Wie erleben queere Menschen die Kirche vor Ort? Fragen an Ruth Gleißner vom Netzwerk Katholischer Lesben (Nkal). Die 65-Jährige wohnt in Mainz und ist ehrenamtlich in der Kirche aktiv, unter anderem über das Katholische LSBT+Komitee als Vertreterin des NkaL in der AG für LSBTI*-Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz.
Warum gibt es das Netzwerk und warum ist Ihnen das „katholisch“ im Namen wichtig?
Zunächst trafen sich evangelische Lesben und stellten fest, dass eine Vernetzung hilfreich ist und gründeten Netzwerke wie LuK (Lesben und Kirche), MuM, Labrystheia. Zu den Treffen in der Evangelischen Akademie in Bad Boll kamen auch katholische Lesben. Weil sie andere Erfahrungen mitbrachten und erst recht, sofern sie in der römisch-katholischen Kirche arbeiteten, andere Probleme hatten, gründeten sie 1997 das NkaL, das Netzwerk katholischer Lesben. Die Nähe unserer Mitfrauen zur katholischen Kirche ist sehr unterschiedlich, von stark verwurzelt bis distanziert, engagiert oder ausgetreten. Auch wenn uns das „katholisch“ in unserem Namen wichtig ist, sind wir offen für Frauen, die spirituell nach einer Heimat suchen und das in einem christlichen Rahmen tun wollen. Aktuell hat das Netzwerk sein 25-jähriges Bestehen begangen, seit 2015 existiert es als Verein.
Welche Erfahrungen machen Sie in katholischen Lebenswelten? Wenn Sie Beispiele nennen würden.
Meine Freundin wollte nach ihrem Theologiestudium eigentlich in den kirchlichen Dienst eintreten, dann stellte sie fest, dass sie lesbisch ist, dann lernte sie mich kennen. Das war das Ende dieser Pläne. Eine unserer Mitfrauen war in der katholischen Gemeindearbeit tätig. Inzwischen ist sie konvertiert und arbeitet nicht mehr in der Kirche. Einige unserer Mitfrauen engagieren sich bei Out in Church, zum Beispiel Mirjam Gräve, die auch beim Synodalen Weg mitarbeitet, Manuela, Carla. Wenn Menschen uns und unseren Glauben persönlich kennenlernen, wandelt sich oft ihre ablehnende Haltung.
Eine Ihrer Visionen ist es, „ein Kirchen- und Gemeindeverständnis zu schaffen, in dem lesbische Frauen liturgisch und politisch aktiv und sichtbar sind, ohne diskriminiert zu werden“. Wie könnte das konkret aussehen?
Zum Beispiel: Lesben werden in den Fürbitten explizit angesprochen; bei Gottesdiensten zum Thema Familie kommen selbstverständlich Regenbogenfamilien vor; bei der Taufe von Kindern sind Mutter und Co-Mutter selbstverständlich zusammen dabei und werden auch so angesprochen und in die Formulare eingetragen; gemeinsam mit anderen Frauen wollen wir eine geschlechtergerechte Repräsentation von Frauen in den kirchlichen Ämtern und Strukturen.
Wie finden Sie es, dass es jetzt im Bistum Mainz Beauftragte für queersensible Pastoral gibt?
Sehr positiv. Wir arbeiten seit Langem daraufhin. Das Bistum Mainz ist nicht früh dran, es gibt bereits 16 Beauftragte innerhalb der Diözesen. Mit der Beauftragung sind nun offiziell Kontaktpersonen benannt, als Anlaufstelle und als Möglichkeit zur Bündelung von Aktivitäten, etwa von Fortbildungen und zur Vernetzung auf Ebene der Diözesen.
Fragen: Anja Weiffen
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 9. Oktober 2022. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de