. Es sei nicht das Thema, dass Jesus zu seiner Zeit zwölf Männer ausgewählt hat. Argumentativ hätten die Gegner der Frauenordination „nichts in der Hand“, meint sie. Die junge Mutter will, dass die Frauenkommission etwas in Bewegung bringt, und deshalb hat sie am Ende doch kandidiert und ist auch gewählt worden als eine von vier Sprecherinnen. 

„Think big“: die Streuobstwiese 

Auf die jüngere Vergangenheit hat sie einen besonderen Blick. Die Frauen, die für Gerechtigkeit in der Kirche gekämpft hätten, seien keineswegs gescheitert. Mädchen sind heute Messdienerinnen, es gibt Frauen, die predigen: Ina May ist „unglaublich dankbar“ für dieses Engagement, dass die Jüngeren weiterführen können. 

Vor großen Dingen oder längeren Zeiträumen scheut sie nicht zurück. Vor einiger Zeit haben ihr Mann und sie mit einem anderen Paar 10 000 Quadratmeter Streuobstwiese gepachtet. Dort haben sie jetzt, die Kinder immer dabei, Äpfel, Quitten, Birnen und Sanddorn geerntet. Im Hause May wurde eine Kühltruhe angeschafft. Michael May kocht Apfelmus. Ina May backt Apfelkuchen. Auf Vorrat, die Kuchen werden eingefroren. Sie nimmt, was sie kriegt, macht was draus und wartet, bis die richtige Zeit gekommen ist. Dann wird aufgetaut. 

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 26. September  2021. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de

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