Zu Beginn eines neuen Jahres nehmen sich viele Menschen konkrete Veränderungen im Leben vor: mehr Sport treiben, gesünder leben, weniger Alkohol trinken oder weniger rauchen sind nur einige Beispiele. Kein Wunder, dass der Umsatz mit Sportartikeln zu Jahresbeginn steigt. Die Erfahrung zeigt, dass die Beschäftigung mit diesen Vorsätzen im Laufe des Jahres merklich nachlässt.
Diese Vorsätze zu Beginn eines neuen Jahres deuten aber daraufhin, dass Menschen mit bestimmten Gewohnheiten oder ihrer Bequemlichkeit unzufrieden sind, oder dass sie spüren, dass es in ihrem Leben Veränderungsbedarf gibt. Selbst- oder Fremddruck hilft hier nicht weiter. Es braucht wohl eine positive Motivation: Was macht mir so viel Spaß, dass ich es dauerhaft durchhalte? Für die einen kann das Sport sein. Bewegung tut gut und macht den Kopf frei. Für den anderen ist es ein kreatives Hobby: Musik oder andere Möglichkeiten entführen in andere Welten und machen in der Gemeinschaft noch mehr Spaß. Freundschaften und Beziehungen zu pflegen, sind für das gute Leben unverzichtbar.
Vorsätze müssen positiv motiviert und realistisch sein. Schon Thomas von Aquin wusste, dass die Gnade die Natur voraussetzt. Das heißt, alle guten Vorsätze müssen auch mit meinen physischen und psychischen Grenzen vereinbar sein. Ich werde es nicht schaffen, ein völlig neuer Mensch zu werden, und ich muss es auch nicht. Für mich persönlich ist die tägliche Lebenskultur entscheidend, die ich durchhalte, mal besser, mal schlechter. Natürlich habe ich Freude an der täglichen Bewegung, ich mache Musik, ich pflege Freundschaften. Das alles ist für mich keine Last, sondern ein wichtiger Lebensinhalt.
Ein Thema habe ich noch nicht erwähnt: Ohne die Beziehung zu Gott könnte ich nicht gut leben. Neben der Bewegung, der Musik und den menschlichen Freundschaften nehme ich mir täglich Zeit für das Gebet. Ich schaue in die Lesungen des Tages, die die Liturgie vorgibt, ich könnte auch einen Leseplan zur Hilfe nehmen. Entsprechende Angebote finde ich im Internet. Das tägliche Gebet überfordert mich nicht, es hilft mir, den Alltag gut zu leben, mich getragen zu wissen in den Herausforderungen eines jeden Tages. Ich feiere die Heilige Messe, in der mir Nahrung für den täglichen Weg geschenkt wird. Geistliches Leben verstehe ich nicht als sportliche Höchstleistung, sondern als tägliches Training, mich in der Liebe Gottes zu wissen und zu verankern. Ich strebe keine Marathonleistungen an, sondern freue mich jeden Tag über das, was mir hilft, gut zu leben. Dazu gehören die Gnade Gottes und die Möglichkeiten, die mir die Natur schenkt. Mit all meinen Grenzen werde ich mich bemühen, glücklich zu leben.
// + Bischof Peter Kohlgraf
Peter Kohlgraf ist Bischof von Mainz. Einmal im Monat schreibt er die Kolumne „Perspektiven“ für dieses Magazin.
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 5. Januar 2025. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de