Mehr als 100 Tage ist Sebastian Lang nun neuer Generalvikar im Bistum Mainz. Die Bevollmächtigte des Generalvikars, Stephanie Rieth, hat ihr Amt vor zwei Jahren übernommen. Zeit nachzufragen: Welche Schwerpunkte setzen die beiden? Und wie gut funktioniert die geteilte Verantwortung im Bistum?
Frau Rieth, wer ist Sebastian Lang, der neue Generalvikar?
Stephanie Rieth: Er ist jemand mit Haltung, wie ich es mir nach dem Weggang von Generalvikar Bentz in dieser Funktion gewünscht habe. Der Bischof hat zusammen mit mir überlegt, wen wir fragen könnten. Da hat die gemeinsame Verantwortung schon begonnen, die wir jetzt im Trio ausüben. Ich kenne Sebastian Lang aus seiner Ausbildung, in der ich ihn als sehr klugen und beweglichen Menschen mit einer sehr guten Auffassungsgabe erlebt habe. Mit ihm habe ich mir vorstellen können, so weiter zusammenzuarbeiten, wie das mit Udo Bentz möglich war.
Und wie sehen Sie sich selbst? Manche haben sich bei Ihrer Ernennung zum Generalvikar vielleicht gefragt: Sebastian – wer?
Sebastian Lang: Ja, das ist gut möglich. Ich hatte ja bisher noch keine Funktion im Bistum, die in der vorderen Reihe sichtbar war. Erst kurz vorher bin ich Regens, also Leiter des Priesterseminars, geworden. Dass ich noch nicht so bekannt war, hat Vor- und Nachteile.
Welche?
Lang: Für die Menschen in den Gemeinden ist es vielleicht schwieriger, weil sie noch keine Vorstellung davon haben, wer und wie ich bin. Ich habe selbst auch noch nicht von allem eine Vorstellung oder gar einen fertigen Plan. Ich kann damit aber auch unvoreingenommen rangehen. Es ist eher eine Chance, dass alle neugierig sind auf das, was kommt. Ich muss mich noch ein bisschen daran gewöhnen, dass auch ich gemeint bin, wenn von der Bistumsleitung die Rede ist.
Wie war es für Sie, schon nach ein paar Tagen im Amt als Regens wieder eine neue Aufgabe zu beginnen?
Lang: Das hat sich sehr surreal angefühlt. Ich hatte als Regens Begegnungen mit Menschen, die ihre Wünsche an den Generalvikar formuliert haben, ohne zu wissen, dass ein paar Tage später ich das sein werde. Ich durfte das ja auch nicht sagen, weil sonst die Ernennung des bisherigen Generalvikars zum Erzbischof von Paderborn öffentlich geworden wäre. Sobald es aber ans Arbeiten ging, gerade auch im Team und mit der Bevollmächtigten, war es gut. Ich bekomme jetzt mehr, größere und komplexere Probleme auf den Tisch, als das im Priesterseminar war; aber ich versuche eben auch hier, das so gut es geht so anzugehen, dass möglichst alle mit der Lösung einigermaßen zufrieden sind.
Wie sieht das Arbeiten aus, wenn es auf drei Schultern verteilt ist – als Team von Bischof, Generalvikar und Bevollmächtigter?
Rieth: Es gibt tägliche Entscheidungen von unterschiedlicher Tragweite. Nicht alle drei müssen in jedem Einzelfall mitentscheiden, aber jeder muss die Entscheidung mittragen und mitverantworten können. Man darf sich auch nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Lang: In den wöchentlichen Dienstgesprächen mit dem Bischof sind wir im Austausch. Dazu gibt es auch immer wieder kurzfristige Abstimmungen zwischen uns und mit dem Bischof.
Das klingt nach viel Zeitaufwand.
Rieth: Es ist sicher zunächst keine zeitliche Entlastung, wenn man Dinge gemeinsam bespricht. Aber es entlastet im Blick auf die Verantwortung, wenn man nicht alleine entscheidet und alles alleine verantworten muss. Außerdem treffen wir Entscheidungen meist auch im größeren Rahmen der Leitungskonferenz, sodass hier wirklich Verantwortung geteilt wird.
Lang: Das war auch ein Grund, warum ich mich so schnell für die neue Aufgabe entscheiden konnte. Wir sind mit vielen im Gespräch, auch mit den Fachleuten im Ordinariat: mit den Dezernenten, den Abteilungs- und Bereichsleitungen und den Stabsstellen. Da gibt es für fast alle Fragen Zuständigkeiten und Unterstützungssysteme.
Rieth: Ich glaube, dass es entscheidend ist, jemanden im Team mitzunehmen in das, was schon läuft. Da muss niemand bei Null anfangen, der neu dazu kommt. Da sind wir mit dem neuen Leitungsmodell auch nach zwei Jahren noch in Pionierarbeit. Aber ich denke, wir sind auch zum ermutigenden Vorbild für Pfarreien geworden, was kollegiale Leitung angeht. So können wir mit Gelassenheit und großer Zielstrebigkeit zügig an den anstehenden Themen weiterarbeiten.
Welche Schwerpunkte sind das für Sie?
Lang: Ein Schwerpunkt von mir wird darin liegen, das Führungsverhalten („Governance“ und „Compliance“) in den Blick zu nehmen, was uns auch durch die EVV-Studie zum Missbrauch aufgegeben wurde. Das betrifft auch Fragen der Finanzen und weiterer Verantwortlichkeiten. Fragen der Prävention, Intervention und Aufarbeitung bei sexualisierter Gewalt liegen bei der Bevollmächtigten. Das ist auch strukturell gut, wenn genau da kein Kleriker die Erstzuständigkeit hat. Schön und spannend sind für mich die Aufgaben, die Bedürfnisse und Bedarfe aus unterschiedlichen Perspektiven zu moderieren und zusammenzuführen.
Und welche Themen stehen jetzt an?
Rieth: Eine Frage, die uns aktuell beschäftigt, ist, wie wir auf dem Jakobsberg mit den vorhandenen Ressourcen verantwortlich ein geistliches Zentrum gestalten können. Eine andere Frage ist die Entwicklung einer Personalkostenstrategie, wie wir angesichts steigender Kosten und schwindender Ressourcen das nötige Personal für die Unterstützung in der Fläche des Bistums zur Verfügung stellen können und wie wir als Arbeitgeberin attraktiv bleiben. Mit der EVV-Studie ist außerdem wie in einem Brennglas deutlich geworden, wo wir im Umgang mit Betroffenen von Missbrauch und dem „irritierten System“ noch Aufgaben haben.
Ist es für Sie als junger Generalvikar einfacher, da sie nicht „aus dem System“ kommen?
Lang: Das weiß ich nicht. Mir ist gerade auch nach der EVV-Studie wichtig, dass es nicht darum geht, Probleme möglichst elegant vom Schreibtisch zu bekommen, sondern dass es transparente Regeln gibt und möglichst viele Perspektiven miteinbezogen werden, auch unangenehme. Das ist eine Frage, die jenseits des Umgangs mit Missbrauch eine Grundhaltung sein sollte.
Wenn man Sie am Ende Ihrer Amtszeit eines Tages fragen wird, was ist die Antwort: Wer war Sebastian Lang als Generalvikar?
Lang: Hoffentlich einer, der das Bistum maßvoll, aber mit der nötigen Konsequenz weitergebracht hat und mitgeholfen hat, dass Kirche im Bistum Mainz lebendig am Reich Gottes weiterarbeitet.
„Ich bekomme jetzt mehr, größere und komplexere Probleme auf den Tisch.“
Sebastian Lang (38) studierte Theologie und Philosophie in Mainz und Paris. 2014 wurde er von Kardinal Karl Lehmann zum Priester geweiht. 2016 wurde er zum Subregens des Bischöflichen Priesterseminars, 2023 erst zum Regens und kurz darauf zum Generalvikar im Bistum Mainz ernannt.
„Da sind wir mit dem neuen Leitungsmodell auch nach zwei Jahren noch in Pionierarbeit.“
Stephanie Rieth (49) wurde 2002 als Pastoralreferentin im Bistum Mainz gesendet. Die studierte Theologin hat seit dem 15. April 2022 das neu geschaffene Amt der Bevollmächtigten des Generalvikars sowie als Ordinariatsdirektorin die Aufgabe der Dezernentin des Zentraldezernates im Bischöflichen Ordinariat Mainz übernommen.
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der Ausgabe von Glaube und Leben vom 14. April 2024. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de