Wie kann es uns nicht nur auf Katholikentagen gelingen, Leben zu teilen?, fragt Bischof Peter Kohlgraf im „Wort des Bischofs“in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung. Mit Blick auf das Kirchentreffen verweist er auf die letzte große Hoffnung, die Christen ausstrahlen sollten.
Unter dem Motto „Leben teilen“ fand in Stuttgart der 102. Deutsche Katholikentag statt. Ideengeber war das Lebensbeispiel des heiligen Martin, der ja ebenfalls der Patron des Bistums Mainz ist und die Idee des Teilens für den Pastoralen Weg inspiriert hat. Im Vergleich zu früheren Katholikentagen waren weniger Dauergäste da, dennoch fühlte ich mich in Stuttgart nicht als Teil eines „heiligen Restes“. Neben anderen Veranstaltungen durfte ich ein Podium zu Martin als Friedensheiligen mitgestalten. Der heilige Martin hat der Überlieferung nach in Worms dem Kaiser die Waffen vor die Füße gelegt, mit der Begründung, als Soldat Christi dürfe er niemand anderem mit der Waffe dienen. In dem Podiumsgespräch wurde deutlich, dass es kaum einen Heiligen gibt, der eine so große Wirkungsgeschichte entfaltet hat. Er ist nicht nur der Heilige des Teilens, sondern – ganz aktuell – auch ein Heiliger des Friedens, ein Gedanke, der in damaligen Zeiten etwas radikal Neues war. Martin hat so viele Facetten, die uns heute beschäftigen können; etwa auch seine bescheidene Lebensweise als Bischof und sein unprätentiöses Auftreten zählen dazu.
Allein dieses Heiligen wegen hat sich der Besuch beim Katholikentag gelohnt. Das nächste Treffen wird in Erfurt stattfinden, einer säkularen Stadt in einem Umfeld, in dem es nicht selbstverständlich ist, einer Kirche zuzugehören. Neben vielen guten Erfahrungen und persönlichen Begegnungen mit guten Bekannten und auch Fremden in Stuttgart nehme ich die Frage mit: Wie kann es uns nicht nur auf Katholikentagen gelingen, Leben zu teilen? Und das nicht nur mit den eigenen Glaubensgeschwistern, gleichgültig ob katholisch, evangelisch oder orthodox.
Im 1. Petrusbrief (3,15) begegnet uns eine kleine Diasporagemeinde, der der Autor des Briefes mitgibt: Sie sollen so leben, dass die Anderen sie nach ihrer Hoffnung fragen, die sie erfüllt. Und die Christinnen und Christen sollen in Bescheidenheit antworten. Von Anfang an ist das Christentum dadurch attraktiv gewesen, dass es von Menschen der Hoffnung getragen wurde, die anderen Menschen ihren Glauben nicht penetrant aufdrängten, sondern diese Hoffnung ausstrahlten. Im Verlauf des Petrusbriefs wird deutlich: Es geht um die letzte große Hoffnung des Menschen, ewig in der Gemeinschaft mit Christus leben zu dürfen. Ich meine, dass uns diese Freude und Hoffnung im alltäglichen Miteinander zu wenig beschäftigt. Natürlich hoffe ich mit vielen anderen Gläubigen auf eine nachhaltige Erneuerung der Kirche, aber im Letzten ist für mich die Kirche das Sakrament des Heils, das mir durch die Taufe, die Sakramente, das Wort Gottes und die Erfahrung der Gemeinschaft der Hoffenden den Horizont zum ewigen Leben wachhält. Daher wäre ein Verlassen dieser Kirche für mich nie eine Option. Die Enttäuschung über manche Schwerfälligkeit in der Kirche sollte uns diese letzte Hoffnung nicht vergessen lassen.
Zurück zum Katholikentag: Es ist gut, dass wir uns den Freuden und Hoffnungen, der Trauer und Angst der Menschen in Gesellschaft und Kirche stellen und aktuell sind. Ich bin aber auch dankbar für die Begegnungen in Stuttgart, in denen die größere Hoffnung zur Sprache kam oder gefeiert wurde. Ich bin Annette Schavan dankbar für die Ermahnung vor einigen Monaten, die Vertreterinnen und Vertreter der Kirche sollten sich nicht in einer Insolvenzrhetorik verlieren. Man muss nicht naiv die Probleme ausblenden, aber wir sollten Menschen der Hoffnung bleiben.
Das wünscht Ihnen
Ihr Bischof Peter Kohlgraf
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 5. Juni 2022. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de