Eine Regenbogenfahne hält Pia Held in der Hand. Bei einem Gottesdienst des Weltjugendtags (WJT) will sich die Teilnehmerin aus dem Bistum Mainz für die Rechte von homosexuellen Menschen einsetzen, erzählt die 21-Jährige aus Jügesheim auf der Rückreise am Telefon „Glaube und Leben“. „Plötzlich sprachen mich zwei Teilnehmer aus den USA an und schimpften darüber, dass ich diese Flagge zeige“, berichtet Pia Held. „Ich sagte, dass wir hier jetzt beten wollen und nicht streiten und schlug vor, später darüber zu reden. Wir haben uns die Hand gegeben und die beiden sind gegangen. Ich fand das eine gute Art und Weise, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen.“
Dann aber eskaliert die Situation. Mitten in der Messe sprach sie wieder jemand auf die Flagge an, nahm sie ihr aus der Hand und zerbrach sie. „Er sagte, dass niemand die Fahne sehen wolle und dass die Kirche in Deutschland sowieso bald nicht mehr zur katholischen Kirche gehören würde“, berichtet die Jügesheimerin. Sie entgegnete dem Teilnehmer, dass sie Angst vor ihm habe und er gehen solle. „Dieses Erlebnis hat den Einsatz für die LGBTQ-Community zu meinem Thema auf dem WJT gemacht“, sagt die junge Frau. „Mir war es sehr wichtig, weiterhin zu zeigen, dass wir offen sind und Schwulen und Lesben in unserer Kirche Raum geben.“ Rückhalt fand sie in der Gruppe aus dem Bistum, mit der sie unterwegs war.
Julius Gutmann aus Eimsheim ist ein weiterer WJT-Teilnehmer, der mit der Mainzer Gruppe gereist ist und via Telefon von seinen Eindrücken erzählt. Der tätliche Angriff, den Pia Held erlebt hat, schockiert ihn. „Auch wenn eine Flagge ja provozieren soll: Eine Anfeindung ist keine Kommunikationsebene, in einem christlichen Rahmen ist das unangebracht.“ Und einfach nur Parolen gegen Parolen zu stellen, bringe nichts. „Man muss auf einen Nenner kommen“, ist der 20-Jährige, der ab Oktober Seminarist im Mainzer Priesterseminar sein wird, überzeugt. Für ihn war der WJT eine tolle Chance, mit so vielen jungen Leuten gemeinsam den Glauben zu leben. „Am bewegendsten fand ich die Vigil. Wenn 1,5 Millionen Menschen still auf den Knien unseren Herrn in Form der Eucharistie anbeten, dann schöpfe ich daraus Glaubenskraft. Ich war erstaunt, dass die klassische Form der Anbetung noch eine Rolle spielt.“ Für ihn persönlich habe der WJT gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg ist. Für Julius Gutmann genauso wie für Pia Held war es der erste Weltjugendtag in ihrem Leben. Pia Held, die sich in der Kolping Jugend engagiert, hatte für den Sommer geplant, zu pilgern. „Nach den drei Wochen auf dem Jakobsweg war der Weltjugendtag eine sehr gute Ergänzung“, findet sie. Trotz ihres Erlebnisses mit der Flagge „bin ich froh, katholisch zu sein“, sagt sie. „Vor allem auch die Worte von Papst Franziskus für eine offene Kirche haben mich ermutigt.“
„Beeindruckt, wie weit die Kirche bei uns ist“
Bereits ihren dritten WJT feierte Sara-Marie Hüser mit, diesmal als Mitarbeiterin des Bischöflichen Jugendamts in Mainz. Zusammen mit weiteren Kollegen begleitete sie die Gruppe. Sie weist auf die prägende Erfahrung der „Tage der Begegnung“ in den portugiesischen Familien vor dem WJT hin. „Der ganze Ort war auf uns vorbereitet, die Menschen war sehr herzlich“, berichtet Sara-Marie Hüser, die selbst Portugiesisch spricht. Beim WJT hat sie beeindruckt, „wie weit die Kirche bei uns in Deutschland ist“, sagt die Pastoralreferentin. „Zum Beispiel gibt es meine Berufsgruppe in anderen Ländern nicht.“ In ihren Gesprächen hat sie aber auch erfahren, dass Gläubige anderswo sich für ihre Kirche vieles wünschen, was in Deutschland möglich ist.