Ein Kreuzgang zum Verweilen

Kreuzgang im Mainzer Dom (c) Silke Kemmer
Kreuzgang im Mainzer Dom
Datum:
26. Apr. 2024
Von:
Anja Weiffen

Innenhöfe haben ihren besonderen Reiz. Der neugestaltete Friedhof am Mainzer Dom lohnt mehr als einen Blick. Er ist Rückzugsraum für die Natur und bietet eine meditative Atmosphäre mit viel Symbolik.

Das Licht der Morgensonne scheint über die Mauern. Ein Hausrotschwanz landet im Gras mit einer Feder im Schnabel. Wasser plätschert leise. Der Innenhof des Mainzer Domkreuzgangs kann wohl zu den schönsten Arbeitsplätzen auf Erden gezählt werden. Katrin Sauer, Gärtnerin der Dombauhütte, schätzt diesen Ort mitten in der Stadt. Sie schaut nach den Pflanzen, gießt sie, hält die Beete und Steinwege sauber und vieles mehr.

„In der Regel bin ich jeden Tag im Kreuzgang. Meist gleich am frühen Morgen. Ich bin ein Freund der Stille“, sagt sie lächelnd. Schön sei es, bei gutem Wetter die Lichtspiele der Sonne mitzuerleben. „Wenn im Dom Messe ist, höre ich die Musik von drinnen.“ Der Ort der Stille, er ist vor allem auch Friedhof. Die verstorbenen Mitglieder des Domkapitels sind hier beigesetzt.

Ein Wegekreuz wie in alten Klöstern

Die Grünfläche mitten im Domkreuzgang ist herausgeputzt. Im angehenden Frühjahr wurde sie neugestaltet. Noch vor Monaten klaffte hier ein riesiges Loch. Im Zuge der Renovierung des Kreuzgangs wurden die alten Öltanks im Boden entfernt, die in früheren Zeiten die Energie zum Heizen der Kathedrale lagerten. Heute wird im Dom Fernwärme genutzt. Statt der Öltanks befinden sich im Innenhof unter der Erde seit neuestem Wasserzisternen. Sie sammeln Regenwasser von den Dächern des Doms und haben ein Fassungsvermögen von insgesamt 60 000 Litern. „Mit dem aufgefangenen Wasser werden die Beete und Grünflächen bewässert“, erläutert Katrin Sauer.

„Auslöser aller Arbeiten war die starke Verschmutzung des Kreuzgangs während der Schließung des Dom- und Diözesanmuseums in der Zeit der Covid-19-Pandemie, vor allem durch die enorme Taubenpopulation“, erklärt der Mainzer Domdekan Henning Priesel. „Zugleich gab es keine Beleuchtung im Kreuzgang.“ Das sei für die Besucherinnen und Besucher des angrenzenden Museums und die Chöre am Dom, deren Weg vom Chorhaus in den Dom und wieder zurück durch den Kreuzgang führt, in der dunklen Jahreszeit nicht mehr zumutbar gewesen.

Die Tauben werden nun auf elegante Art ferngehalten. Domgärtnerin Katrin Sauer schaut nach oben. Über dem Innenteil des Kreuzgangs wurde ein tierschutzkonformes Netz gespannt. Die Domgärtnerin erklärt, was das bedeutet: „Das großmaschige Netz hält Tauben ab. Kleinere Vögel und Insekten können ohne Probleme hindurchfliegen. Das funktioniert gut.“

Durch das Anbringen des Netzes, das die Sicht kaum stört, konnten alle anderen Netze auf den Maßwerken sowie die Nägel gegen die Tauben auf den Denkmälern und Gesimsen entfernt werden. Zudem wurde der Sandsteinboden gesäubert, die Fassaden, Gewölbe, Wandreliefs und Denkmäler grundgereinigt und neu in Farbe gestellt. Die Restaurierung der Statuen und Grabplatten steht noch aus. „Die Kosten für die gesamte Maßnahme zur Sanierung des Kreuzgangs und des Domfriedhofs hat dankenswerter Weise der Dombauverein übernommen“, erklärt Domdekan Priesel und freut sich, dass durch die Sanierung „das Erscheinungsbild des gesamten Bereichs klar, hell und freundlich“ geworden ist.

Klarheit ist auch das Grundprinzip der Grünfläche in der Mitte. „Bei der Gestaltung war uns wichtig, ein Wegekreuz anzulegen“, erläutert Katrin Sauer. So wie es oft in alten Klosteranlagen zu sehen ist.„Die Herausforderung war, einen Ort zu schaffen, der ganz reduziert ist, um möglichst wenig abzulenken – nicht nur vom Blick auf den zweigeschossigen Kreuzgang, der hierzulande Seltenheitswert hat. Der Blick soll nach innen gehen. Der Mensch soll sich hier selbst spüren“, beschreibt die Kirchenmitarbeiterin das Konzept. In den Ecken des viergeteilten Wegekreuzes stehen Ölbäume. „Die knorrigen Bäume wirken im Kontrast zur meditativ angelegten Fläche sehr lebendig“, findet sie. Praktisch ist, dass die Ölbäume keine Pfahlwurzeln bilden und so mit den Wasserzisternen in der Tiefe kompatibel sind.

Neu ist, dass Menschen an dieser urbanen Oase teilhaben können. Eine Seite des Innenhofs ist nun begehbar. Schmiedeeiserne Törchen grenzen diesen Teil von der Rasenfläche und den Gräbern ab. Steinbänke laden Besucherinnen und Besucher zum Sitzen ein. Unter anderem dient ein Schlussstein, der bei den Umbauarbeiten gefunden wurde, als Bank. Von dort aus führt der Blick zu Christus: gelenkt vom gepflasterten Weg über den Brunnen in der Mitte hin zum Kreuz mit Korpus auf der anderen Seite des Kreuzgangs.

Ölbäume, Eiben und Kräuter

Durch die neu gepflanzten Olivenbäume an den Ecken des Wegekreuzes ist der Bogen zum Leben Jesu gespannt. Der Garten Getsemani kommt einem in den Sinn. Weitere biblische und mediterrane Pflanzen wie Ysop, Rosmarin, Thymian und Oregano säumen die silbrig schimmernden Ölbäumchen.

Eingefriedet ist die Grünfläche mit einer Hecke aus Eiben. Auch die von symbolischem Wert: „Die Eibe ist extrem langlebig. Ihr Immergrün steht für Zeitlosigkeit und Ewigkeit“, erläutert die Domgärtnerin. Sie nennt die Neuanlage einen Spagat zwischen Natur und Kultur: den altehrwürdigen Kreuzgang aus dem 15. Jahrhundert neu zur Geltung zu bringen, zugleich den Innenhof als einen Ort der Natur zu gestalten, Pflanzen und Tieren hier Rückzug zu ermöglichen. Nicht zuletzt ist der Kreuzgang eine Einladung für Gäste aus aller Welt, inmitten der Stadt und im Schatten des Doms in Ruhe zu verweilen. 

 

 

Kreuzgang im Mainzer Dom (c) Silke Kemmer

Zur Person

Katrin Sauer (c) Anja Weiffen
Katrin Sauer

Katrin Sauer ist seit 20 Jahren als Gärtnerin in der Mainzer Dombauhütte tätig und betreut neben dem Domfriedhof noch 20 weitere Gärten im Bistum Mainz. Das bedeutet die Pflege und Instandhaltung der Gärten im Jahresverlauf. Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der Dombauhütte ist sie außerdem für das Schmücken im Dom an allen kirchlichen Feiertagen zuständig.

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der Ausgabe von Glaube und Leben vom 28. April 2024.  Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de

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Bilder der Fundstelle

Fr. 12. Apr. 2024
3 Bilder

Der Sarkophag vor und direkt nach der Öffnung. Gefunden wurde auch die Goldborte eines Palliums. Ein Pallium ist eine Woll-Stola, die Erzbischöfen verliehen wird.

„Einer der tollsten Momente im Leben eines Archäologen“

Herr Faccani, seit mindestens fünf Jahren dreht sich bei Ihnen vieles um Erzbischof Erkanbald. Haben Sie sich gedanklich ein Bild von ihm gemacht? Ist er Ihnen sympathisch?

Es gibt eine wissenschaftliche Ebene, auf der ich mich mit Erkanbald beschäftige, und eine Humor-Ebene – beim Arbeiten habe ich ihm manchmal einen „Guten Tag“ gewünscht – aber keine ernsthafte Bezugsebene. Ich habe nicht nach Erkanbald gesucht. Es ging ursprünglich darum, in St. Johannis einen Fußboden aus dem 13. Jahrhundert freizulegen. Dann wurde der Sarkophag entdeckt. Die Möglichkeit bestand, dass darin Erkanbald liegt. Ich dachte zuerst: Die zusätzliche Aufgabe einer Sarkophag-Öffnung brauche ich gerade jetzt eigentlich nicht. Dann aber packte mich die Faktenermittlung um den Beweis dieser Hypothese.

Hatten Sie wegen der Totenruhe Bedenken, den Sarkophag zu öffnen?

Nein. Die gesetzliche Totenruhe endet nach circa 25 Jahren, in einer Gruft nach rund 50 Jahren. Wir arbeiten nach archäologischen Fragestellungen und Methoden, wir wollen aufzeigen, wie die Welt früher aussah. Wir haben die Öffnung solange hinausgeschoben, bis genügend Indizien auf Erkanbald hinwiesen.

Was war Ihr Aha-Erlebnis während der Forschung?

Dass es wirklich Erkanbald ist. Das war ein starker Moment. Einer der tollsten im Leben eines Archäologen! Auch, als wir herausfanden, wie die Westkrypta in St. Johannis gestaltet ist, die älteste Krypta von Mainz. Dieser Moment war durchaus vergleichbar mit dem erstgenannten. Drittens: Die Erkenntnis, dass große Teile der heutigen Kirche zum ottonischen Bau von St. Johannis aus der Zeit um 1000 gehören dürften, erbaut von Erzbischof Willigis, dem Vorgänger Erkanbalds. Willigis, unter anderem Gründer des heutigen Doms, hat gebaut und gebaut und damit die Kassen seines Bistums geleert.

Am Forschungsprojekt haben sich mehrere wissenschaftliche Disziplinen und zwei Konfessionen beteiligt. Was braucht es für eine gute Kooperation?

So eine Arbeit ist unglaublich bereichernd. Die Forschungen zu Erkanbalds Gewändern etwa fand ichhochspannend. Für eine gute Kooperation braucht es dasselbe Ziel, durchaus unterschiedlich motiviert. Wir alle wollten wissen, ob sich wirklich Erkanbald im Sarkophag befindet. Es brauchte zudem eine gute Koordination der Eingriffe. Konfessionen – ich selbst bin praktizierender Katholik – spielen bei der Arbeit keine Rolle. Aber ich fand es schön, dass evangelische und katholische Christen bei dem Projekt zusammengearbeitet haben.

Interview: Anja Weiffen

 

Guido Faccani, Archäologe und Kunsthistoriker, leitet seit 2015 die Forschungen in St. Johannis in Mainz. (c) Gerhard Fleischer
Guido Faccani, Archäologe und Kunsthistoriker, leitet seit 2015 die Forschungen in St. Johannis in Mainz.