Sorge um Sozialstaat

Jahreskampagne der Caritas (c) Deutscher Caritasverband e.V.
Jahreskampagne der Caritas
Datum:
18. Feb. 2025
Von:
Interview: Anja Weiffen

Was passiert nach dem 23. Februar? Die Bundestagswahl könnte für die Caritas Folgen haben. Die Direktorinnen des Mainzer Diözesancaritasverbands Nicola Adick und Regina Freisberg antworten in einem Interview des Magazins "Glaube und Leben" mit einem Appell.

„Caritas öffnet Türen“ heißt die Jahreskampagne 2025 der Caritas in Deutschland. Die Unterzeile „Da kann ja jeder kommen“ aber verblüfft.

Freisberg: Klar, da horcht man auf, und genauso ist es gedacht. Als Caritas sind wir für alle Menschen da, unabhängig von Status, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung. „Da kann jeder kommen“ ist wörtlich gemeint. Damit Menschen nicht in eine Abwärtsspirale geraten, beraten und unterstützen wir frühzeitig.

Die neue Kampagne ist auch auf die vorgezogene Bundestagswahl gemünzt. Was treibt Sie konkret im Mainzer Diözesanverband um?

Adick: Unsere soziale Infrastruktur wird in Zeiten des Sparens infrage gestellt. Schlimmer noch: Unser Sozialstaat insgesamt wird kaputt geredet. Darum gehen wir als Caritas im Bistum Mainz rein in den Wahlkampf. Wir machen uns stark für eine vorsorgende Sozialpolitik, die Lebensrisiken abfedert. In eine solche Krise kann jede und jeder geraten.

Welche Türen drohen im Zuge neuer politischer Machtverhältnisse zugeschlagen zu werden?

Adick: Uns bedrückt die Diskussion um das Thema Migration. Wir sind entsetzt über die furchtbare Messerattacke dieser Tage in Aschaffenburg. Das darf nicht verharmlost werden und fordert ein Handeln der Politik. Aber wir müssen auf der Grundlage unseres Rechtsstaates handeln. Mich besorgt die aufgeladene, fremdenfeindliche Haltung in unserem Land, die sich auch auf politische Entscheidungen auswirkt. Bei Integrations- und Sprachkursen und bei den Psychosozialen Zentren für traumatisierte Menschen wurde schon der Rotstift angesetzt. Da schließen sich Türen bei der Integration.

Freisberg: Mit Sorge verfolgen wir auch die Debatte um das Bürgergeld. Statt faktenbasiert zu prüfen, wie wir leistungsberechtigte Personen auf ihrem Weg in Arbeit unterstützen können, wird das Vorurteil der sozialen Hängematte bedient. Dabei sind fast Dreiviertel der Menschen, die Bürgergeld erhalten, erwerbstätig und erhalten eine Aufstockung, weil der Lohn nicht zum Leben reicht. 

Welche Caritas-Türen sollten auf jeden Fall geöffnet bleiben?

Adick: Da fällt mir der Bundesfreiwilligendienst (BFD) ein. Der ist ein Gewinn für junge und ältere Engagierte und für unsere Einrichtungen gleichermaßen. Leider gerät die Finanzierung des BFD zunehmend zu einer Zitterpartie. Das liegt einerseits am fehlenden Bundeshaushalt. Andererseits stehen immer wieder massive Kürzungen im Raum.

Freisberg: Auch die Tür der „Allgemeinen Sozialberatung“ (ALB) der Caritas muss offen bleiben. Sie ist ein wichtiges Beratungsangebot für Menschen in Lebenskrisen. Die ALB ist Anlaufstelle bei Geldsorgen, drohendem Wohnungsverlust und im Bürokratie-Dschungel der Sozialgesetze. Dem Bedarf können die Beratungsstellen aus Mitteln der Kirchensteuer kaum noch nachkommen.

Welche Resonanz gibt es bisher zur Jahreskampagne?

Freisberg: Wir setzen im Bistum Mainz ein Zeichen. An vielen Orten werden rote Türen aufgestellt: In Diensten und Einrichtungen und auch in den Pfarrgemeinden ist das Interesse groß. Beim Neujahrsempfang haben wir übrigens selbst eine rote Tür gezimmert.

Interview: Anja Weiffen

Zur Sache

Auch die Hessen-Caritas und die Caritas in Rheinland-Pfalz beteiligen sich an der Jahreskampagne. Speziell zur Bundestagswahl 2025 hat die Caritas zehnThesen zur Sozialpolitik aufgestellt. Alle Infos auf: www.caritas.de/öffnet-türen

Anmerkung: Das Interview wurde vor dem Attentat in München geführt, daher ist hier nur von der Messerattacke in Aschaffenburg die Rede.

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 16. Februar 2025.  Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de

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