„Friede auf Erden“ im neuen Jahr!

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durchatmen
Datum:
1. Jan. 2020
Von:
Kirche im hr / Beate Hirt

Ein gutes und gesegnetes neues Jahr wünsche ich Ihnen in dieser Morgenfeier am 1. Januar. Nicht zuletzt auch: ein friedliches neues Jahr! Frieden für unsere Welt, im Kleinen wie im Großen: Den wünschen sich so viele. Nicht zuletzt diejenigen, die in ihrer Kindheit oder sogar später noch Krieg erlebt haben. 2020 ist das Jahr, in dem wir in Europa 75 Jahre Kriegsende feiern können. Es ist ein Jubiläum, das uns zugleich mahnt: Sorgt dafür, dass der Frieden in unserem Land erhalten bleibt! Viele sehnen sich auch nach dem Frieden im Persönlichen, nach Versöhnung in der Familie. Frieden, der ist ja nicht selbstverständlich. Wir wünschen ihn uns manchmal sehr herbei. Und viele beten deshalb auch für den Frieden.

Heute, am ersten Tag des Jahres, ganz besonders. Denn heute ist „Welttags des Friedens“. Seit 1968, seit über 50 Jahren, wird er in der katholischen Kirche am 1. Januar begangen. Papst Paul VI. hat damals den ersten Tag des Jahres – und das ganze Jahr – unter die Perspektive des Friedens gestellt. Mit der Einführung dieses Friedens-Welttages hat er den Wunsch verbunden: Am Neujahrstag solle dem Willen zum Frieden „eine besondere Feierlichkeit“ eingeräumt werden. Eine Feierlichkeit natürlich, die in den Alltag des neuen Jahres hineinreichen soll. Das neue Jahr, so die Hoffnung damals wie heute, soll eines werden, in dem der Friede wachsen kann, in dem Kriege und Konflikte beendet werden. Und manche Kriege von 1968 - wie der Vietnam-Krieg – sind ja tatsächlich vorbei, auch vom Kalten Krieg sagt man: Er ist beendet. Aber friedlich ist unsere Welt deshalb noch lange nicht.

„Friede auf Erden“, das haben die Engel an Weihnachten verkündet, auf den Feldern von Betlehem.  Jesus, der auch Friedensfürst genannt wird, kam vor über 2000 Jahren auf diese Welt. Aber: Frieden ist noch immer nicht, so viel Krieg herrscht auf Erden. Ein musikalisches Werk, das diesen Kontrast für mich besonders eindrucksvoll aufgreift, ist „Friede auf Erden“ von Arnold Schönberg. Der Text stammt von Conrad Ferdinand Meyer, er beginnt so: „Da die Hirten ihre Herde /  ließen und des Engels Worte / trugen durch die niedre Pforte / zu der Mutter mit dem Kind, / fuhr das himmlische Gesind / fort im Sternenraum zu singen, / fuhr der Himmel fort zu klingen: / „Friede, Friede auf der Erde!“ // Seit die Engel so geraten / O wie viele blutge Taten / hat der Streit auf wildem Pferde, der geharnischte, vollbracht!“

„Friede auf Erden!“ Das haben die Engel bei Betlehem vor über 2000 Jahren gesungen. Und so viel blutge Taten sind noch gefolgt. Und weitere unfassbar viele, seit Arnold Schönberg 1907 sein „Friede auf Erden“ komponiert hat. Und immer noch sterben heute Menschen in blutigen Kämpfen und durch Bomben, im Jemen und in Syrien, in Kolumbien oder Mexiko, sogar bei uns in Europa, in der Ukraine.

Was nur können wir tun, damit mehr Friede wird auf dieser Erde? Was kann ich persönlich tun, heute am 1. Januar, am „Welttag des Friedens“, und in diesem neuen Jahr 2020? Ich bin überzeugt: mehr, als ich manchmal denke. Natürlich, die hohe Politik und die niederen Beweggründe vieler Mächtiger, die kann ich kaum beeinflussen. Aber: In Maßen kann ich doch etwas tun für den Frieden auf dieser Erde, auch im Großen, das glaube ich ganz fest.

Der Friede hat ja vor allem auch mit Gerechtigkeit zu tun. Mit gerechten und fairen Verhältnissen. Wo die nicht herrschen, brechen schnell Streit und Krieg aus. Das wusste schon die Bibel. Der Prophet Jesaja zum Beispiel nennt Frieden und Gerechtigkeit immer wieder in einem Atemzug. Die große Gottes-Herrschaft des Friedens, so sagt er, wird gefestigt und gestützt durch Recht und Gerechtigkeit (vgl. Jesaja 9,6). Und der Prophet wettert gegen die Mächtigen, die die Armen ausnutzen und sie ihrer Rechte berauben, „Wehe ihnen!“ ruft er. Und auch heute könnte man so rufen: Wehe ihnen! Es gibt sie ja noch immer, diese Unterdrückung der Armen. Zum Beispiel in Peru, Brasilien oder Kolumbien. Indigene, die von ihrem Land vertrieben werden, weil man dort Rohstoffe gewinnen - oder riesige Rinder- oder Sojafarmen anlegen will. Menschen dort in Südamerika müssen außerdem für billigsten Lohn auf Plantagen oder in Fabriken arbeiten. All das hat auch mit uns zu tun, in Europa. Wir profitieren von der Ungerechtigkeit und dem Unfrieden auf dieser Erde. Das katholische Hilfswerk Adveniat macht darauf immer wieder aufmerksam, zum Beispiel mit seiner Aktion „Friede! Mit dir!“. Der Hauptgeschäftsführer von Adveniat, Pater Michael Heinz sagt: „Verantwortungsvolles Handeln in Deutschland ist Grundvoraussetzung, damit dieser Friede unter den Menschen und mit der Umwelt Wirklichkeit wird. Unsere Konsumgewohnheiten, unsere wirtschaftlichen Interessen degradieren Lateinamerika zum Lieferanten von Rohstoffen wie Erdöl, Gold und Kohle und Agrarprodukten wie Palmöl und billigem Rindfleisch.“

Frieden schaffen im neuen Jahr: Das kann deswegen tatsächlich im Supermarkt beginnen: indem ich kein billiges Rindfleisch kaufe oder sogar ganz auf Fleisch verzichte. Indem ich Produkte mit Palmöl stehen lasse. Und so oft wie möglich zu fair gehandelten Produkten greife, zu fairem Kaffee, auch zu fair produzierter Kleidung. Friede und Gerechtigkeit und auch die Bewahrung der Schöpfung gehören zusammen. Deswegen werben heute Hilfswerke nicht mehr nur für Spenden, sondern eben auch: für einen neuen Lebensstil. Und ich finde: Das ist ja auch eine gute Botschaft und eine Chance: Ich ganz persönlich kann etwas ändern, ich kann Frieden stiften, mit jedem Einkauf, den ich tätige für eine gerechtere Welt.


„Friede mit dir! Friede mit euch! Peace with you!“ So lautete auch der Gruß Jesu an seine Jüngerinnen und Jünger.

„Friede! Mit dir!“ So lautete diesmal auch das Motto der Weihnachtsaktion von Adveniat, dem katholischen Hilfswerk für Lateinamerika. Und es ist nicht das einzige Hilfswerk, das den Frieden diesmal in den Mittelpunkt rückt. Alle katholischen Werke haben 2019 und 2020 den Frieden zum Hauptziel erklärt.

Auch die Sternsinger sind im Zeichen des Friedens unterwegs, wenn sie in den nächsten Tagen als die heiligen drei Könige mit dem Stern durch die Straßen ziehen. Kinder sammeln Geld für andere Kinder, es ist die größte Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder weltweit. Über 50 Millionen Euro kamen allein im letzten Jahr dabei zusammen. Ich finde diese Aktion einfach großartig. In diesem Jahr macht sie mir besonders klar: Es sind ja vor allem die Kinder, die unter dem Unfrieden auf dieser Welt leiden.

„Friede! Im Libanon und weltweit“ lautet das Motto der Sternsinger-Aktion 2020. Etwa eine Million Flüchtlinge aus Syrien leben im Libanon. Es ist das Land, das weltweit im Verhältnis zur Zahl der eigenen Einwohner die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Und rund die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit sind ja Kinder. Sie leiden ganz besonders unter den körperlichen und seelischen Verletzungen des Krieges. Die „Sternsinger“ mit ihrer Aktion unterstützen Projekte, die den Flüchtlingskindern im Libanon wieder Sicherheit, wieder Schutz und Halt und ein Stück Normalität geben wollen. Sie wollen getrennte Familien wieder zusammenzuführen, Nahrungsmittel und ein Dach über dem Kopf zur Verfügung stellen, Schulen aufbauen. Und sie unterstützen Projekte zur Traumabewältigung. Sie helfen Kindern, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten und wieder friedliche und stabile Bindungen aufzubauen.

Es tut mir in der Seele weh, mir vorzustellen, wie viele Millionen Kinder auf dieser Erde in Unfrieden und auf der Flucht leben müssen. Und es tut weh zu wissen: Auch daran sind wir in Europa und in Deutschland nicht unschuldig. Wer Krieg führen will, der braucht Waffen. Der weltweite Waffenhandel ist mitverantwortlich für unendliches Leid und Zerstörungen, die durch Kriege verursacht werden. Ohne Waffenlieferungen ließen sich viele Konflikte schneller beenden oder würden gar nicht erst beginnen. Und der Waffenhandel nimmt weltweit zu. An der Spitze der Großwaffenverkäufe stehen die USA. Danach kommen Russland und Frankreich – aber auf Platz vier schon steht Deutschland. Exportweltmeister sind wir nicht nur wegen unserer Autos und unserer friedlichen Technologien – sondern auch wegen unserer exportierten Waffen. Die Kirchen in Deutschland kritisieren das immer wieder. Vor allem die katholische Friedensbewegung „pax christi“. Ihr Präsident in Deutschland ist übrigens seit letztem Herbst der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Er sagt: Der Einsatz „gegen Aufrüstung, Waffenhandel und Rüstungsexporte" ist ihm besonders wichtig, und auch: „der Versuch, Gewaltfreiheit und alternative Konfliktlösungen zu fördern“. Frieden kann eben nur dort wachsen, wo es weniger Waffen gibt und wo Menschen mit aller Kraft nach anderen, nach friedlichen Lösungen suchen.

 

„Verleih uns Frieden gnädiglich!“ So rufen auch Menschen seit Jahrhunderten zu Gott.

Seit gut zwei Jahren bin auch ich Mitglied bei „Pax Christi“, der katholischen Friedensbewegung. Bei all den vielen Kriegsnachrichten, die ich Tag für Tag bekomme, war es mir irgendwann wichtig, diejenigen Kräfte noch stärker zu unterstützen, die sich für Frieden engagieren. Für mich gehört er zum christlichen Glauben einfach dazu: der Einsatz für den Frieden im Kleinen wie im Großen, nicht zuletzt: für weniger Waffen auf dieser Erde. Deutschland liefert zum Beispiel für hunderte Millionen Euro Waffen nach Saudi-Arabien, das im Jemen einen der schlimmsten Kriege derzeit führt. Und auch für Algerien und Pakistan hat Deutschland Exportgenehmigungen im dreistelligen Millionenbereich erteilt. Es ist so: Wir verdienen am Leid der Menschen in diesen Ländern, auch der vielen Kinder in den Kriegsgebieten dieser Welt Ich finde das furchtbar. Ich unterschreibe Petitionen im Internet dagegen und überlege vor jeder Wahl: welche Partei hat in puncto Waffenhandel welche Haltung. Und ich bin froh, dass kirchliche Bewegungen und katholische Bischöfe sich für weniger Waffen auf dieser Erde engagieren, auch der Mainzer Bischof Kohlgraf.

Aber auch der Papst in Rom tut das. Als Papst Franziskus vor einigen Wochen in Japan war, hat er sich leidenschaftlich gegen Krieg und Kriegswaffen ausgesprochen, nicht zuletzt gegen Atomwaffen. Das Wettrüsten mit Atomwaffen nannte er in Nagasaki einen "himmelschreienden Anschlag" auf die Menschheit. Und er sieht alle Menschen gefordert auf der Suche nach dem Frieden, er hat dort gesagt: „Eine Welt in Frieden und frei von Atomwaffen ist das Bestreben von Millionen von Männern und Frauen überall auf der Erde. Dieses Ideal Wirklichkeit werden zu lassen erfordert die Beteiligung aller: Einzelne, Religionsgemeinschaften, die Zivilgesellschaft, die Staaten im Besitz von Atomwaffen und atomwaffenfreie Staaten, private und militärische Bereiche sowie die internationalen Organisationen.“ Auch heute, am 1. Januar, am Weltfriedenstag meldet sich der Papst mit einer Botschaft zu Wort. Er schreibt: „Die Welt braucht keine leeren Worte, sondern glaubwürdige Zeugen, „Handwerker des Friedens“, die offen für den Dialog sind, ohne dabei jemanden auszuschließen oder zu manipulieren. In der Tat kann man nicht wirklich zum Frieden gelangen, wenn es keinen überzeugten Dialog von Männern und Frauen gibt, die über die verschiedenen Ideologien und Meinungen hinaus nach der Wahrheit suchen.“

Dialog: Das ist ein Schlüsselbegriff auf dem Weg zu mehr Frieden. Offensein für den Dialog, das ist auch laut Papst Franziskus das Wichtigste für mehr friedliches Miteinander. Er setzt sich ein für den Dialog der verschiedenen Religionen und Kulturen, zum Beispiel, wenn er wie letztes Jahr im Frühjahr in ein muslimisches Land wie Marokko reist, sich dort mit Staats- und Religionsvertretern trifft. Er hat dort in Marokko gesagt: „Der aufrichtige Dialog, den wir anregen möchten, führt auch zur Rücksicht für die Welt, in der wir leben, unsere gemeinsame Heimat.“

Immer wieder ruft Papst Franziskus zu einer „Kultur des Dialogs“ und einer „Kultur der Begegnung“ auf. Er hat mich inspiriert mit seinen Sätzen zum Dialog, zu dem, was in menschlicher Begegnung schwierig und schön ist. Franziskus schreibt: „Es geht zentral um eine Kultur, die davon ausgeht, dass mir der andere viel zu geben hat. Ich muss auf den anderen in einer Haltung der Offenheit und des Hörens zugehen, ohne Vorurteile oder ohne die Auffassung, er könne mir nichts geben, weil er Vorstellungen hat, die zu meinen eigenen im Gegensatz stehen, oder weil er Atheist ist. So ist es nicht,“ sagt der Papst. „Jeder Mensch hat etwas beizutragen, und jeder Mensch kann etwas von uns empfangen.“ (Papst Franziskus, Mein Leben, mein Weg, Freiburg 2013, S. 122) Ich finde, das ist eine wirklich starke Haltung. Jeder Mensch, so verschieden und fremd er mir ist, soll für mich nicht ärgerlich oder bedrohlich sein. Sondern eine Bereicherung! Weil er mir etwas zeigen kann, was ich nicht kenne oder denke oder fühle. Und genauso umgekehrt: Ich kann ja auch ihm etwas von mir zeigen. Und beide können wir aus dieser Begegnung verändert und reicher hervorgehen.

Ich glaube: So fängt der Friede an. So kann er wachsen. Wenn ich Menschen offen begegne, ohne Überheblichkeit und Vorurteile. Ich will das im neuen Jahr immer wieder versuchen. Mich im Großen gegen Krieg und Waffen einsetzen. Und im Kleinen den Menschen friedlich begegnen. Und ich werde wie heute am Weltfriedenstag auch immer dafür beten: dass der Frieden sich durchsetzt. „Gib uns Frieden, Herr! Dona nobis pacem!“ Damit die Botschaft der Engel irgendwann wahr wird: Friede auf Erden!

 

 

Kirche im hr