Von Frieden bewegt

Engagieren sich für das Friedensgebet: Susanne Barner, Anne Hagel und Günter Frey. (c) Anja Weiffen
Engagieren sich für das Friedensgebet: Susanne Barner, Anne Hagel und Günter Frey.
Datum:
7. Jan. 2024
Von:
Anja Weiffen

Wie können Kriege beendet werden? Wie kann Frieden entstehen? Im rheinhessischen Gau-Algesheim setzen sich Christen seit 2018 für den Frieden weltweit ein. Einmal im Monat findet dort ein Ökumenisches Friedensgebet statt. Was motiviert Menschen dazu? Und was bringen Gebete?

Da kann man nur noch beten, sagen manche, wenn gar nichts mehr geht. Eine Situation aussichtslos erscheint. Beten für den Frieden als Notnagel in einer von kriegerischen Konflikten zerrissenen Welt? In Gau-Algesheim steht mehr hinter dem monatlichen Ökumenischen Friedensgebet. Organisiert wird es von den katholischen Gemeinden in Gau-Algesheim und Ockenheim sowie von der evangelischen Gemeinde in Gau-Algesheim. Im Winter findet die Veranstaltung in der Gau-Algesheimer Kirche St. Cosmas und Damian statt. Beim Ortstermin brennt vor dem Altar die große Kerze der Pax-Christi-Aktion „Wanderfriedenskerze“.

Nach und nach füllen sich die ersten Bankreihen mit Mitbetenden. „Im Sommer ist beim Friedensgebet mehr los, draußen vor der Kirche auf dem Marktplatz“, erzählt eine Seniorin aus Gau-Algesheim, die seit den Anfängen des Friedensgebets dabei ist. „Für den Frieden kann man nicht genug beten. Mir ist es ein Bedürfnis“, antwortet sie auf die Frage, warum sie teilnimmt. „Ich glaube an Frieden. Wir müssen nur für ihn offen sein. Der Friede beginnt mit uns selbst“, meint ein anderer Teilnehmer. Rund 20 Menschen finden sich zu der Veranstaltung am späten Nachmittag ein. Draußen ist viel Betrieb, die Geschäfte sind noch geöffnet und hell erleuchtet, Feierabendverkehr auf den Straßen. „Über die passende Uhrzeit haben wir lange nachgedacht, weil wir sowohl Familien als auch Berufstätige ansprechen wollten“, sagt Susanne Barner, Koordinatorin des Friedensgebets und Pfarrgemeinderats-Vorsitzende der bisherigen Pfarrgruppe Gau-Algesheim, die seit Anfang des Jahres zur neu gegründeten Pfarrei St. Maria Magdalena Ingelheim gehört.

Nicht Hass und Rache das Geschehen diktieren lassen.

Das Friedensgebet findet jeden vierten Donnerstag im Monat statt. Diesmal bereiten die Gau-Algesheimer Anne Hagel und Günter Frey das Friedensgebet inhaltlich vor, unterstützt von Susanne Barner. Ein kleines Bläser-Ensemble der Katholischen Kirchenmusik sowie zwei Sängerinnen aus dem Gau-Algesheimer Christian-Erbach-Chor gestalten das Gebet musikalisch mit. Lieder wie „Herr, gib uns deinen Frieden“ und „Shalom Chaverim“ treffen ins Herz. „Als wir die Friedenskerze reserviert haben, ahnten wir noch nicht, welche besondere Aktualität das Thema bekommen würde durch die furchtbaren Geschehnisse in Palästina“, sagt Susanne Barner zu Beginn des Gebets. Anne Hagel führt in das Hauptthema ein, angelehnt an die Pax-Christi-Aktion. Sie weist auf die Frauen hin, die zusammen mit ihren Kindern oft hilflos Gewalt und Krieg ausgesetzt sind. „Aber Frauen“, betont die Gau-Algesheimerin, „setzen sich mit ihren besonderen Eigenschaften auch ganz besonders für Vermittlung und gewaltfreie Lösungen ein, für den Schutz des Lebens, für ein friedliches Miteinander.“
Im Text aus der Heiligen Schrift geht es um die Friedensvision des Propheten Jesaja, eine Sehnsucht, die die Menschen von heute mit denen biblischer Zeiten verbindet. Wie aktuell und zugleich verstörend wirken Sätze aus Jesaja 25, 6-10: „Hier auf dem Zionsberg wird es geschehen: Der Herr, der Herrscher der Welt, wird für alle Völker ein Festmahl geben.“ In der halben Stunde in St. Cosmas und Damian ist herauszuhören, wie Frieden gelingen kann. Jesus habe „eine sehr deutliche Weisung gegeben zu handeln“, sagt Günter Frey: „Sei solidarisch und gerecht! Kümmere dich um deine Mitmenschen. Suche Konflikte friedlich zu lösen, zu verhandeln, Menschenleben zu schützen. Lass nicht zu, dass Hass und Rache das Geschehen diktieren.“ Nur ein paar Beispiele für Antworten auf die Frage: Frieden – aber wie? Vor fünf Jahren initiierte der Ökumene- Kreis das Friedensgebet, erzählt Susanne Barner später. „Aus einem ökumenischen Gottesdienst heraus entstand die Idee, etwas gemeinsam machen zu wollen, nach außen sichtbar. Wir wollten gemeinsam in die Gesellschaft hineinwirken.“ Seitdem gibt es monatliche Veranstaltungen, die von vielen kirchlichen Gruppen gestaltet werden, auch von der bürgerlichen Gemeinde und von Kommunalpolitikern. Schon zu Beginn sei immer irgendwo auf der Welt ein Konflikt gewesen, „ob das im Jemen war, in Afghanistan oder im Sudan“, sagt Susanne Barner.

„Worum ihr bittet, das werdet ihr auch erhalten“

Der Ukraine-Krieg vor knapp zwei Jahren hat Friedensgebete im Bistum neu angestoßen oder reaktiviert. In Gau-Algesheim fand am Tag des Kriegsbeginns, am 24. Februar 2022, das Friedensgebet in St. Cosmas und Damian statt. „Damals war uns klar: Wir müssen ein Zeichen setzen. Wir müssen raus“, erinnert sich Günter Frey. „Wir sind dann auf den Markplatz gegangen und haben eine Schweigeminute gehalten.“ Die Eheleute Anne Hagel und Günter Frey bezeichnen sich als Christen, die sich für den Frieden einsetzen, sie kommen aus der zivilen Friedensbewegung. Günter Frey weist darauf hin, dass es nach der letzten Untersuchung des Stockholmer Friedensinstituts gegenwärtig 30 Kriege auf der Welt gibt. „Wir schaffen es nicht, mit unserem monatlichen Gebet, alle Kriege abzudecken.“ Sein Vorbild ist ein früherer Gau-Algesheimer Mitbürger, der Physiker Karl Bechert, der sich für „militärischen, ökologischen und sozialen Frieden“ einsetzte. „Karl Bechert hat Albert Schweitzer bei dessen Kampf gegen Atomwaffen beraten“, weiß Frey und ergänzt: „Ich versuche ein kleines bisschen von dem, was Karl Becher geleistet hat, zu unterstützen.“ Aber warum beten Christen? Warum nicht demonstrieren oder sich anderweitig engagieren? „Das eine schließt das andere nicht aus“, findet Susanne Barner und sagt: „Im Friedensgebet wenden wir uns an Gott, von dem wir wissen, dass er allmächtig ist. Er weiß in seiner Weisheit besser als Menschen das wissen können, wie und wann Frieden möglich ist. Christus hat uns diesen Frieden versprochen. Mit seinen Worten ,Worum ihr bittet, das werdet ihr auch erhalten‘ hat er uns gesagt, dass wir darum bitten dürfen.“

Das nächste Ökumenische Friedensgebet in Gau-Algesheim ist am 25. Januar um 17.45 Uhr in St. Cosmas und Damian.

 

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 07. Januar 2024. 

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