Mehr als Essen und Trinken

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Brote
Datum:
27. März 2025
Von:
Bischof Peter Kohlgraf/ Glaube und Leben

"Gott wird dort interessant, wo Menschen die scheinbar heile Welt infrage stellen. „Sucht nach der Speise, die nicht verdirbt“, sagt Jesus. Glaube beginnt dort, wo Menschen anfangen zu suchen und zu fragen. Und vielleicht gibt es auch heute immer mehr Menschen, die merken, dass der gedeckte Tisch nicht alles sein kann." Zum Text von Bischof Kohlgraf aus der aktuellen Ausgabe von "Glaube und Leben". Einmal im Monat schreibt Bischof Kohlgraf die Kolumne „Perspektiven“ für dieses Magazin.

Die Frage nach Gott treibt die Menschen heute nicht mehr um, sagen uns jüngste Studien. Die Kirchenmitgliedschaftszahlen bestätigen diesen Trend, wobei auch innerhalb der Kirche viele Menschen etwa wichtige Teile des Glaubensbekenntnisses nicht bejahen, während sich Menschen außerhalb der Kirche mitunter die Gottesfrage stellen. In Bezug auf Glaube und Lebensführung verschwimmen die Grenzen zwischen Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche. Unsere Gesellschaft ist ein bunter Flickenteppich, wenn es um die Frage nach Gott und den Sinn des Lebens geht. Für mich bedeutet das, weiterhin glaubwürdig zu versuchen, die Kernthemen unseres Glaubens zur Sprache zu bringen, mich um eine glaubwürdige Gestalt der Kirche und ihrer Verkündigung zu bemühen und dabei auch Geduld und Verständnis aufzubringen. Es braucht Menschen, die unaufdringlich und fröhlich davon sprechen, was ihnen ihr Glaube an Christus bedeutet, und die versuchen, danach zu handeln.
Hatten die Menschen früher wirklich eine tiefere Beziehung zu Christus? Oder waren viele Glaubens- und Lebensüberzeugungen nicht eher kulturell tief geprägt? Schon die Evangelien sind in dieser Frage realistisch und geduldig. Ich denke an die Erzählung der Brotvermehrung im Johannesevangelium. Nachdem Jesus 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen gesättigt hat, wollen sie ihn zum König machen. Ob die Menschen in diesem Evangelium von der Frage nach dem Sinn oder der Erkenntnis des Glaubens bewegt wurden, scheint fraglich. Sie suchen den gedeckten Tisch, nicht mehr und nicht weniger. Jesus spricht dann von sich selbst als dem eigentlichen Brot des Lebens. Diesem Bild können auch damals nur wenige folgen. Gott wird dort interessant, wo Menschen die scheinbar heile Welt infrage stellen. „Sucht nach der Speise, die nicht verdirbt“, sagt Jesus.
Glaube beginnt dort, wo Menschen anfangen zu suchen und zu fragen. Und vielleicht gibt es auch heute immer mehr Menschen, die merken, dass der gedeckte Tisch nicht alles sein kann. Sie reden vielleicht noch nicht von Gott, aber sie werden von einer Unruhe getrieben, die in ihnen aufsteigt, wenn sie den Armen in unserer Welt begegnen, wenn sie eigene Lebensweisen hinterfragen, wenn sie nach einem Leben suchen, das mehr ist als Essen und Trinken. Mir scheint, dass der richtige Weg der Kirche heute weniger darin bestehen wird, permanent verbindliche Antworten zu geben, sondern die richtigen Fragen zu stellen, manchmal auch Unruhe zu stiften, Scheinsicherheiten aufzubrechen, an das wirkliche Leben zu erinnern. So kann Jesus durch das persönliche Zeugnis derer nähergebracht werden, die mehr wollen als Essen und Trinken, die auch in Gott mehr sehen als den Brotkönig.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin eine gesegnete Fastenzeit.

// + Bischof Peter Kohlgraf
Peter Kohlgraf ist Bischof
von Mainz. 

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 30. März 2025.  Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de

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