Wo bleibt in diesen Zeiten der Wille Gottes? Bischof Peter Kohlgraf schreibt, wie er mit dieser Frage umgeht, die Menschen ihm stellen. Der Bischof teilt seine Gedanken zur Corona-Pandemie und schildert seine Zeit in Quarantäne.
Wenn dieser Text erscheint, bin ich voraussichtlich aus der 14-tägigen Quarantäne entlassen und gesund geblieben. Eine wirkliche Herausforderung: 14 Tage auf sich selbst geworfen zu sein, keine näheren Kontakte, viel Zeit zum Lesen, Nachdenken, aber auch Grübeln und das Sich-hinein-Steigern in düstere Prognosen.
Es wurde für mich immer dann erfahrbar problematisch, wenn ich begann, mich zu sehr um mich selbst zu drehen. Die Tage waren meine Fastenexerzitien, und sie konnten es werden, weil ich mich bemüht habe, von mir weg auf die Situation anderer zu schauen.
Viele Menschen teilen mein Schicksal und vielen ging und geht es erheblich schlechter. Sie sind infiziert, und mich erschüttern nachhaltig die Bilder aus Italien und die Nachrichten über schlimme Krankheitsverläufe. Ich nehme aber auch wahr, dass es starke Hoffnungszeichen gibt, in denen in meiner Wahrnehmung das Reich Gottes in unsere Welt einbricht: Ärztinnen und Ärzte, Menschen in der Pflege, die ihr Letztes geben, die sich selbst geben. Wenn ich von ihnen und vielen anderen Beispielen höre, muss ich über die Nachfolge Jesu nicht mehr viele Worte verlieren.
Ich habe immer wieder versucht, die eigenen Sorgen mit den vielen Menschen im Gebet zu verbinden, die härter als ich betroffen sind. Mir stehen die Kranken und Gefährdeten und ihre Familien vor Augen, ich denke an die Menschen, deren Existenz in vielfältiger Weise bedroht ist, und denen eine Hoffnungsperspektive derzeit fehlt. Was bedeuten diese Tage für die Menschen in den Pflegeeinrichtungen und den Anlaufstellen für Wohnungslose? Viele Menschen erleben ihre Einsamkeit noch bedrohlicher als sonst.
Neben dem fürbittenden Gebet steigt in mir aber auch eine große Dankbarkeit auf. Ich habe mich vor allem über die vielen Initiativen in den Gemeinden und Familien gefreut, sich in kleinen Gottesdiensten zu Hause, im Gebet und im Lesen der Heiligen Schrift zu verbinden. Auch lade ich nochmals alle ein, unserem Gebetsaufruf zu folgen: Zünden Sie beim traditionellen Angelusläuten am Abend ein Kerze an und beten Sie ein Vater unser – gemeinsam und in Verbindung mit vielen anderen Menschen. Für die sicher schwierigen Kar- und Ostertage werden wir Anregungen zur Verfügung stellen, damit diese Tage in dieser außergewöhnlichen Situation dennoch zu einer Erfahrung der Hoffnung werden können. Vielleicht werden viele in dieser Krise gelernt haben, wie wichtig Gemeinschaft und Fürsorge sind – jedenfalls hoffe ich das.
Die Stunden-liturgie war in den Tagen der Quarantäne eine starke Hilfe. Sie gliedert den Tag und in den Psalmen finde ich alle meine Gefühle und Themen wieder. Sie helfen besonders dann beim Beten, wenn die eigenen Worte fehlen. Ich gestehe, dass auch mir die Worte fehlen, wenn Menschen mich in dieser Situation nach dem Willen Gottes fragen. Not lehrt ja nicht nur beten, sondern führt auch in die Gottesferne. In solchen Zeiten wird das Bild des Gekreuzigten für mich immer wichtiger. Er gibt keine einfachen Antworten auf unsere Fragen, er trägt das Leiden mit und erspart uns allen nicht, seine Wege der Hingabe mitzugehen.
Vielleicht ist die Liebe und Zuwendung, die wir schenken, die einzig richtige praktische Antwort auf die Fragen, die wir ansonsten nicht beantworten können. Ich wünsche allen Hoffnung und Kraft, den Kranken baldige Genesung. Gottes Segen in diesen Tagen!
Ihr Bischof Peter Kohlgraf
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