Schwierige Zeit – schöne Zeit

IMG_2057 (2) (c) kirchenzeitung
IMG_2057 (2)
Datum:
27. Mai 2020
Von:
Anja Weiffen

Der Corona-Lockdown verabschiedet sich der Reihe nach. Geschäfte, Schulen, Restaurants … vieles ist wieder geöffnet. Zurzeit stehen Kitas, auch katholische, in den Startlöchern. Ein Blick nach Hessen und nach Rheinland-Pfalz.

"Es ist einfach schön, zu erfahren, dass wir den Familien wichtig sind"

Der erste Zahn wackelt. Die Uroma ist gestorben. Kinder dürfen erstmals wieder Oma und Opa sehen. Durch die offene Scheibe erfährt Kita-Leiterin Gabriele Heckert, was ihre Schützlinge bewegt. Als Selbstläufer bezeichnet sie das „Fenster“, das während der Corona-Zeit für die Kita St. Cyriakus im hessischen Klein-Welzheim, Seligenstadt, zur Institution geworden ist. Dort können Kinder und Eltern klopfen, um mit der Kita Kontakt zu halten. „Auch ich ergreife mal die Initiative, wenn ich verstohlene Blicke sehe und sich jemand nicht traut, anzuklopfen.“

Anfangs habe sich die Kita wie in einer Starre befunden. „Alles war leise. Keiner wusste, was mit uns geschieht“, erinnert sich Gabriele Heckert. Zugleich gab es im Kita-Team viele Ideen, jeder wollte etwas tun. Ein regelmäßiger Elternbrief per E-Mail und eine Telefonsprechzeit wurden angeboten. „Plötzlich kam eine Familie am Kindergarten vorbei. Da habe ich das Fenster geöffnet“, erzählt Gabriele Heckert über den Start des „Fensters“. Dann kamen Familien regelmäßig vorbei. „Einmal wurde mir ein Neugeborenes vorgestellt“, sagt die Leiterin, der das Kontakthalten gut tut. „Es ist einfach schön, zu erfahren, dass wir den Familien wichtig sind.“

"Vieles wird zur Zeit in Frage gestellt"

Die Reaktionen der Eltern auf die baldigen Kita-Öffnungen erlebt Gabriele Heckert als zwiespältig.„Bei stabilen Familien steht die Gesundheit im Vordergrund. Sie haben sich mit der Situation arrangiert“, weiß sie. Andere Familien fragen sich: Hat man die Kleinsten vergessen? Warum dürfen Sonnenstudios wieder aufmachen aber Kitas nicht? „Vieles wird zurzeit in Frage gestellt, und das Verständnis für die Beschränkungen ist begrenzt. Im Grunde seitdem klar ist, dass der Fußball wieder rollen darf.“

Andererseits berichteten Eltern auch von einer schönen Zeit, ohne Termindruck. „Zeit war neu definiert. Entschleunigt. Nach dem Motto: Mensch, du kannst ja durchatmen. Oder: Es geht auch ohne Babyschwimmen.“ Inzwischen jedoch sehnten sich die Eltern wieder nach Normalität, sagt Gabriele Heckert. Aber, auch das stellt sie fest, seitdem sich die Straßen wieder füllen, „fahren Menschen auch wieder die Ellbogen aus“.

Wie die „Normalität“ in der Kita St. Cyriakus sein wird, kann die Leiterin nicht sagen. Zurzeit gibt es zwei Notgruppen à sieben Kinder mit Betreuer-Team A und Betreuer-Team B. „Wenn wir wieder öffnen, dann können nicht beide Teams parallel arbeiten. Dann muss ich einen neuen Team-Plan aufstellen, damit sich die Maßnahmen nicht gegenseitig aushebeln.“ Heckert erklärt weiter: „Sieben Kinder pro Gruppe ist das Limit, um die Abstandsregeln untereinander einhalten zu können. Bei zehn Kindern pro Gruppe geht das schon nicht mehr.“ Am 7. Juni soll es für die Kita St. Cyriakus mit dem eingeschränkten Regelbetrieb losgehen. Bis dahin seien noch viele Fragen zu klären etwa zu Masken oder Betretungsverboten, sagt die Kita-Leiterin.

Ein Blick nach Rheinland-Pfalz: Karin Gutenberger gehört zur Risikogruppe und leitet die Kita St. Martin in Bingen vom Homeoffice aus. Zurzeit gibt es drei Notgruppen in der Einrichtung. Die Corona-Situation nennt sie „eine schwierige Zeit“. Bei einer vierten Notgruppe wären wir am Limit, sagt sie. In ihrem Team von 13 Mitarbeiterinnen gehören vier zur Risikogruppe.

Keine Masken – aus pädagogischen Gründen

„Richtig öffnen können wir die Kita nicht. Die Gruppen dürfen sich ja nicht begegnen. Jetzt ist das über zwei Etagen mit drei Gruppen gut machbar, aber mit einer vierten sieht das anders aus.“ Sehr bedauert sie, dass keine Veranstaltungen stattfinden können, wie etwa die geplante Übernachtung. Auch die Sprachförderung findet nicht für alle statt, „und das wäre für die Kinder, von denen mehr als 40 Prozent einen Migrationshintergrund haben, sehr wichtig“, betont die Leiterin, die seit 1983 in der Einrichtung arbeitet. Die Kita St. Martin habe früher im sozialen Brennpunkt gelegen. „Das hat sich aber gebessert“, weiß Gutenberger. Die Zusammenarbeit mit den Eltern laufe sehr gut. „Die sind top“. Ärgern würde sie sich dagegen über kurzfristige Ankündigungen vom Land Rheinland-Pfalz. „Da würde ich mir mehr Vorlaufzeit wünschen.“

Sie und ihr Team machen sich in der Pandemie viele Gedanken, so Gutenberger. „Jede Woche gibt es einen Elternbrief mit Infos, Bastelangeboten, Rezepten. Kinder haben zusammen mit einer Erzieherin ein Video gedreht, wie man sich richtig die Hände wäscht, und an die Eltern geschickt.“ Doch im Homeoffice fragt sich Karin Gutenberger: Wie geht es weiter? Was ist mit den neuen Kindern, die kommen? „In meinem Kopf rattert es.“ Beim Thema Mund-Nasen-Masken hat sie eine Entscheidung getroffen. „Bei uns gibt es keine Masken, aus pädagogischen Gründen. Wegen Mimik und Sprache. Dafür werden Spielsachen und Türklinken öfter desinfiziert und noch öfter die Hände gewaschen.

Diesen Bericht und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 31. Mai 2020. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de