Tradition des bewussten Wartens

RT8A0137-Kreuzgang (c) Bistum Mainz
RT8A0137-Kreuzgang
Datum:
1. Dez. 2021
Von:
Bischof Kohlgraf

Bischof Peter Kohlgraf regt in seinem „Wort des Bischofs“ in der aktuellen Ausgabe von "Glaube und Leben" an, Bräuchen wieder ihren christlichen Inhalt zu geben. Den Advent bewusst als eine geistliche Zeit zu leben, das sei für ihn in diesen chaotischen Tagen auch eine Einladung – zum Wohl der Seele.

Christus wird sinnlich erfahrbar als das Licht der Welt

Papst Franziskus erwähnt immer wieder die Bedeutung der Volksfrömmigkeit. Zwar mag diese in seiner Heimat Argentinien ausgeprägter sein als hierzulande, doch auch bei uns ist der Advent eine von vielen Bräuchen geprägte Zeit, die ursprünglich Ausdruck einer tiefen Frömmigkeit waren und für viele Menschen es auch bis heute sind. Dazu gehören etwa der Adventskalender und der Adventskranz, die die Tage und Wochen auf Weihnachten hin gliedern (Interessantes dazu bei Manfred Becker-Huberti, Lexikon der Bräuche und Feste, Freiburg 2000).
Natürlich ist der christliche Akzent des Wartens und der inhaltlichen Vorbereitung auf die Geburt des Erlösers in den gängigen Kalendern, hinter deren Türchen sich Schokolade oder Parfums befinden, nicht mehr wahrnehmbar. In diesen Tagen erreichen mich aber auch kreative Beispiele von Adventskalendern, die bewusst einen christlichen Akzent setzen und so an die alte, bis ins 15. Jahrhundert zurückgehende Tradition des bewussten Wartens anknüpfen. Vielleicht gibt es auch Familien, Kindergartengruppen oder Schulklassen, die selbst einen Kalender gestalten. Den Advent bewusst als eine geistliche Zeit zu leben, scheint mir in diesen chaotischen Tagen jedenfalls auch eine für das Wohl der Seele nützliche Einladung zu sein. Mir helfen die Tagestexte der Heiligen Messe, die vielen Akzente des Advents zu entdecken und mit in den Tag zu nehmen. Gerade die Texte aus den Prophetenbüchern schenken Hoffnung und Perspektiven in nicht nur damals eher dunklen Zeiten. Der Adventskranz, der ursprünglich aus dem evangelischen Bereich kommt, ist für mich ein wichtiger Begleiter durch die kommenden Wochen. Christus wird sinnlich erfahrbar als das Licht der Welt. Er soll immer mehr Raum gewinnen, in mir persönlich wie auch in der Welt, in der ich lebe. Weihnachten ist dann das Fest der Sonne, die auf Christus, das wahre Licht, hinweist. Gerade in der Zeit der Pandemie kann der Adventskranz im Haus eine Einladung für kleine Gottesdienste im Kreis der Familie oder auch der persönlichen Betrachtung sein.
Auch mit dem Fest der heiligen Barbara am 4. Dezember verbinden sich zahlreiche Bräuche, darunter der Barbarazweig, der zu Weihnachten blüht und als Symbol der Hoffnung und des Lebens ein guter Begleiter ist. Und es sollte für uns selbstverständlich sein, am 6. Dezember Nikolaus als Heiligen des Schenkens zu feiern – und den Weihnachtsmann einen guten Mann sein zu lassen. Solche ursprünglichen Formen der Volksfrömmigkeit machen den Glauben anschaulich. Ich lade Sie dazu ein, diese Bräuche bewusst zu gestalten und ihnen in der oft säkular gewordenen Form ihren christlichen Inhalt wieder zu geben. Dann haben sie durchaus auch einen katechetischen Wert, anderen Menschen das Liebenswürdige und Sinnenfreudige des Glaubens zu zeigen. Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Adventszeit.

Ihr Bischof Peter Kohlgraf


Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 5. Dezember 2021. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de

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