Sich vom Duft verführen lassen

ZAP Aerothek (c) ZAP_Aerothek
ZAP Aerothek
Datum:
11. Apr. 2024
Von:
Gertrud Wellner/ Glaube und Leben

Wie soll es in einer Kirche riechen? Am besten angenehm. Beim Betreten und Verweilen sollte das „Kopfkino“ positive Anregungen bekommen. Im Bistum Mainz gibt es jetzt die Möglichkeit, mit Raumdüften zu experimentieren

„frühlingshaft“ „wohltuend“ oder „angenehm“

Wir betreten eine Kirche – und erfassen den Raum mit allen Sinnen. Wie ist die Ausschmückung? Eher schlicht? Oder gibt es viel zu entdecken? Gerade spielt jemand an der Orgel. Was fehlt noch zum Wohlfühlen? Riecht es nach abgestandener Luft? Oder verbreiten Blumen, die vom Küster, der Küsterin im Altarraum platziert wurden, einen angenehmen Duft? Ja – hier duftet es. Doch wo sind die Blumen? Wir riechen Maiglöckchen und Zitrone, Magnolien und andere Zitrusfrüchte. Der Frühling ist da – die Natur ist wiedererwacht. Auferstanden. An Ostern. Doch wie kann es nach Ostern riechen? Ein kleiner weißer Kasten ist dafür verantwortlich: Die „zap Aerothek“.

Ein Duft hat viele Dimensionen

Dass Düfte in vielen Bereichen eingesetzt werden, ist bekannt. Das Duftmarketing beschäftigt sich damit, wie es beim Einkaufen riechen sollte, damit die Einkaufenden auch fündig werden, sich wohlfühlen und – einkaufen. Sich wohlfühlen – ein Duft hat viele Dimensionen. Er setzt Gefühle und Erinnerungen frei. Hier riecht es wie bei meiner Oma – kann gut sein, kann auch unerfreulich sein, je nachdem, welche Erinnerungen man an die Oma hat. Es ist also auch ein nicht so einfaches Spiel, Duft richtig einzusetzen.

Düfte kommen aber nicht nur im Einzelhandel oder im Hotel zum Einsatz. Im Rahmen der Untersuchung „Dufte Schule“ hatten etwa 800 Schülerinnen und Schüler Unterricht mit Lavendel-, Zitronen- und Orangenduft. 40 Prozent gaben an, dass sie sich besser konzentrieren könnten, 43 Prozent waren motivierter und 33 Prozent weniger aggressiv. Der daraufhin entwickelte Duft von Taoasis wird seit 2010 an einigen Schulen eingesetzt.

Und jetzt also auch im Kirchenraum.

Bei einer Veranstaltung 2016 im Kölner Dom wurde neben Musik und Lightshow auch ein Raumduft eingesetzt. Die Resonanz war so positiv, dass ein Projektteam des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (zap) in Bochum die Idee weiterverfolgte. Gefragt wurden der Senior Parfümeur Marc vom Ende von der Symrise AG und der Riechforscher Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum: Wie könnte Kirche im 21. Jahrhundert riechen? Welchen Duft verströmt eine Kirche von morgen? Herauskam die zap Aerothek.

Der Name Aerothek geht zurück auf das griechische théke (Behältnis, Aufbewahrungsort) und aer (auf Luft bezogen). Ein Aufbewahrungsort für Duftluft sozusagen. Der Diffusor kann Düfte in acht verschiedenen Intensitätsstufen verströmen. Er hat zudem eine Zeitschaltuhr und ist speziell auf Großräume wie Kirchengebäude ausgelegt: Eine Fläche von etwa 400 Quadratmeter kann beduftet werden.

Diese Duftbox will zur Atmosphäre eines Kirchraums beitragen. Die Besucherinnen und Besucher sollen sich angenommen fühlen. Dabei geht es nicht darum, den Weihrauch zu verdrängen oder mehr Andenken zu verkaufen. Sondern beim Betreten der Kirche soll ein positiver Erst-Eindruck entstehen. Auch die spirituelle Erfahrung soll durch die Düfte verstärkt werden. Und Stefan Böntert, Professor am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft in Bochum, fasst es so zusammen: „Eindrucksvolle Dufterlebnisse, die Menschen über sich hinauswachsen lassen, ihren Horizont zum Heiligen hin öffnen und schließlich eine Ahnung vom ‚Duft der Erkenntnis Christi‘ (2 Korinther 2,14) schenken.“

Mit vier Düften durchs Kirchenjahr

Physis für Weihnachten mit viel Vanille. Ein Winterduft, der Wärme und Geborgenheit vermitteln soll. Kenosis für die Fastenzeit und Ostern mit frischen leichten Blumennoten. Mit Dynamis ist an Pfingsten mit Bergamotte und Jasmin ein kraftvoller Duft im Angebot. Und mit Phronesis steht zudem ein Duft fürs ganze Jahr zur Auswahl – dezent und unaufdringlich, leicht blumig mit einer weichen holzigen Note.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig – einfach nebenei oder akzentgebend etwa in einer Andacht oder einer Predigt. Das Buch „Weil mehr als Weihrauch möglich ist. Der Einsatz von Düften im Kirchenraum“, herausgegeben von Michael Swiatkowski, Matthias Sellmann und Christopher Pilz, zeigt viele Wege für den Einsatz auf.

Der Alltagsduft enthält die Hauptkomponenten der drei Fest-Düfte, bleibt jedoch dezent im Hintergrund. Er soll als „unsichtbarer Beistand“ wirken.

 

 

Interview mit Aaron Torner, Referat Katechese & Glaubenskommunikation, Dezernat Seelsorge im Bistum Mainz

Aaron Torner (c) privat
Aaron Torner

Mit Düften Assoziationen wecken

Herr Torner, seit einiger Zeit gibt es im Bistum Mainz die Möglichkeit, sich die zap Aerothek auszuleihen – mit allen Düften sowie dem Buch „Weil mehr als Weihrauch möglich ist“. Wie wird das Angebot angenommen?

Am Aschermittwoch war die Duftbox etwa in Gießen mit ganz vielen Schulklassen im Einsatz. Vor zwei Jahren fand das Jugendfestival granDIOS statt – und da hatte ich es am Abend im Dom in einem Seitenschiff aufgestellt. Und sogar hier kam die Rückmeldung, dass der Duft wahrgenommen wurde. Natürlich nicht so intensiv wie in einem kleinen Raum, aber man nimmt ihn wahr. Auch hier in Mainz waren die Düfte schon öfters im Schulgottesdienst am Theresianum im Hintergrund im Einsatz und wurden positiv wahrgenommen.

Gerade verströmt die Duftbox den frühlingshaften Duft Kenosis, konzipiert für Fastenzeit und Ostern. Was ist für Sie das Spannende am Einsatz von Düften?

Es ist ja bei den Düften in etwa wie beim Weintrinken – man kann ganz viele Geschmacksnuancen herausschmecken beziehungsweise herausriechen. Aber darum geht es vielleicht gar nicht immer. Es schmeckt oder riecht gut und weckt im besten Fall angenehme Assoziationen. Manchmal ploppen beim Geschmack vom Wein oder beim Duft dazu Bilder oder Erlebnisse im Kopf auf. Das finde ich spannend. Ich habe nicht unbedingt das Gefühl, dass ich den Duft zerlegen könnte in Basis-, Herz- und Topnote, wie es eine geschulte Nase tun könnte oder wie die Düfte im Buch vorgestellt werden. Ich erlebe, dass es vielen anderen ähnlich geht. Da, wo ich den Duft explizit zum Thema mache und frage, welche Assoziationen kommen Ihnen bei dem Duft, werden selten konkrete Düfte, sondern eher Assoziationen geäußert wie „frühlingshaft“, „wohltuend“ oder „angenehm“.

Und bleibt der Weihrauch damit auf der Strecke?

Nein, der Duft wird ja ganz anders eingesetzt. Er ist ja nicht selbst Teil der Liturgie, sondern eher im Hintergrund. Hier hat Weihrauch einfach nochmal eine andere Symbolik mit dem Rauch, der aufsteigt, und auch andere Geruchsassoziationen. Aber ich sehe eine Riesenchance, Vorurteile aufzubrechen. Wenn der Gottesdienstraum anders riecht als erwartet, ist schon ein erster Aha-Effekt da und man kann ganz anders an Inhalte gehen und eine Offenheit erzeugen. Es ist eine Chance, es gibt einen Überraschungseffekt und man irritiert auch Leute, weil sie den Duft so nicht erwarten, sie kommen dann ins Nachdenken. Und das ist ja auch die Stärke vom Medium Duft – er weckt unmittelbar Emotionen und Assoziationen.

Tipp: Der Verleih der Aerothek ist eine kostenfreie Dienstleistung des Dezernats Seelsorge im Bistum Mainz. Kontakt: liturgie@bistum-mainz.de

 

Dieser Artikel erschien in der ersten Magazin-Ausgabe am  31.3. bei Glaube und Leben.  Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de

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