In Krakau durften wir der jüdischen Geschichte begegnen. Jüdinnen und Juden gehören auch heute zu unserer Gesellschaft. Es ist nicht hinzunehmen, dass sie sich zunehmend unsicher fühlen. Zwei Tage durften wir die Gastfreundschaft in Kreisau genießen. Wo sich in der Nazi-Zeit Menschen trafen, um Visionen nach Hitler zu entwickeln, begegnen sich heute junge Menschen aus unterschiedlichen Ländern Europas.
In der ersten Märzwoche durfte ich mit einer Gruppe von Pax-Christi-Mitgliedern eine Wallfahrt nach Polen erleben. Die ersten Tage haben wir in Oswiecim (Auschwitz) verbracht. Es waren bewegende Tage, die uns in den Abgrund menschlicher Bosheit haben blicken lassen. Es fehlen die Worte, um das Böse zu beschreiben, das dort geschehen ist: am jüdischen Volk, an Menschen aus Polen, an Sinti und Roma und an anderen Gruppen, denen jedes Lebensrecht abgesprochen wurde.
Ich habe keine Antwort auf die Frage, wie die Täter in unglaublicher Brutalität Menschen gequält und getötet haben, und nach „Feierabend“ scheinbar als liebevolle Familienväter ein normales Leben führen konnten. Heute müssen wir jeder Menschenverachtung wehren. In dieser menschengemachten Hölle gab es immer wieder auch Beispiele für Liebe und Hingabe. Pater Maximilian Kolbe ist vielleicht das berühmteste, aber nicht das einzige. Er gab sein Leben für einen anderen Gefangenen hin.
In Krakau durften wir der jüdischen Geschichte begegnen. Jüdinnen und Juden gehören auch heute zu unserer Gesellschaft. Es ist nicht hinzunehmen, dass sie sich zunehmend unsicher fühlen. Zwei Tage durften wir die Gastfreundschaft in Kreisau genießen. Wo sich in der Nazi-Zeit Menschen trafen, um Visionen nach Hitler zu entwickeln, begegnen sich heute junge Menschen aus unterschiedlichen Ländern Europas. Diese Menschen wollten ein Europa des Friedens und der Gemeinschaft. Helmut James von Moltke etwa erhoffte sich, Europa eine Seele wiederzugeben und die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten. Wie aktuell ist seine Vision heute. Wir haben Jugendgruppen in Kreisau erlebt. Jahrzehnte nach dem Tod der Mitglieder des Kreises geht so die Saat ihrer Lebenshingabe auf. Polnische Bischöfe haben 1965 den Deutschen die Hand zur Versöhnung ausgestreckt: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ war ihre Botschaft. Versöhnung braucht mutige Menschen, die in die Zukunft schauen.
Im Moment stehen allein Waffen für eine Lösung der Probleme. Kann das alles sein? 1964 haben sich Mitglieder von Pax Christi nach Auschwitz zu einer Sühnewallfahrt aufgemacht. Sie wollten für den Frieden beten und Verantwortung übernehmen. Unsere diesjährige Fahrt wollte daran anknüpfen, nicht nur in der Erinnerung, sondern auch in dem Gedanken, heute für Frieden und Versöhnung einzustehen. Im Moment erntet man eher Ablehnung und Spott, wenn man mit dieser Botschaft unterwegs ist.
Es braucht Menschen, die an die mutigen Schritte unserer Vorgänger anknüpfen. Insofern war diese Fahrt eine starke Motivation, Schritte der aktiven Friedensgestaltung weiterzugehen. Ich habe starke Sympathien für unsere polnischen Geschwister gewonnen. Ich werde dort nicht zum letzten Mal gewesen sein.
// + PETER KOHLGRAF
Peter Kohlgraf ist Bischof von Mainz. Einmal im Monat schreibt er die Kolumne „Perspektiven“ für das Magazin "Glaube und Leben"
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 31.März 2024. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf – 06131 253-451 oder E-Mail: RedaktionFML@bistumspresse.de