Vier junge Männer haben in Dresden einen SPD-Politiker überfallen und schwer verletzt. Dieser Vorfall steht stellvertretend für Gewalterfahrungen, die viele ehrenamtlich Engagierte, insbesondere in der Kommunalpolitik, machen. Mittlerweile hat es auch Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey getroffen. Derartige Gewalt ist nicht hinzunehmen, egal, welche Partei es betrifft.
Es ist ein alarmierendes Signal, wenn sich Hass und Verachtung so Bahn brechen. Ich traue den Christinnen und Christen in unserer Gesellschaft zu, dass sie diesen Weg nicht mitgehen, sondern hier wirklich den Mut haben, gegen Gewalt und Hass, die von verschiedenen Seiten geschürt und praktiziert werden, aufzustehen.
Gewalt beginnt im Denken, setzt sich durch im Reden und schließlich in der Gewalttat. Deshalb beginnt die Gewissenserforschung des Gläubigen mit der Überprüfung des eigenen Denkens. Auch Worte sind nicht harmlos, sie können verletzen und eine vergiftete Atmosphäre schaffen oder begünstigen. Menschen in der Nachfolge Jesu sind durchaus konfliktfreudige Personen. Sie streiten um das, was sie für richtig halten. Das gilt ja auch für die Suche nach den richtigen Wegen in der Kirche. Das ist eine Tatsache seit den Anfängen der Kirche. Oft ging es dabei nicht um Nebensächlichkeiten. Lösungen wurden gefunden, indem sich alle bereit erklärten, die eigene Meinung infrage stellen zu lassen, Kompromisse einzugehen, wesentliche von weniger entscheidenden Fragen zu unterscheiden und die Würde des anderen Menschen in Gedanken, Worten und Werken zu achten.
Rund 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gehört den christlichen Kirchen an. Das sind Millionen von Menschen. Ich fände es ein starkes Signal, wenn diese vielen Menschen ganz bewusst nicht den Weg der Gewalt, des Hasses und der Hetze auf allen Ebenen mitgehen würden, sondern ganz bewusst daran mitarbeiten würden, gewaltfrei zu reden und zu handeln. Ich denke an die tausenden jungen Menschen, die sich im Rahmen der 72-Stunden-Aktion vor wenigen Wochen für Gemeinschaft, Solidarität, Umwelt und einen Zusammenhalt der Gesellschaft engagiert haben. Sie haben etwas bewirkt und verändert. Ich wünsche mir, dass alle an ihnen Maß nehmen.
Christinnen und Christen dürfen sich nicht in die Schmollecke zurückziehen, als ob sie nichts bewirken könnten. Die Hälfte einer Gesellschaft, die sich um Frieden, Gewaltlosigkeit und Zusammenhalt bemüht, wird nachhaltig etwas verändern. Davon bin ich fest überzeugt. Denjenigen, die sich in der Politik für eine lebendige Demokratie einsetzen, kann man nur von Herzen danken.
+ Bischof Peter Kohlgraf
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 26. Mai 2024. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de