Perspektiven: Mehr als ein Wellnessangebot

Bischof Kohlgraf (c) Bistum Mainz
Bischof Kohlgraf
Datum:
22. Juli 2024
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Meine letzten Wochen vor den Sommerferien waren von vielen Terminen geprägt. Sendungsfeiern und die Priesterweihe, Visitationen und Podien, Konferenzen und zahlreiche Einzelgespräche. Ich habe den Eindruck, vor dem Sommer konzentrieren sich die Themen und Termine. Vielleicht geht es vielen von Ihnen ebenso. Für die Kinder und Jugendlichen in den Schulen stehen vor den Ferien die letzten Prüfungen und schließlich die Zeugnisse an.

 Jedes Jahr erinnere ich mich gerne an ein Evangelium, in dem Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern sagt: Kommt alle, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich will euch Ruhe verschaffen (Matthäus 11,28–30). 

Viele geplagte Menschen sind heute auf der Suche nach solchen Angeboten. Urlaub im Kloster, Wellnesswochen und vieles mehr sind gefragt. Das Evangelium wäre missverstanden, wenn wir Jesus nur als ein Wellnessangebot unter anderen sehen. Es geht ihm nicht allein um die Ruhe für gestresste Arbeitsgeplagte.

„Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir“, sagt Jesus. Wirkliche innere Ruhe finden wir, wenn wir seine Lebenshaltung einüben, wenn wir täglich bei ihm in die Schule gehen.

Wir sind beim Vater geborgen, darin liegt die Quelle der Ruhe. Jesus scheint in diesem Bewusstsein gelebt zu haben. Damit war eine große Gelassenheit verbunden. Jesus hat oft ein enormes Arbeitsprogramm bewältigt. Das schafft er, weil er sich in der Arbeit und im Gebet von seinem Vater getragen weiß. Jesus spricht in diesem Zusammenhang von den Lilien des Feldes und den Vögeln des Himmels, die der himmlische Vater kennt und versorgt. Wer in diesem Gottvertrauen leben kann, muss vor der Zukunft keine Angst haben. Ein solches Vertrauen ist kein Ruheprogramm, sondern eine lebenslange Übung mit Höhen und Tiefen.

Wer das „Joch Jesu“ auf sich nimmt, von dem im Evangelium die Rede ist, wer bei ihm lernt, lebt seinen Alltag mit immer größerer Liebe. Ein modernes Lebensgefühl scheint darin zu liegen, immer mehr zu wollen: mehr Karriere, mehr Geld, mehr Spaß, mehr Geltung vor anderen. Mancher Mensch hechelt seinem Ideal hinterher und schafft es so, stets unzufrieden mit dem zu sein, was er hat. Die Bewegung Jesu war ja eine andere. Das, was wir tun, mit Liebe tun, mit Liebe zu den Menschen, mit Liebe zur Welt, mit Aufmerksamkeit gegenüber dem Augenblick, in dem wir leben, scheint ein gutes Ruheprogramm zu sein. Das Hier und Jetzt zu lieben und zu gestalten, ist die tägliche Aufgabe in der Schule Jesu. Die Worte Jesu passen gut in unsere Urlaubs- und Sommerzeit. Sie laden ein zu Gottvertrauen und einer Wertschätzung des Alltäglichen, sie machen den Blick frei für das wirklich Wichtige. Ich wünsche allen in den kommenden Wochen diesen Blick für das wirklich Wichtige im Leben.

 + Bischof Peter Kohlgraf

 

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 21. Juli 2024.  Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de

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