Am 24. und 25. September findet im Bistum der „Tag der Ehejubiläen“ statt. Christliche Ehen sieht Stephan Weidner, Landesvorsitzender des Familienbundes der Katholiken in Rheinland-Pfalz, als Alternativmodell zur Konsumkultur. Ein Interview der Kirchenzeitung.
Sie betonen, dass die Ehe kein Auslaufmodell ist. Bestimmt ist sie das auch nicht, denn viele Menschen träumen von der großen Liebe und von einer Märchenhochzeit. Dennoch sind Ihnen medial die Scheidungszahlen zu präsent, wie Sie einmal gegenüber der Kirchenzeitung erwähnt haben. Welche Zahlen würden Sie lieber in der Presse lesen?
Zum Beispiel folgende: 70 Prozent aller Kinder leben bei verheirateten Eltern. Die Trauzahlen der Standesämter sind vor Corona gestiegen, die Scheidungszahlen gesunken. Zudem zeigen verschiedene Untersuchungen: Verheiratete Menschen sind im Durchschnitt gesünder, haben mehr Sex, sind seltener von Armut, insbesondere Altersarmut bedroht und kommen weniger und später in Altenpflegeeinrichtungen.
Kirchlich kann man nur einmal heiraten. Eine Ehe ist nach katholischem Verständnis auf Dauer angelegt. Was sagen Sie denen, die finden: So eine Ehe ist schwierig durchzuhalten, etwa weil sich heutzutage die Welt immer schneller „dreht“?
Ja, es ist heute schwieriger, eine Langzeitbeziehung zu leben, da die Erwartungen an eine Partnerschaft gestiegen und äußere Faktoren des Zusammenhalts weggefallen sind. Andererseits haben christlich geschlossen Ehen, vor allem mit Kindern, eine signifikant geringere Scheidungswahrscheinlichkeit. Die christliche Ehe ist ein Alternativmodell zu unserer marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaft, in der viele Menschen immer das neuere, bessere und günstigere Produkt suchen. Der Mehrwert einer Langzeitbeziehung liegt im Aufbau von Nähe, Intensität und Vertrauen und einer gemeinsamen Entwicklung als Paar, was so häufig nur in vielen Jahren gemeinsamen Zusammenlebens erreicht werden kann.
Das Sakrament der Ehe spenden die Eheleute einander. Wie kommt bei diesem Sakrament Gott ins Spiel?
Die entscheidende Erfahrung vieler gläubiger Menschen ist, dass die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht „gemacht“ sondern nur geschenkt werden können. Ein glückliche, über Jahrzehnte andauernde Beziehung, das gelungene Heranwachsen von Kindern zu reifen und zufriedenen Menschen, die Bewältigung von schweren Lebenskrisen und ein würdiges Altern und Sterben liegen nicht in unserer Hand. Wir können vieles dafür tun, damit Leben gelingt, aber letztlich kommt die Erfüllung dieser Lebensaufgaben von Gott. Das entlastet die Menschen von übermenschlichem Erfolgsdruck und gibt Vertrauen in Gottes Beistand und Hilfe.
Gesellschaftlich sind auch andere Lebensmodelle akzeptiert und werden gelebt. Gründe dafür sind sicherlich auch wirtschaftliche Veränderungen: Frauen verdienen heutzutage meist ihr eigenes Geld, sind finanziell unabhängig. Welche Haltung haben Sie als Landesvorsitzender des Familienbundes der Katholiken in Rheinland-Pfalz zu diesen gro-ßen, sich seit Jahrzehnten vollziehenden gesellschaftlichen Veränderungen?
Grundsätzlich gilt es, alle Paare und Familienformen wertzuschätzen und zu unterstützen, denn alle Menschen suchen nach einem gelingenden Leben. Zugleich ist die auf der Ehe basierende Familie die in Deutschland bewährte und sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich anerkannte Form des Zusammenlebens, die die Eheleute und ihre Kinder umfassend absichert und schützt. Diese Institution zu schwächen oder medial als überholt darzustellen, halte ich für den falschen Weg.
Welche politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen muss es Ihrer Meinung nach für Ehen geben, die, kirchlich geschlossen, auf Dauer angelegt sind?
Zunächst gilt es die Ehe wieder in ihren Chancen und rechtlich gut ausgewogenen Regeln als eine echte Entlastung und Absicherung für Paare darzustellen. In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, die Ehe ist ein Auslaufmodell und betrifft nur alte Leute. Das stimmt nicht, denn gerade auch viele junge Menschen heiraten. Zudem gibt es Sorgen, dass die Rechtsinstitution Ehe, die sich ein ganzes Jahrhundert lang entwickelt und bewährt hat, geschwächt werden könnte: Die Bundesregierung arbeitet an der Einführung einer neuen Institution, einer sogenannten Verantwortungsgemeinschaft. Je nach Ausführung könnten darin die jeweils schwächeren Partner in einer Beziehung weniger gut abgesichert sein als in einer Ehe. Es wird oft vergessen, was die Ehe beiden Partnern alles an Schutz bietet.
Ein weiterer Faktor, der die Stabilität von Ehen unterstützt, ist eine ausreichende Zahl an Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen sowie deren bessere Finanzierung. Bisher werden nur diejenigen Paar-Beratungen vom Staat teilweise refinanziert, die Familien mit Kindern unter 18 Jahren betreffen. Andere Beratungen müssen kirchliche Träger selbst bezahlen.
Eheschließungen gehören zu den großen Wegmarken im Leben von Menschen. Eine Chance für die Kirche, hier präsent zu sein. Wie könnte diese Chance verstärkt genutzt werden?
Hochzeiten sind heute große Events, häufig emotional aufgeladen sowie individuell und professionell gestaltet. Die katholischen Vorgaben, was Ort, Zeit, Ablauf der Feier sowie den Leiter der Feier betrifft, bleiben dagegen sehr eng. Dies sind immer weniger Menschen bereit zu akzeptieren. Die Zahl der klassischen katholischen und evangelischen Trauungen geht zurück. Nur circa zehn Prozent aller Paare, die standesamtlich heiraten, lassen sich auch katholisch trauen. Aus meiner Sicht müsste sich die katholische Kirche hier öffnen, damit das Sakrament nicht nur noch für eine Randgruppe zugänglich ist.
Fragen: Anja Weiffen
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 11. September 2022. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de