196 Kindertagesstätten gibt es in den Kirchengemeinden im Bistum Mainz. Zurzeit bekommen diese Kitas einen neuen Träger, den „Zweckverband“. Was bedeutet diese Änderung? Für Familien? Für Mitarbeiter? Fragen an Generalvikar Udo Markus Bentz und Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick
Die meisten Kitas im Bistum befinden sich in der Hand von Pfarreien. Warum braucht es überhaupt einen Verband, der diese bisherigen Träger ablöst? Warum kann nicht alles so bleiben, wie es ist?
Generalvikar Udo Markus Bentz: Wir befinden uns im Bistum Mainz auf vielen Ebenen im Umbruch. Das hat Bedeutung für viele Themenbereiche, wie auch die Kindertageseinrichtungen im Bistum Mainz. Wir werden im Rahmen des Pastoralen Wegs die Anzahl der 134 Pastoralen Einheiten auf 50 Pfarreien reduzieren müssen. Das würde für die Trägerschaft der Kindertageseinrichtungen bedeuten, dass jede Pfarrei die Trägerschaft von rund vier Kindertageseinrichtungen übernehmen müsste. Vielfach haben wir die ehrenamtliche Struktur für die Träger- und Verwaltungsaufgaben nicht mehr vor Ort. Wir brauchen einen professionellen, pastoral und zugleich betriebswirtschaftlich ausgerichteten Träger, der unsere Vision im Rahmen des staatlichen und kirchlichen Auftrags lebendig werden lässt.Zugleich muss ich aber auch sagen, dass wir uns im Bistum Mainz den Umfang von 196 Kindertageseinrichtungen in derzeit 169 Kirchengemeinden nicht mehr leisten können. Das gilt auch für den neuen Träger „Zweckverband“.
Was ist mit den Kitas in Trägerschaft der Caritasverbände und des SkF (Sozialdienst katholischer Frauen) Gießen?
Nicola Adick: Der Caritasverband Gießen, der SKF Gießen, der Caritasverband Worms, der Caritasverband Offenbach sowie die Schwestern der Göttlichen Vorsehung sind im Bistum Mainz die anderen katholischen Träger von Kindertageseinrichtungen. Diese bleiben in ihrer Trägerschaft bestehen, da sie wirtschaftlich selbständig aufgestellt sind.
Wer ist der Zweckverband überhaupt?Wer sind die Mitarbeiter, die nun den Kontakt in die Kitas haben und die Verwaltungsarbeit übernehmen? Und: Wer entscheidet künftig letztendlich über Kosten und Personal in einer Kita?
Bentz: Der zu gründende „Zweckverband der katholischen Tageseinrichtungen für Kinder und Familienzentren im Bistum Mainz“ ist laut Satzungsentwurf ein vom Bischof von Mainz errichteter Zweckverband der katholischen Kirchengemeinden, die die Trägerschaft der von ihnen gegründeten und bisher von ihnen betriebenen katholischen Kindertagestätten auf den Zweckverband übertragen haben. Derzeit bauen wir die regionale Struktur der Geschäftsträger im Bistum auf. Im rheinland-pfälzischen Teil des Bistums unterstützen Geschäftsträger im Auftrag der Kirchengemeinden fast alle Kindertageseinrichtungen. In Hessen sind bisher in einigen Dekanaten, wie zum Beispiel in den Dekanaten Bergstraße Mitte, Rodgau und Seligenstadt Geschäftsträger eingestellt. In den Dekanaten Bergstraße -Mitte und Bergstraße-West werden zum 1. Januar 2021 beziehungsweise 1. Februar 2021 weitere Geschäftsträger eingestellt. In den Dekanaten Mainz-Süd und Rodgau werden ebenfalls ein weiterer Geschäftsträger zum 1. März 2021 eingestellt. Wir können diese nur in den Kommunen einstellen, in denen diese die Kosten auch mittragen. Perspektivisch werden die Geschäftsträger in die neue Struktur übergehen. Der neue Zweckverband, der sich aus einer Verbandsversammlung, einem Aufsichtsrat und einem Verbandsvorstand aufbaut, wird für das Personal, die Verträge und die Finanzen zuständig sein. Insbesondere wurde bei der Rückmeldung zum Satzungsentwurf seitens der Pfarreien eine Beteiligung bei der Besetzung der Leitungsstelle gewünscht.
Durch die Auflösungen der bisherigen Trägerstrukturen bleiben demnächst ehrenamtliche Trägerbeauftragte, die bisher zum Teil diese Aufgaben übernommen haben, außen vor. Ist das nicht eine Entwertung der ehrenamtlichen Arbeit? Und: Steigen durch Professionalisierung nicht die Kosten?
Adick: Von der Gründung des „Zweckverband der katholischen Tageseinrichtungen für Kinder und Familienzentren im Bistum Mainz“ erwarten wir eine fachlich professionelle und wirtschaftlich orientierte Arbeitsweise, damit wir die bestehende Qualität der Arbeit vor Ort gut weiterentwickeln können. Die bisherige Arbeit der ehrenamtlichen Trägerbeauftragten und Trägerbevollmächtigten wird sich verändern. Im Projekt der Errichtung des Verbands ist dazu eine eigene Projektgruppe mit ehrenamtlichen Trägervertreterinnen eingerichtet worden, um Lösungen dahingehend zu finden, dass wir wertschätzend und dankbar für die bisherige Zeit auswerten und zugleich eine Neuausrichtung innerhalb der Trägerstruktur und im Zusammenwirken mit den hauptamtlichen Geschäftsträgern weiterentwickeln.Kosten für eine ausgebaute hauptamtliche Struktur werden entstehen. Diese Stellen der Geschäftsträger werden in Hessen zu einem sehr großen Anteil von den Kommunen mitfinanziert, das haben unsere Träger mit Unterstützung des Bistums durch viele Verhandlungen vor Ort erreichen können. Zugleich wird aber auch geprüft werden müssen, welche Kosten insbesondere im Overhead (Anmerkung der Redaktion: Verwaltung, Überbau) im Bistum reduziert werden können. Trotzdem soll eine Kita am jeweiligen Kirchort verankert bleiben.
Wie soll das in Zukunft geschehen, wenn persönliche Vernetzung durch Trägerschaft ausfällt?
Bentz: In dem Satzungsentwurf ist vorgesehen, dass Mitarbeitende aus den Kitas in den Gemeindegremien vertreten sind und dass die Verantwortlichen aus der Seelsorge weiterhin ihre Verantwortung gemäß den pastoralen Richtlinien wahrnehmen. Pastorale Begleitung soll durch die Seelsorgeteams erfolgen. Eine geteilte Verantwortung, wie wir sie auch im Pastoralen Weg formuliert haben, ist ein grundlegender Gedanke bei der Errichtung des Verbands. Darunter verstehen wir zum einen, dass die Pfarrei zum Beispiel bei der Einstellung einer neuen Leiterin mitbestimmen soll. Zum anderen wollen wir dafür Sorge tragen, dass durch die Pfarrei die pastorale Begleitung der Kindertageseinrichtungen sichergestellt werden wird. Ein Zusammenspiel von Pfarrei und dem neuen Zweckverband, ausgerichtet auf das Wohl der Kinder mit ihren Familien, das wollen wir bewirken.Eine Entlastung der Pfarreien durch Übernahme des Trägergeschäfts des neuen Zweckverbands ist gewollt. Die Pfarreien sind eingeladen, sich auf die familienpastorale Arbeit mit Kindern und ihren Familien zu konzentrieren und die Arbeit als Kirchort gemeinsam weiterzuentwickeln.
Die Strukturen sollen professioneller, einheitlicher, effizienter werden. Wie wirken sich diese Veränderung auf Eltern und Kinder aus? Wie auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kitas?
Adick: Man kann davon ausgehen, dass Eltern und Kinder viel von dem Trägerwechsel im Alltag zu spüren bekommen und auch davon profitieren werden. Durch Ausbau der professionellen Strukturen in dem Trägerbereich wollen wir auch erreichen, dass Leitungen von den Aufgaben entlastet werden und mehr in den Kindertageseinrichtungen für Mitarbeitende, Eltern und Kinder da sein können. Die alltäglichen Ansprechpartner der Kinder und ihrer Familien bleiben die Leitung und das pädagogische Personal. Der Vertragspartner für die Familien wird der „Zweckverband der katholischen Tageseinrichtungen für Kinder und Familienzentren im Bistum Mainz“ werden. Die inhaltliche Ausrichtung der Arbeit an den Pastoralen Richtlinien für Katholische Kindertageseinrichtungen und Familienzentren im Bistum Mainz sowie der Weiterentwicklung unserer Kitas zu „mehr Familie, mehr Nachbarschaft, mehr Qualität“ bleibt die grundlegende Orientierung.Der Verband wird ein Profil erarbeiten, in dem es auch Aussagen zu einem verbindlichen Qualitätsmanagement und weiteren Standards geben wird. Dies soll alles in einem guten Dialog mit den Kindertageseinrichtungen auf der Grundlage der bestehenden Leitbilder und Konzepte der Kindertageseinrichtungen erfolgen. Grundsätzlich wird der neue Träger das höhere Maß an Flexibilität beim Personaleinsatz auch im gegenseitigen Interesse nutzen. So ist es beispielsweise möglich, weniger befristete Verträge zu vergeben, da die Chance, im Verband eine alternative Stelle zu finden größer ist als derzeit innerhalb einer Pfarrei. Personelle Veränderungen innerhalb des Verbandes – zum Beispiel im Sinne von Personalentwicklungsmaßnahmen – lassen sich in einer größeren Struktur einfacher realisieren.Im Vorfeld der Umstrukturierung wurde angekündigt, dass aus finanziellen Gründen nicht alle Kitas in katholischer Trägerschaft bleiben können.
Schützt der neue Zweckverband Kitas davor, abgegeben zu werden, da zum Beispiel kostengünstiger gearbeitet werden kann? Inwieweit hat die neue Trägerschaft mit der Abgabe von Kitas zu tun?
Bentz: Anfang November habe ich mich mit einem Schreiben an alle Kirchengemeinden, die Träger einer Kindertageseinrichtung sind, und an die Leitungen gewandt, um sie über die Notwendigkeit der Abgabe von Kindertageseinrichtungen zu informieren. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Schätzungen aus unserem Finanzdezernat ausweisen, dass wir Ende des Jahres 2020 mit einem strukturellen Defizit und Corona Mindereinnahmen in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro rech-nen müssen. Das zwingt uns als Bistum und insbesondere mich als Ökonom des Bistums dazu, drastische Einsparungen vorzunehmen, auch bei den Kindertageseinrichtungen. Im Interesse von Kindern, Familien, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen Schließungen nach Möglichkeit vermieden werden. Auf Bistumsebene hat eine Arbeitsgruppe im Dezember in der Dezernentenkonferenz dazu eine erste Vorlage vorgestellt, wie ein solcher Prozess der Abgabe oder Übertragung an den neuen Träger aussehen kann. Dazu werden zeitnah zunächst die Träger und Mitarbeitenden der Kindertageseinrichtungen informiert.
Was können wir grundsätzlich feststellen? Wir haben unterschiedliche Finanzierungsverträge der Kommunen mit unseren Trägern. Die Kindertageseinrichtungen sind baulich in sehr unterschiedlichem Zustand. Wir haben Kindertageseinrichtungen, die ihre Arbeit auf hohem Niveau qualitativ, familien- und sozialraumorientiert aufgestellt haben. Wir haben Kindertageeinrichtungen, die praxisorientiert Kirchort leben, eng in der Kirchengemeinde zusammenarbeiten und dabei gut pastoral begleitet werden. Es gibt Regionen, in denen die katholische Kindertageseinrichtung (noch) der einzige Kirchort ist. Wir haben Regionen im Bistum Mainz, in denen wir vielen Familien unterstützende Angebote machen können, in einigen Regionen haben wir in den Kommunen und Gemeinden nur eine einzige Kindertageseinrichtung. Dies alles gilt es in Bezug zueinander zu setzen und abzuwägen bei diesen wichtigen Entscheidungen. Ich bedauere es sehr, dass wir bistumsseitig zu diesen Maßnahmen gezwungen sind, habe aber auch alle Träger, Leitungen und Mitarbeitenden um Ihr Verständnis und aktives Mitwirken gebeten, weil wir nicht anders handeln können. Ich möchte mich an dieser Stelle auch zu Beginn des neuen Jahres für die wertvolle Arbeit in den Kindertageseinrichtungen bedanken. Für uns als Bistum sind Kindertageseinrichtungen sehr wertvollen Kirchorte. Unser Ziel ist es, dass möglichst viele Kindertageseinrichtungen im Bistum Mainz erhalten bleiben und in die Trägerschaft des Zweckverbands übertragen werden.
Fragen: Anja Weiffen
Ausführliche Informationen über Kitas und Familienzentren im Bistum Mainz:
www.bistummainz.de/kita/fachstelle
Videointerview mit dem Generalvikar zum gleichen Thema: